„Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein.“
Papst Benedikt XVI. 2007 zu Summorum Pontificum.
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Präfation und Hochgebet
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- 13. April 2021
Stellung und Bedeutung der Praefation in der römischen Liturgie haben sich im Lauf der liturgiegeschichtlichen Entwicklung mehrfach gewandelt, ohne doch ihre grundlegende Funktion zu verlieren: Das mit dem Aufruf „sursum corda“ beginnenden Gebet markiert den Übergang vom Wortgottesdienst zur eigentlichen Eucharistiefeier. Ursprünglich, d.h. soweit uns diese Ursprünge noch fassbar sind, handelte es sich dabei wohl um ein einziges großes Gebet, das die Danksagung für die von Gott empfangenen Wohltaten und das erneuernde Gedächtnis der größten dieser Wohltaten, nämlich des Erlösungsopfers am Kreuz, in sich vereinigte. In dieser Form begegnet uns ein Präfation und Wandlungsgebete zusammenschließendes Hochgebet bereits in der Traditio Apostolica des Hippolytos, die auf das zweite Jahrhundert zurückgeht. Die Problematik dieses Textes, der sehr wahrscheinlich nur eine als „Muster“ dargebotene Paraphrase in dieser Zeit üblicher Gebetsweise darstellt, kann hier nicht behandelt werden. Der von den Liturgiereformern erhobene Anspruch, darin ein authentisches Hochgebet der frühesten Zeit vorgefunden und im sog „2. Hochgebet“ des NO wieder für die Gegenwart erschlossen zu haben, steht jedenfalls auf schwachen Füßen.
Für die allgemeine Liturgieentwicklung stehen hier zwei andere Elemente im Vordergrund: Zum einen, daß dieser Text eine einheitliche Gestalt des Hochgebetes vermuten läßt – der später als „Präfation“ wahrgenommene Teil und die folgenden Gebete bilden eine Einheit, die noch nicht durch Sanctus und Benedictus voneinander abgesetzt sind. Auch die Vorstellung, daß die Gebete um die „Wandlung“ als heiligster Bezirk alleine dem Priester vorbehalten sein müßten, war noch nicht ausgebildet. Das zweite bemerkenswerte Element ist, daß mit dem nach dem sursum corda folgenden „gratias agamus“ eine Formel aufgegriffen wird, die bereits bei jüdischen rituellen Gemeinschaftsmählern das Ende des eigentlichen Mahles und den Übergang zum Dankgebet mit dem „dritten Kelch“ markierte. Diese Markierung, die insbesondere im Lukasevangelium (22,17-18) deutlich ausgebildet ist, wurde offensichtlich auch dann beibehalten, als die in Verbindung mit der Eucharistierfeier begangenen Agapen zurückgedrängt oder ganz aufgegeben worden waren. Im übrigen wurde in den jüdischen rituellen Mählern auch der bereits vor dem Aufruf zur Danksagung liegende Teil von Vorträgen aus der Schrift begleitet – insoweit blieb eine Erinnerung an den alten Brauch erhalten.
Seit dem 4. Jahrhundert erfolgte unter fränkischem Einfluß durch das vom Volk gesungene (und heiß geliebte) „sanctus“ eine zunehmende Abtrennung der „Präfation“ von den folgenden Teilen des Hochgebets, die dann auch immer stärker als allein dem Priester zugehörig empfunden wurden – was schließlich zur Ausbildung der Canonstille beitrug.
Una-Voce Korrespondenz 2020
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- 10. April 2021
Die neuen Präfationen - ein wertvoller Zugewinn für die überlieferte Liturgie
Die vor einem Jahr neu für die Verwendung im überlieferten Ritus zugelassenen Präfationen (auf Summorum-Pontificum gemeldet hier mit Links auf weitere Informationen) haben bislang – über die kirchenpolitische Bedeutung dieser Zulassung hinaus – wenig Beachtung gefunden. Das nicht zuletzt deshalb, weil sie als „Übernahmen aus dem Missale von 1969“ deklariert worden sind und von daher auf das verbreitete und durchaus berechtigte Mißtrauen stoßen, das seitens der Tradition allem begegnet, was mit dem Ergebnis der Bugnini-Reformen zu tun hat. Allerdings sind nur zwei der Neuzulassungen tatsächlich Neuschöpfungen, die anderen gehen weitestgehend wörtlich auf altehrwürdige Vorbilder aus dem reichen Präfationenschatz der Tradition zurück, und die vier der neogallikanischen Tradition des 18. Jh. entstammenden Texte waren auch bisher schon (mit besonderer Genehmigung) in frankophonen Gemeinden der Tradition in Gebrauch. Für zwei davon liegen jetzt ausführliche Besprechungen von Heinz-Lothar Barth vor: Für die Präfation vom allerheiligsten Altarsakrament in Una-Voce Korrespondenz 2 des Jahres 2020 und für die Präfation von allen Heiligen und Patronen in der soeben erschienenen Doppelnummer 3 + 4 des gleichen Jahres.
