Frage: „Wozu sind wir auf Erden?“
Antwort: „Wir sind auf Erden, um Gott zu erkennen, ihn zu lieben, ihm zu dienen und einst ewig bei ihm zu leben.“
Frage Nr. 1 aus dem „Grünen Schulkatechismus“ von 1955
Themen und Meldungen:
Latein und Volkssprache
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- 15. März 2017
Immer wieder hört man zur Begründung der Feier des Gottesdienstes in der Volkssprache die Behauptung, schließlich habe auch Rom, nachdem die griechische Sprache dort als Sprache der Gebildeten außer Gebrauch gekommen war, die bis dahin auf Griechisch gefeierte Liturgie ins Lateinische übersetzt. Wie selbstverständlich wird dabei impliziert, daß es sich dabei um die lateinische Volks- und Umgangssprache des 4. Jahrhunderts gehandelt habe.
Das ist ein Irrtum, und wenn Liturgiewissenschaftler, die so argumentieren, nicht noch ungebildeter sind, als man ohnehin annehmen muß, eine bewußte Irreführung. Fr. John Hunwicke vom Ordinariat ULF von Walsingham veröffentlicht in diesen Tagen eine Reihe von Artikeln über das Werk der bedeutenden niederländischen Altphilologin Christine Mohrmann (1903 – 1988), die sich große Verdienste um die Erforschung der unterschiedlichen Sprachschichten des Griechischen und des Lateinischen von den vorklassischen Zeiten bis ins spätmittelalterliche Gelehrtenlatein erworben hat.
Mohrmann hat bereits vor Jahrzehnten nachgewiesen, daß das liturgische Latein eine höchst artifizielle Sprache darstellte, die in enger formaler Anlehnung an uralte (und dem einfachen Volk längst fremd gewordene) Sprachmuster gestaltet wurde - eben um den Unterschied zwischen der Alltagssprache und einer Sprache für den Sakralen Raum zu betonen und sinnfällig zu machen. Sie hat auch eine einleuchtende Erklärung dafür gegeben, warum die Römer sich so viel Zeit für die Entwicklung einer lateinischen Liturgiesprache ließen: Die Christen mußten sich zunächst die lateinische Sprache soweit als Ausdruck des Christenglaubens aneignen, daß sie in der Lage waren, alte Formen zu assimilieren, ohne damit unzulässige Gleichklänge oder gar Gleichsetzungen mit den Gebeten zu riskieren, die etwa lauteten: „Vater Mars, ich flehe Dich an, Du mögest alle sichtbaren und unsichtbaren Krankheiten und Nöte sowie alle verheerenden Mißgeschicke und Notfälle von mir durch Dein Gebot fernhalten.“
Diese Sprache hatte nichts „umgängliches“ an sich, sie war nicht und mußte auch nicht Wort für Wort „verständlich“ sein – sie diente der Abgrenzung eines sakralen Geschehens vom Alltag, und sie wurde dadurch und insoweit „verstanden“, daß den Menschen neben dem ungefähren Inhalt eben der Unterschied zwischen säkular und sakral immer gegenwärtig war – nicht als wissenschaftliche Abstraktion, sondern als gelebte und erfahrene Religion.
Die erste der bisher 3 Beiträge von Fr. Hunwicke zum Thema findet sich hier: http://liturgicalnotes.blogspot.de/2017/03/recent-liturgical-shenanigans-in-rome.html
Vom verdeckten ins offene Schisma
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- 13. März 2017
Am 13. März 2013 wählten die Kardinäle den Argentinier Jorge Bergoglio zum Bischof von Rom. Bereits bei seinem ersten Auftritt auf der Loggia des Petersdoms machte Bergoglio unmißverständlich klar, daß er von diesem Amt radikal andere Vorstellungen hat als seine sämtlichen Vorgänger der letzten Jahrhunderte, und das hat er seitdem täglich aufs neue demonstriert. Innerhalb von nur vier Jahren hat der vom argentinischen Peronismus geprägte Papst damit dieses Amt und die Kirche in eine der schwersten Krisen ihres Bestehens geführt. Heute stehen Kardinäle gegen Kardinäle, Bischöfe gegen Bischöfe, Theologen gegen Theologen und Laien gegen Laien im Streit um die Ausdeutung päpstlicher Aussagen, deren Inhalt – soweit überhaupt faßbar – oft nur noch mit akrobatischen Anstrengungen vor dem offenen Widerspruch zur Lehre der Kirche zu bewahren ist.
