„Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein.“
Papst Benedikt XVI. 2007 zu Summorum Pontificum.
Themen und Meldungen:
Die Grenzen der Papstmacht
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- 10. Januar 2022
Die maßlose Überdehnungung der päpstlichen Amtsvollmacht durch den gegenwärtigen Pontifex und seinen Hofstaat kann niemanden in Gewissensnöte stürzen, der sich ernsthaft mit dem Inhalt des „Unfehlbarkeitsdogmas“ von 1870 und den darin festgelegten Grenzen beschäftigt hat. Fr. Hunwicke erinnert an eine bereits 150 Jahre zurückliegende Diskussion - hier unsere Übersetzung:
(1) „Die Dekrete des Vatikanischen Konzils verleihen noch nicht einmal einen Schatten von Begründung für die Behauptung, dass der Papst durch sie zu einem absoluten Herrscher (princeps absolutus) gemacht worden und durch die Kraft der Unfehlbarkeit „ein Herrscher von unbegrenzterer Macht als jeder andere in der Welt“ geworden wäre. Selbst hinsichtlich kirchlicher Angelegenheiten kann der Papst nicht als absoluter Herrscher angesprochen werden, denn er ist dem Göttlichen Gesetz unterworfen und ist an die Dinge gebunden, die Christus für seine Kirche angeordnet hat. Er kann die Verfassung der Kirche, die ihr Göttlicher Gründer ihr gegeben hat, nicht wie ein bürgerlicher Gesetzgeber verändern, der die Verfassung des Staates ändern kann. Die Verfassung der Kirche beruht in allen wesentlichen Dingen auf der Göttlichen Einsetzung und ist daher jeder willkürlichen menschlichen Verfügung entzogen.“ (Denzinger 3114)
(2) „Verehrte Brüder, Sie haben zur Ehre der Kirche beigetragen, indem sie die wahre Bedeutung der Entscheidungen des Vatikanischen Konzils wieder hergestellt haben, die durch die irreführende Interpretation eines bestimmten Rundbriefes entstellt worden war, der die Gläubigen täuschte und in böswilliger Interpretation den Eindruck erweckte, es gäbe Mittel und Wege, die freie Wahl eines neuen Papstes zu behindern. Tatsächlich ist eure Erklärung von solcher Klarheit und Festigkeit, daß sie keine Wünsche mehr offen läßt und Gelegenheit für unsere besten Glückwünsche böte, wenn nicht die verschlagene Stimme gewisser Veröffentlichungen und zu einer noch gewichtigeren Stellungnahme nötigte. Diese Stimme wollte Ihre wohlverdiente Glaubwürdigkeit zunichte machen, um den von Ihnen zurückgewiesenen Rundbrief zu bekräftigen, und hat zu diesem Zweck behauptet, die von Ihnen bekräftigte Lehre des Konzils sei aufgeweicht worden und entspreche deshalb nicht wirklich dem Willen des Apostolischen Stuhles. Wir weisen deshalb diese verschlagene und bösartige Unterstellung zurück, denn Ihre Erklärung ist unverfälschter Ausdruck des katholischen Denkens, wie es dementsprechend auch dem des heiligen Konzils und dieses Heiligen Stuhles entspricht, sie ist bekräftigt sie fachkundige und überzeugend mit solcher Klarheit und unwiderleglichen Argumenten, daß jeder ehrliche Mensch einsehen muß, daß es in den angegriffenen Definitionen nichts gibt, das neu wäre oder irgendeine Veränderung brächte. (Denzinger 3117)
Zur Lage am Jahresbeginn
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- 07. Januar 2022
Die Diskussion über das Dokument zur Austreibung der Tradition aus der Kirche von Franziskus ging auch über die Feiertage weiter, und sie wird auch in den kommenden Wochen nicht abebben. Zu sehr ist inzwischen deutlich geworden, dass dieses Dokument und die dahinter stehenden Absichten nicht nur den überlieferten Ritus (und große Teile der überlieferten Lehre) „abschaffen“ sollen, sondern daß es Franziskus und seinen Mitkämpfern darum geht, alle dem Modernismus widerstehenden Elemente abzuspalten. Daß er dabei nicht nur der in Worten verteidigten „Einheit“ widerstreitet, nimmt er ebenso in Kauf wie die Gefährdung des Papstamtes selbst, das durch sein treubrüchiges Vorgehen schwersten Schaden erleidet.