Diese Besprechungen beschränken sich bei weitem nicht auf eine texthistorische Einordnung oder philologische Analyse der neu für die Verwendung mit dem Missale von 1962 zugelassenen Texte, sondern zielen darauf ab, den ganzen theologischen Reichtum der in ihren formelhaft verknappten Wendungen ausgedrückten Glaubenswahrheiten und Traditionen zu umreißen. Beide sind somit auf den Umfang von wenigen Seiten (25 bzw. 35) reduzierte Einführungen in den jeweiligen Gegenstand „Altarsakrament“ und „Heiligenlehre“ und dessen Beziehung zum Heilsgeschehen im Messopfer. Mit zahlreichen Bezügen auf in den Texten der Präfationen zitierte oder assoziierte Passagen der heiligen Schrift zeichnet Barth so ein eindrucksvolles Bild des vieldimensionalen „Glaubensgewebes“, das in der überlieferten Liturgie im Lauf vieler Jahrhunderte gewachsen ist und das in der Reformliturgie des 20. Jahrhunderts selbst da oft kaum noch zu erkennen ist, wo traditionelle Texte ganz oder teilweise übernommen worden sind.
Im Beitrag über die Präfation vom allerheiligsten Altarssakrament hebt der Autor beispielsweise mit besonderem Nachdruck die Elemente hervor, die das in der hl. Messe wieder und wieder vergegenwärtigte Kreuzesopfer mit dem Opferkult des alten Testamentes verbinden oder auch es davon unterscheiden. Dabei hält er sich nicht mit Kritik daran zurück, daß die moderne/modernistische Bibelwissenschaft das typologische Denken, von dem aus die oft schwer verständlichen Berichte des AT vielfach erst ihren Sinn erhalten, praktisch aufgegeben und sogar als unzulässig abgelehnt hat. Im Ergebnis hängen dann zentrale Aussagen beider Testamente quasi in der Luft und das Verständnis für die Opfertheologie der Kirche bleibt oberflächlich oder wird sogar fehlerhaft. Für jeden, der sein Verständnis vom Geschehen im heiligen Meßopfer vertiefen und rational erklären will, worin die oft mehr gefühlsmäßig wahrgenommenen Defekte der Reformliturgie begründet sind, ist dieser Beitrag Barths quasi als Pflichtlektüre zu empfehlen.
Das Gleiche kann man auch von dem zweiten nun erschienene Beitrag über die Präfation von den Heiligen und Patronen sagen.
Ostern im alten Ritus - vor 1955
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- 06. April 2021
Als Lektüreempfehlung für die Karwoche hatten wir auf die umfangreiche Kritik László Dobszays an den bereits 1955 ganz im Geist der späteren Liturgiereform tiefgreifend veränderten Liturgien vom Palmsonntag bis Ostern verwiesen. Das Institut Christus König und Hoherpriester sowie einige andere Gruppierungen feiern mit Erlaubnis der Gottesdienstkongregation die österlichen Liturgien im „unreformierten“ Ritus aus dem Missale der Jahre vor 1955. Peter Kwasniewski hatte in den letzten Jahren erstmal die Gelegenheit, an dieser Liturgie teilzunehmen und hat seine Erfahrungen und Einsichten in einem ausführlichen Berricht für OnePeterFive zusammengefasst.