Wie der Jubiläumsaufsatz auf der offiziellen Website der katholischen Bischöfe in Deutschland zeigt, enthält dieser Ansatz das Potential, die Lehre Christi in postmoderner Willkür aufzulösen:
Franziskus stellt die Kirche mit seiner neuen Lesart des Papsttums vor eine Herausforderung. Doch diese ist durchaus ihrer Zeit gemäß. Die Ära des bipolaren Realismus ist schließlich nicht nur in der Politik vorüber. Auch die Kirche kann in einer globalisierten und individualisierten Welt nicht länger auf harte Grenzen zwischen richtig und falsch setzen; die meisten Gläubigen leben selbst irgendwo dazwischen. Papst Franziskus übersetzt das auf seine Weise in die Theologie: Nicht harte Doktrin und nicht sanfte Beliebigkeit, sondern immer dazwischen.
Sollte das zur in Rom offiziell vertretenen Linie werden, wäre es die schmachvolle Kapitulation vor der seinerzeit von Josef Ratzinger angeprangerten „Diktatur des Relativismus“. Damit würde die Lehre Christi zwar nicht von dieser Welt verschwinden – ein zweitausend Jahre lang treu gebliebenes Lehramt hat die verläßlichen Fundamente ihrer Bewahrung gelegt. Aber die Umwandlung des seit Jahrzehnte schwärenden verdeckten Schismas in eine offene Form wäre die eher früher als später unvermeidliche Konsequenz.
Wie ernst diese Situation auf der Seite derer eingeschätzt wird, die glauben, daß Christus seine Kirche nicht für einen Schlingerkurs „immer zwischen Doktrin und Beliebigkeit“ gestiftet hat, ist auf den material- und gedankenreichen Artikeln von Edward Pentin auf NCR-Blog, Steve Kojec auf OnePeterFive, Christopher Ferrera auf „The Remnant“ und Phil Lawler auf CatholicCulture zu ersehen.
Die 10. Woche
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- 11. März 2017
Kommunikation ganz allgemein ist eine schwierige Sache, wie man seit dem Experiment von Babel weiß, und in diesem Sinne sagen wir diese Woche zunächst einmal, wozu wir nichts sagen wollen: Zu der Frühjahrstagung der deutschen Bischofskonferenz, die immer weiter damit vorankommt, die Deutsch-Katholische-Kirche in eine NGO zu verwandeln, und auch nicht zu der am Beginn des 5. Jahres des bergoglianischen Pontifikats giftig aufwallenden römischen Gerüchteküche, in der anscheinend nichts mehr undenkbar ist – bis hin zu Spekulationen, ein Teil der Kräfte, die Franziskus ins Amt gehievt hätten, betreibe nun seine Ablösung, da sein erratisches Vorgehen die Verwirklichung ihrer Ziele nicht länger befördere.
Mit römischen Gerüchten konnten wir soeben wieder einmal die Erfahrung machen, daß sie zwar meist nicht völlig grundlos sind, aber selten verläßliche Informationen über das enthalten, was wirklich geschieht. Wie Bischof Fellay am 3. März während eines Besuches in Polen mitgeteilt hat, trifft es nicht zu, daß die Bruderschaft den Komplex der Immaculata all‘ Esquilino erworben hätte. Der Bischof bestätigte zwar, daß die Bruderschaft auf der Suche nach einer Immobilie in Rom sei, ließ jedoch gleichzeitig erkennen, daß dieses Vorhaben sich recht schwierig gestaltet: Die schrumpfenden Gemeinschaften, die über in Frage kommende Immobilien verfügen und diese zwecks Altersversorgung der verbliebenen Mitglieder auch durchaus verkaufen würden, benötigen für solche Geschäfte die Genehmigung der Ordenskongregation – und die gehört, wie der Bischof andeutete, zu den erbittertsten Gegnern einer Rückkehr der Bruderschaft in die volle Einheit.
Auf der anderen Seite scheint sich auf der Seite der Glaubenskongregation eine erfreuliche Veränderung dahingehend abzuzeichnen, daß sie der Bruderschaft offenbar keine Erklärungen mehr abfordern will, die diese nicht abgeben kann. Tatsächlich habe Kardinal Müller – so Bischof Fellay – die Bruderschaft ausdrücklich aufgefordert, sich seinem Kampf gegen den Modernismus anzuschließen. Woraus er folgert:
Es gibt viele Widersprüche, es gibt Kämpfe zwischen den Bischöfen, zwischen den Kardinälen – das ist eine neue Lage. Rom ist nicht länger eins, Rom ist gespalten. Es ist dahin gekommen, daß einige begreifen, daß die Dinge zu weit gegangen sind. Und nun sagen sie „Man muß etwas tun, man muß Widerstand leisten“.
Im Übrigen bleibt Bischof Fellay bei seiner bisherigen Linie des vorsichtigen Vorangehens.
In dieser Situation können wir keinesfalls vorpreschen, wir müssen sehr vorsichtig agieren und uns für die Zukunft so absichern, daß wir in keiner denkbaren Falle gefangen werden können. Deshalb übereilen wir nichts.