Nachdem diese Sachverhalte allen, die nicht bewußt die Augen verschließen, im vergangenen Jahr überdeutlich erkennbar geworden sein sollten, werden wir uns hier zukünftig mit den Einzelheiten nur noch da befassen, wo diese neue und unerwartete Aspekte eröffnen oder über ihre Existenz auf Papier hinaus Fakten in der Realität setzen. Die Tradition des authentischen Glaubens hat mehr zu bieten als unentwegte Abwehrkämpfe gegen Gegner, die den gemeinsamen Boden längst verlassen haben – und deren letztliches Scheitern auch dann schon absehbar ist, wenn sie sich heute im Besitz aller Machtpositionen wähnen.
Von daher können wir uns damit begnügen, unter den zahlreichen durchaus lesenswerten Beiträgen zum Thema TC in den vergangenen 14 Tagen (und die zweifellos auch bald wieder an den bekannten Stellen aufgelistet werden) lediglich zwei besonders hervor zu heben.
Die Hirten der Völker
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- 24. Dezember 2021
Keine Weihnachtskrippe ohne die Hirten und ihre wollige Herde. Vor zwei Jahren haben wir hier beschrieben, daß an den Hirten von Bethlehem (möglicherweise) noch mehr war, als man sich gemeinhin unter Schafhirten vorstellt. Einiges spricht dafür, daß sie in Wirklichkeit Angehörige des priesterlichen Stammes der Leviten waren, die auf dem Feld beim „Turm der Herde“ im Auftrag des Tempels die makellosen Opfertiere für die alltäglichen Opfer in Jerusalem züchteten. So wäre also Bethlehem im zweifachen Sinne „nicht die geringste unter den Fürstenstädten Israels“ gewesen: Nicht nur als Ort der Geburt des Sprosses aus dem Hause Davids, der, wie viele hofften, das weltliche Königtum erneuern würde, sondern auch des letzten und höchsten Opferlammes, für das endgültige Opfer, das nicht nur dem Volk Israel, sondern der ganzen Menschheit den Weg zur Erlösung öffnen sollte. Die priesterlichen Hirten aber wären ein verbindendes Glied zwischen dem Israel des alten Bundes und seines Tempels und dem neuen Israel der ganzen Welt, deren Erlöser sie als erste ihre Verehrung darbrachten.
Aber vielleicht ist sogar noch mehr an diesen Hirten von Bethlehem. Wenn wir einigen frühen Kirchenvätern glauben können, die noch Zugang zum Wissen des Glaubens Israels vor der Zerstreuung (also aus der Zeit Christi und früher) hatten, waren sie – zumindest auf einer symbolischen Ebene – nicht nur die Hirten der Schafe des Tempels, sondern sie stehen für die Hirten der Völker, für jene mächtigen Engel, die Throne und Herrschaften, die der Allmächtige nicht zum Dienst an seinem Thron, sondern als Lenker und Beschützer der Völker eingesetzt hatte. Ihnen an erster Stelle galt die Botschaft der Engel. Sie hatten mit der ganzen Welt sehnsüchtig auf einen Retter gewartet, und nun eilten zum Ort der Geburt des Herrn und feierten mit den vom Himmel herabgekommenen Mit-Engeln (?) den ersten Tag des Versöhnungswerkes, das erste Weihnachtsfest in geradezu kosmischer Dimension: Gloria in excelsis Deo et in terra pax hominibus bonae voluntatis.
Der Glaube Israels an die Engel ist in den Schriften des alten Testaments, dessen Autoren unter der Führung des Geistes sehr darauf bedacht waren, alle Ansatzpunkte (oder Überreste!) von Vielgötterei zu vermeiden oder auszumerzen, nur sehr bruchstückhaft überliefert.
