„Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein.“
Papst Benedikt XVI. 2007 zu Summorum Pontificum.
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- 22. Juli 2021
Seit einer Woche ist jetzt Traditionis Custodes in der Welt - und die Welt ist dadurch ein entschieden dunklerer Ort geworden. Bei der Durchsicht der heutigen Wortmeldungen zum Thema könnte man den Eindruck gewinnen, es sei schon alles gesagt, nur noch nicht von allen. Doch das ist bestenfalls tendenziell richtig. Nachdem die erste Entrüstung herausgeschrieben und herausgeschrieen ist, wenden die Autoren sich den unter der Oberfläche des unsäglichen Papstschreiben (Erlaß und Begleitbrief immer als eines betrachtet) lauernden Phänomen zu. Dabei sto0en sie auf ein wahrhaftes Pandämonium äußerst unerfreulicher Erscheinungen.
Massimo Viglione lenkt in einem langen Beitrag auf dem Blog von Aldo Maria Valli (hier auf Englisch) die Aufmerksamkeit des Lesers auf die unsägliche Arroganz von Papst Franziskus, der glaubt, mit einem Federstrich die "lex orandi" der Kirche Christi, die in dieser unter Leitung des heiligen Geistes seit fast 2000 Jahren gewachsen ist, auf "das platte Produkt des Augenblicks" (Joseph Ratzinger) aus dem Jahr 1989 verstümmeln zu können. Dabei fällt er noch weit hinter Papst Paul VI. zurück, der in seiner Predigt vom 26. 11. 69 zumindest der Trauer darüber Raum gab, daß die Kirche einen großen Teil ihres historischen Erbes opfern müsse, um den Anforderungen der mehrfach erwähnten "modernen Menschen" zu genügen - vergeblich, wie inzwischen jeder Blinde sehen kann. Mit diesem Federstrich, das macht Viglione deutlich, hat der Bergoglio-Papst sich überhoben.
Einen anderen so noch wenig beachteten Aspekt rückt Joseph Shaw von der Latin Mass-Society mit einem Beitrag auf LifeSite News ins Blickfeld: Setzt sich Papst Franziskus mit seinem Bestehen auf der Einheitlichkeit des Ritus als Voraussetzung der Einheit der Kirche nicht nur in Gegensatz zur Tradition, sondern auch zum 2. Vatikanischen Konzil? Mit einer Reihe von Textverweisen aus den Konzilsdokumenten belegt Shaw, daß dieses Konzil Vielfalt nicht nur, aber explizit auch in der Liturgie, als einen Schatz der Kirche betrachtet, den es zu erhalten und zu mehren gelte. Nur autoritäre Potentaten halten den Gleichschritt der Kolonnen für die höchste Form des Baletts.
Weiter in die Zukunft der Bewältigung des mit dem päpstlichen Diktat so gewaltsam aufgebrochenen Problems führt eine Bemerkung, mit der Guido Horst seinen „Paradigmenwechsel in der Liturgie“ überschriebenen Artikel in der Tagespost schließt - wobei wir zunächst die Frage offen lassen wollen, ob es einen solchen Paradigmenwechsel überhaupt geben kann. Horst selbst scheint daran starke Zweifel zu haben, wenn er diesen Paradigmenwechsel so beschreibt: „Es zählt nicht mehr die Sakralität einer objektiven Bindung an Gott, sondern die Liebe unter Menschen, in der man sich dem Menschen Jesus Christus nähert.“ Doch uns geht es ja vor allem um den Schlußsatz: „Nicht die Zuflucht zur 'alten' Messe ist das Problem, sondern die Leere, vor der man flieht.“
Diese Einsicht – bei Horst in lakonischer Knappheit ausgesprochen – ist der Ausgangspunkt eines mitsamt den größtenteils ebenfalls lesenswerten Leserzuschriften fast taschenbuchstarken Artikels des amerikanischen Theologen und ehemaligen Hochschullehrers Larry Chapp auf seinem signalhaft Gaudium et Spes 22 benannten Blog. Chapp, der sich dem verpflichtet sieht, was Papst Benedikt als „das Konzil der Väter“ im Gegensatz zum „Konzil der Medien“ bezeichnet hat, gibt seinem Artikel die Überschrift The Hermeneutics of the Abyss: Some thoughts on Traditionis Custodes. Sein Anliegen ist nicht die Liturgie oder die diese ebenso begründende wie zum Ausdruck bringende Theologie, sondern eher eine sozialphilosophische Analyse der Leerheit, des Nihilismus, eben des Abgrunds, der sich im Lauf weniger Jahrzehnte im ehemaligen geistigen Zentrum der westlichen Kultur ausgebreitet hat. Den Katholiken, die das erkennen und darunter leiden, erscheint die überlieferte Liturgie als der einzige Fluchtpunkt in einer sich auflösenden und anscheinend dem Untergang zustrebenden Welt.
Chapp, der sich selbst auf die Insel der Gottesdienste des Ordinariats in Sicherheit gebracht hat, läßt es offen, inwieweit er diesem Fluchtpunkt Realität zusprechen will, aber auch so ist seine ausführliche Diagnose überaus bedenkenswert. Bei solchen Überlegungen ist anzusetzen, wenn es darum geht, die Grundlagen für den Wiederaufbau nach dem unvermeidlich näher rückenden Ende dieses Pontifikats und dem einiger möglicherweise bevorstehendfen Nachfolger der gleichen säkularistischen Denkungsart zu legen.