Eine Schwerpunkte dieses Berichtes liegt auf den in der Tradition am Karfreitung und in der Osternacht gefeierten Sonderformen der Meßliturgie: Zum einen die missa praesanctificatorum am Karfreitag, die tatsächlich eher einen Wortgottesdienst als eine vollständige Messfeier darstellt. Es gibt keine Wandlung, und ausschließlich der Priester kommuniziert in der consumptio die bereits am Vortage konsekrierten Hostie. Dann die Vigilmesse der Osternacht, die im Gegensatz zum Wortgottesdienst gleich eine dreifache Konsekration in einer harmonischen Einheit zusammenschließt, die in sich das ganze Geheimnis dieser Nacht umfassen: Nach der Segnung (nicht Weihe) des Osterfeuers außerhalb der Kirche erfolgt zunächst die Konsekration der Osterkerze mit dem seinem Wortlaut und Charakter entsprechend als Weihepräfation – und nicht nur als bloßes Preisgebet – gesungenen Exsultet und dann die ebenso feierliche Konsekration des Taufwassers. In der dazu stattfindenden Prozession vom Altarraum zum Taufbecken zieht die soeben feierlich geweihte Osterkerze dem Zug der Kleriker voraus wie Christus in der Wolken- und Flammensäule dem Volk Israel beim Auszug aus Ägypten – dessen wunderbare Geschichte zuvor in den 12 Prophetien verkündet worden war. Schon bald danach und immer wieder ist das auserwählte Volk in die Irre gegangen. Mit Christus und in der Osterkerze erhält das Taufwasser die sakramentale Kraft, die Ursünde abzuwaschen und dem Volk des neuen Bundes den Weg zum ewigen Heil zu erschließen. In der dritten Konsekration des Brotes und des Weines wiederholt und vergegenwärtigt sich dann das immerwährende Opfer Christi vor dem Vater, das allen Sakramenten ihre Wirkung verleiht und das Versprechen einlöst: Seht ich bleibe bei euch bis ans Ende der Tage.
Daß diese Vigilmesse in ihrer traditionellen Form auch sonst von „Irregularitäten“ gekennzeichnet ist – keine Antiphonen zum Offertorium und der Kommunion, kein Agnus Dei, stattdessen eine verkürzte Vesper mit dem Magnificat – unterstreicht das Außergewöhnliche dieser Feier zu diesem Zeitpunkt. Das alles sind keine „Irregularitäten“, die im Sinne moderner Ordnungsvorstellungen beseitigt werden müssen, sondern Stolpersteine, die unübersehbar signalisieren: Dies ist der Tag, dies ist die Nacht...
Die pianische Reform von 1955, an der Hannibale Bugnini, wenn auch in eher untergeordneter Funktion, bereits mitwirkte, hat genau diese modernen Ordnungsvorstellungen gegenüber der organisch gewachsenen Liturgie zur Geltung gebracht und dabei wichtige innere Zusammenhänge aufgelöst und unkenntlich gemacht. Die „Vollendung“ der Reform 1969 hat zwar einige Überspitzungen des ersten Reformschrittes – etwa bei der Zahl der Lesungen – zurückgenommen, insgesamt aber den inneren Zusammenhang noch weiter zerstört. Treibendes Motiv bei alledem dürfte des Neo-Dogma von der „Gemeindemesse“ gewesen sein, das liturgische Vollzüge nur insoweit als legitim anerkennen will, als sie (wie man glaubt und gegen jeden Augenschein unerschütterlich behauptet) von jedermann mitgemacht, mitvollzogen und verstanden werden können.
Der Tod ist besiegt!
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- 04. April 2021
Heil dir, Tag, der hell vor den andern glänzt,
Tag des Glücks, der Christus als Sieger kränzt,
Tag des Jubels, herrlich unbegrenzt,
Erstes Heute.
Göttlich Leuchten strahlt aus Himmeln vor,
Siegreich öffnet Christus der Hölle Tor,
Führt aus Tiefen wieder zum Licht empor
Todes Beute.
Beginn der dritten Ostersequenz des Adam von St. Viktor, geschrieben vor 900 Jahren und heute so aktuell wie damals. Aktueller vielleicht sogar noch, da seitdem fast völlig aus dem Bewußtsein der Menschen getilgt, denn
„Er, der Erzfeind, sah unser Leid mit Hohn,
Jede Hoffnung tilgte sein tückisch Drohn“ (3. Strophe)
Das lateinische Original und die anderen Strophen finden sie auf dem Hymnarium.
Ihnen alle frohe und gesegnete Ostertage!
Palmsonntag und Karwoche
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- 28. März 2021
Die Karwoche steht ganz im Spannungsfeld zwischen dem triumphalen Einzug Jesu in Jerusalem am Palmsonntag „Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn“ und dem „Kreuzige ihn“ des Karfreitags.