TC und Responsa - Stand Ende 2021
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- 23. Dezember 2021
Die verschiedenen juristischen Analysen und Kritiken von TC und den Responsa, die in den letzten Tagen erschienen sind (z.B. Stellungnahme der LMS von England und Wales oder die rechtlichen Überlegungen eines anonym bleibenden Kirchenrechtlers), sagen unsereinem als Nicht-Juristem eher wenig. Freilich fürchten wir, daß sie auch dem Papst und seinen Beamten wenig sagen: Wenn es ihnen um eine juristisch saubere Formulierung ihres Willens gegangen wäre, hätten sie schließlich alle Möglichkeiten gehabt, das sicherzustellen. Doch wie es heißt, gehört der päpstliche Rat für die Gesetzestexte zu den am wenigsten beschäftigten Ämtern der Kurie. Recht und Gesetz sind dem Regime dieses Pontifikats völlig gleichgültig – sie stützen sich ganz allein auf ihre (vermeintliche) Macht, und mit Hinweisen auf Paragraphen wird man sie nicht daran hindern können.
Außerdem sollte man ihren Einfallsreichtum nicht unterschätzen. In Neapel zum Beispiel war der Erzbischof den Gläubigen gegenüber, die für die Feiertage die Sicherstellung der Liturgie im überlieferten Ritus erbaten, erfreulich entgegenkommend und benannte ihnen einen Priester der Diözese, der über entsprechende Qualifikationen verfügte und den er mit dieser Aufgabe betrauen wollte. Doch dieser, ein Seelsorger ganz nach dem Herzen des Papstes der Barmherzigkeit, weigerte sich, die Gläubigen zu einem Gespräch über Termine und Details zu empfangen und wies ihnen die Tür: Ihre Zeit sei abgelaufen, sie sollten hingehen, wo der Pfeffer wächst.
Es liegt auf der Hand, daß die Gläubigen nach der Erfahrung mit dieser Art feinsinniger Gesetzesinterpretation sich auch ihrerseits nicht lange mit rechtlichen Abwägungen aufhalten werden, sondern die Messe dort mitfeiern, wo sie gehalten wird. Im konkreten Fall wahrscheinlich also bei der Piusbruderschaft, sofern nicht ein mutiger Pater einer der ex-ED-Gemeinschaften sich ihrer erbarmt – und eine ebenso mutiger Kirchenrektor ihnen die Türen öffnet.
Die Feinde der überlieferten Liturgie und Lehre haben die Auseinandersetzung auf das Feld der aktuellen Kräfteverhältnisse „vor Ort“ verlagert, und sie sollen sich nicht wundern, wenn die Anhänger von Liturgie ihnen zumindest darin folgen, statt sich der Herrschaft der Gesetzlosigkeit (und letzten Endes wohl auch Gottlosigkeit) zu unterwerfen.
Zeiten der Erwartung
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- 22. Dezember 2021
Zu keiner Zeit ihres Jahres fühlt sich die Kirche, das neue Israel, dem alten Israel so verbunden wie im Advent. Gerade so wie das Volk des Gesetzes betet sie „Tauet Himmel, den Gerechten, Wolken regnet ihn herab“ – aber anders als dieses weiß sie, daß diese Bitte bereits erhört ist. Die Kirche unterstreicht diese Parallelität in zahlreichen Lesungen aus dem alten Testament, die sie ins Brevier aufgenommen hat. Und sie hat viele der großen Gestalten der Zeit vor der Menschwerdung des Messias in den Heilgenkalender der Adventswochen aufgenommen – wo sie freilich, um der Wahrheit die Ehre zu geben, in der kirchlichen Praxis ein wenig beachtetes Schattenleben führen. Das gilt zumindest für die Kirche des Westens – Osten sieht das etwas anders aus.