Es wäre zu leicht, diese fast unerträgliche Spannung allein auf die „Unaufgeklärtheit“ oder den Wankelmut des Volkes von Jerusalem zur Zeit Christi zurückzuführen. Das messianische Bewußtsein der Juden war ja tatsächlich überwiegend bis ausschließlich durch die Stellen der Schrift geprägt, die den Messias als den Erneuerer des Priesterkönigtums der Vorzeit darstellen und von diesem „Gottessohn“ zunächst die Erlösung aus Irdischer Not und Befreiung aus nationaler Knechtschaft erwarteten. Das „im Namen des Herrn“ bezieht sich ganz offensichtlich auf das goldene Stirnband (oder die Krone!) mit dem unaussprechlichen Namen, das der Hohepriester bei seinem einmal im Jahr erfolgenden Besuch des Allerheiligtums am Sühnetag Jom Kippur trug, und die Palmzweige gehören zu der feierlichen Prozession, in der die Männer des Volkes an eben diesem Tag um den Brandopferaltar vor dem Heiligtum zogen. Beides zusammen gehört zum Bild des Priesterkönigs der Zeit Davids, das die Erwartung des Messias über die Jahrhunderte geprägt hatte.
Viel weniger einflußreich und im Bewußtsein des theologisch eher wenig gebildeten Volkes vermutlich überhaupt nicht präsent war das Bild des Messias als leidender Erlöser. Während der Messias des Volkes am Entsühnungstag im königlichen Ornat des Hohenpriesters als der „heute habe ich Dich gezeugt“ Sohn Gottes aus dem Heiligtum tritt, entsprach der Messias als leidender Erlöser doch viel mehr dem „Sündenbock“, dem der Hohepriester am gleichen Tag die Sünden des Volkes aufs Haupt legte, und der dann in die Wüste getrieben und von einem steilen Felsen zu Tode gestürzt wurde. Beide Bilder sind gegensätzlicher kaum zu denken – und kreisen doch um den gemeinsamen Bezugspunkt von Liturgie und Theologie des Entsühnungstages: Tag der Erlösung von den Sünden.
Auch der leidende Messias kommt im Alten Testament an mehreren Stellen vor, die jedoch im Bewußtsein des Volkes kaum präsent waren. Am bekanntesten ist das Lied vom leidenden Gottesknecht beim Propheten Jesaja, das in seinen eindrucksvollsten Stellen auch in die Liturgie der Karwoche (II. Lesung am Mittwoch) eingegangen ist.
Wir bringen einen Auszug aus dem sprachlich und inhaltlich schwieigen Text hier in der Übersetzung der Neuen Evangelistischen Übersetzung von Karlhein Vanheiden auf dem BibleServer – nicht, weil diese besonders genau einem Urtext (welchem? Dem griechischen, oder dem masoretischen, und in welcher Tradition?) entspräche, sondern weil sie gleichzeitig verständlich und dennoch relativ genau ist, ohne durch übertriebene oder auch nur vermeintliche Präzision Verständnishürden zu errichten.
[53] 1 Wer hat denn unserer Botschaft geglaubt?
Und an wem hat sich Jahwes Macht auf diese Weise gezeigt?
2 Wie ein kümmerlicher Spross wuchs er vor ihm auf,
wie ein Trieb aus dürrem Boden. / Er war weder stattlich noch schön.
Er war unansehnlich, / und er gefiel uns nicht.
3 Er wurde verachtet, / und alle mieden ihn.
Er war voller Schmerzen, / mit Leiden vertraut,
wie einer, dessen Anblick man nicht mehr erträgt.
Er wurde verabscheut, / und auch wir verachteten ihn.
4 Doch unsere Krankheit, / er hat sie getragen,
und unsere Schmerzen, / er lud sie auf sich.
Wir dachten, er wäre von Gott gestraft,
von ihm geschlagen und niedergebeugt.
5 Doch man hat ihn durchbohrt wegen unserer Schuld,
ihn wegen unserer Sünden gequält.
Für unseren Frieden ertrug er den Schmerz,
und durch seine Striemen sind wir geheilt.
6 Wie Schafe hatten wir uns alle verirrt;
jeder ging seinen eigenen Weg.
Doch ihm lud Jahwe unsere ganze Schuld auf.
7 Er wurde misshandelt, / doch er, er beugte sich
und machte seinen Mund nicht auf.
Wie ein Lamm, das zum Schlachten geführt wird,
wie ein Schaf, das vor den Scherern verstummt,
so ertrug er alles ohne Widerspruch.
8 Durch Bedrückung und Gericht wurde er dahingerafft,
doch wer von seinen Zeitgenossen dachte darüber nach?
Man hat sein Leben auf der Erde ausgelöscht.
Die Strafe für die Schuld meines Volkes traf ihn.
9 Bei Gottlosen sollte er liegen im Tod,
doch ins Steingrab eines Reichen legte man ihn,
weil er kein Unrecht beging
und kein unwahres Wort aus seinem Mund kam.