Fr. Zuhlsdorf hat eine Liste für uns zusammengestellt:
- 19. November – Obadiah
- 1. Dezember – Nahum
- 2. Dezember – Habakuk
- 3. Dezember – Zephaniah
- 16. Dezember – Haggai, auch David
- 18 Dezember – Malachi
- 24. Dezember – Adam, auch David
Das ist eine schöne Reihe. Tatsächlich ist sie bei Zuhlsdorf mit acht Namen genauso lang wie seine Aufzählung weiterer im ganzen Kirchenjahr verteilten heiligen Vorväter:
- 1. Mai – Jeremia
- 9. Mai – Jesaja
- 15. Juni – Amos
- 20. Juli – Elia
- 23. Juni – Ezechiel
- 21. September – Jona
- 17. Oktober – Hosea
- 19. Oktober – Joel
Vollständig ist diese Aufzählung freilich noch nicht, spontan fallen uns noch mindestens drei weitere wichtige Gestalten ein, die einen Platz im Heiligenkalender gefunden haben:
- 10. Mai – Job
- 9. Oktober – Abraham
- 29. Dezember – David
- und trotz allem auch Eva, derer zusammen mit Adam am 24. 12. gedacht wird.
Fr. Zuhlsdorf macht zusätzlich darauf aufmerksam, da, wo einer dieser Tage auf eine feria fällt, auch die Feier einer Votivmesse zum Gedächtnis dieses Heiligen möglich ist – leider gibt er keinen Hinweis, welche er dafür vorschlagen würde. Ein eigenes Formular ist uns jedenfalls nicht bekannt.
Alle heiligen Patriarchen und Propheten – bittet für uns!
Die nächsten Schritte
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- 21. Dezember 2021
In dem bereits gestern hier verlinkten Kommentar von Regina Einig in der Tagespost steuert die Autorin ohne Umschweife einen entscheidenden Punkt an, der bisher wenig Aufmerksamkeit gefunden hat:
Die Antworten der Gottesdienstkongregation auf die Anfragen zur praktischen Auslegung des Motu proprio „Traditiones custodes“ verhärten die Front zwischen dem Vatikan und den Traditionalisten. Aus dem gesamten Duktus des Textes spricht eine gewisse Ungeduld, endlich einen Schlussstrich unter das Thema „alte Messe“ zu ziehen. Die für die Traditionalisten im deutschsprachigen Raum entscheidende Frage wird allerdings gar nicht gestellt: Wie verhalten sich die Bestimmungen der Gottesdienstkongregation zum Eigenrecht, das Gemeinschaften wie die Petrusbruderschaft für sich beanspruchen? Mit anderen Worten: Was ist dran an der Stellungnahme der Petrusbruderschaft, man sei von den Bestimmungen nicht direkt betroffen und werde das Dokument erst einmal studieren?
Dabei bezieht sich Regina Einig offenbar auf eine ungezeichnete Mitteilung der nordamerikanischen FSSP auf ihrer Website, die hier nachzulesen ist. Inzwischen hat auch die deutsche Petrusbruderschaft eine ähnliche Position bezogen. Nun, man muß das von den Amerikanern erwähnte „nicht direkt betroffen“ schon sehr wörtlich interpretieren, wenn es einen Sinn ergeben soll. Denn indirekt betroffen sind die Gemeinschaften und insbesondere die Petrusbruderschaft natürlich schon, wenn die Feier der überlieferten Liturgie in Pfarrkirchen und die Spendung der Sakramente im alten Ritus untersagt wird.
Die Petrusbruderschaft verfügt in Deutschland weder über nennenswerte eigene Kirchen oder Kapellen noch über eine regulär errichtete Personalpfarrei. Für alles, was außerhalb der Mauern der eigenen Häuser stattfindet, bedarf sie der ausdrücklichen Genehmigung der Bischöfe bzw. Roms - und hier lassen Traditionis Custodes bzw die Responsa keinen Zweifel daran, daß solche Genehmigungen, wenn überhaupt, nur äußerst restriktiv und womöglich auch noch zeitlich befristet erteilt werden sollen. Die einzelnen Bischöfe – auch wenn sie in ihrer Mehrheit in Deutschland und den meisten anderen Ländern gegenwärtig kein große Interesse an einem Konflikt mit den Anhängern der Tradition zu haben scheinen – verfügen hier nur über äußerst geringe Spielräume: Wer nicht pariert, muß damit rechcnen, nachdrücklichst auf Kurs gezwungen zu werden – bis hin zur Absetzung und Ernennung eines willfährigen Nachfolgers.
Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis die Bruderschaften vom Zugang zu ihren klassischen pastoralen Arbeitsfeldern abgeschnitten sind.