Das ist die ganze Leidensgeschichte der Karwoche - prophetisch beschrieben in einem Buch, das auch von der „kritischen Bibelwissenschaft“ in die Zeit um 540 v. Chr. datiert wird. Dieser sog. Deuterojesaja (Jesaja 40-55) ist zwar auch Bestandteil des hebräischen Kanons des alten Testaments, wurde aber nicht in die Haftara, das offizielle Lesungsverzeichnis für den Sabbat, aufgenommen: Das masoretische Judentum wartete weiter auf den Messias mit der Krone des Priesterkönigs.
*
Für die Tage bis Ostern sind keine weiteren Artikel auf Summorum Pontificum geplant. Als nach wie vor lesenswert können wir die Auszüge aus dem Buch von László Dobszay über die Reform der Liturgie in der Karwoche empfehlen, die wir hier 2009 erstmalig präsentiert haben.
Opferung oder Gabenbereitung III
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- 27. März 2021
Zum Abschluß der Artikelreihe über das in der neuen Liturgie zur „Gabenbereitung“ reduzierte Offertorium hier ein Blick auf das Zustandekommen dieses Reformschrittes in den Jahren 1976 – 1978. Der Text der neuen Offertoriumsgebete war schon einmal im Zusammenhang mit der (einigermaßen unberechtigten) Behauptung ihrer jüdischen Herkunft angesprochen. Diese Texte sind, wie die ganze Gabenbereitung, von ergreifender Schlichtheit, und das Auffälligste an ihnen ist für deutschsprachige Gottesdienstteilnehmer die Übersetzung des im Lateinischen noch vorhandenen „offerimus“ durch „wir bringen vor dein Angesicht“ - jeder Anklang an „Opferung“ soll vermieden werden. Als Option enthält auch der NO noch die Möglichkeit zur Inzensierung der Gaben, das Gotteslob bringt dazu die etwas gewundene Erklärung: „Die Ehre des Weihrauchs gilt Christus, der gegenwärtig ist in der Versammlung: Im Handeln des Priesters und in der Gemeinde sowie in den Christuszeichen Kreuz und Altar.“
Das ist nicht falsch, aber in zweifacher Hinsicht unvollständig. Zum einen gilt die Inzensierung natürlich ausdrücklich den Gaben, die in der Tradition gerade in dieser Geste aus dem säkularen Bereich herausgehoben werden: Wie der Rauch vom Opferaltar des Tempels sollen sie mit den Gebeten von Priester und Gemeinde zu Gott emporsteigen. Zum zweiten – und das tritt bei der Beweihräucherung von Klerikern und Gemeinde in den Vordergrund – hat der Weihrauch als Sakramentale eine über das bloße Symbol hinausgehende reinigende Bedeutung: In seiner Glut verbrennen Unreinheiten und Unvollkommenheiten der sich selbst mit den Gaben aufopfernden Gläubigen. Die überlieferten Gebete zur Inzensierung sind da ganz eindeutig – für den Novus Ordo wurden sie wohl gerade deshalb „abgeschafft“: der ganze Ritus erfolgt wortlos.
Es folgt das alte „Orate Fratres“ (mit einer Kurzfassung als Alternative) und ein feststehendes „Gabengebet“, das an die Stelle der veränderlichen Secret getreten ist. Der in vielen Secret-Texten enthaltene Hinweis auf die Opfergaben ist „neutralisiert“: Das Gebet bittet nicht mehr um die Annahme der Opfergaben, die in unbestimmter Weise als Zeichen der Hingabe der Gemeinde gedeutet werden, sondern um die darauf antwortende Heiligung der Versammelten durch Gottes Segen und Gnade. Damit ist für den NO die „Gabenbereitung“ abgeschlossen und es beginnt mit der Präfation das Hochgebet.
Diese Gabenbereitung – das geht aus Bugninis langer Rechtfertigungsschrift zur Liturgiereform hervor – ist das Ergebnis eines langen Tauziehens zwischen Papst Paul und Bugnini bzw. dessen Mitstreitern und Hintermännern. Wie Louis Boyer – der kurzzeitig im Consilium mitarbeitete – in seiner Autobiographie (The Memoirs, S. 224/5) mitteilt, soll Bugnini dabei vor keinem üblem Trick zurückgescheut haben: Mehrfach habe er zu strittigen Gegenständen dem Papst mitgeteilt, daß das Gremium auf bestimmten Positionen beharre, obwohl diese gar nicht der Fall war, und umgekehrt habe er dem Consilium „Wünsche des Papstes“ übermittelt, die der gar nicht geäußert und auch nicht angedeutet hatte. Im Ergebnis setzte sich so Bugnini weitgehend durch.