Das Thema samt den darauf bezüglichen Gerüchten wird uns also noch einige Zeit erhalten bleiben.
Dann haben wir noch zwei durchaus erfreuliche Meldungen, die in den letzten Februartagen bekannt geworden sind Es geht um die offizielle Errichtung von zwei neuen benediktinische Gemeinschaften der Tradition nach diözesanem Recht durch den jeweiligen Ortsbischof. Das eine sind die „Benediktiner der ewigen Anbetung des allerheiligsten Sakraments des Altares“ von Silverstream in der irischen Diözese Meath. Prior der derzeit 7 Mönche zählenden Gruppe ist der den Anhängern der überlieferten Liturgie wohlbekannte Dom Mark Kirby. Die Errichtung ihrer Gemeinschaft ist unter dem Datum vom 25. Februar bereits erfolgt. Zweite Gruppe sind die „Benediktiner der Immakulata“ in der norditalienischen Diözese Albenga-Imperia, derzeit ebenfalls 7 Mönche. Die Gründung der Gemeinschaft geht noch auf die Zeit des traditionsfreundlichen Bischofs Olivieri zurück, der kürzlich auf Befehl des Papstes in den Ruhestand geschickt worden war. Sein Nachfolger gilt als wenig traditionsfreundlich, hat sich jedoch bereit erklärt, die Gemeinschaft zuzulassen und in seiner Diözese arbeiten zu lassen. Datum der offiziellen Errichtung soll der kommende 21. März sein. (Quelle)
Zum Abschluß noch zwei Fundstücke aus dem Umfeld der Komunikationsspezialisten von Radio Vatikan, die einen Einblick in die Zukunft des römischen Kommunikationswesens im postkatholischen Zeitalter gewähren. Babel ist nicht fern.
Auf einer Zusammenkunft der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa am Weltfrauentag hat der ständige Repräsentant des Heiligen Stuhles bei der OSZE, ein gewisser Msgr Urabanczyk, eine Stellungnahme zur Gender-Gerechtigkeit beim Militär abgegeben. Wie Radio Vatican meldete, sagte der Monsignore unter anderem:
Der Heilige Stuhl unterstützt uneingeschränkt die gleichberechtigte Teilnahme der Frauen an allen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Angelegenheiten. Das schließt selbstverständlich auch die gerechte Beteiligung von Frauen in den Streitkräften ein, um so den unverzichtbaren Beitrag der Frauen zur Gesellschaft und der internationalen Gemeinschaft zum Ausdruck zu bringen.
Das zweites Fundstück verdanken wir Bernd Hagenkord S.J., Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatican. Unter der Überschrift „Papst ZweiPunktNull“ sieht er mit Franziskus geradezu den Anbruch einer neuen Epoche der Kirchen-, ja der Weltgeschichte gekommen, und bestimmt deren wesentliches Kennzeichen nach einem freilich schon wieder leicht angejahrten Paradigma der Kommunikationstheorie. Danach bedeute Kommunikation nicht mehr, eine Botschaft von A nach B zu bringen (also z.B. von Paulus nach Korinth), sondern (ganz im Sinne postmoderner Kommunikationstheoretiker), die Etablierung eines kommunikativen Prozesses zunächst unbestimmten oder unbestimmbaren Inhalts.
Was (Franziskus) macht und sagt und wie er mit Gesten umgeht, transportiert nicht eine wahre Botschaft, die es außerhalb dieser Kommunikation gibt, sondern die Bedeutung liegt in dieser Kommunikation selber, sie entsteht erst in der Kommunikation.
Das sei schwer zu verstehen, räumt Hagenkord ein, wenn man noch altmodisch „analog“ denke:
Wenn man eine vom Menschen und seiner Kommunikation – Zeugnis und Verkündigung – unabhängige Botschaft festlegen möchte. Eine Denkweise, die uns das analoge Denken vorschlägt, das Gedanken druckt und ins Regal stellt, die dann auch noch in hundert Jahren dieselben sind, sprich Gültigkeit für sich beanspruchen, unabhängig von der Kommunikationssituation.
Was den Papst auch zu einem „ZweiPunktNuller“ macht ist die Frage nach der Wirklichkeit. Die digitalen Medien sind nicht virtuell in dem Sinn, dass sie nicht real seien. Sie sind real, weil sie Wirkung haben, weil sie unsere Welt verändern. Das tun sie aber nicht über das Argument, sondern über den kommunikativen Prozess. Auch der Papst wirbt, predigt, begegnet in Prozessen, dort findet Veränderung statt, wenn man die denn zulässt.
Vom Inhalt und dem Ziel der Veränderung, so müssen wir Hagenkord wohl verstehen, braucht man dabei gar nicht viel zu reden – das ändert sich je nach den Umständen, nach der Zeit, nach der Kommunikationssituation. Hauptsache, Bewegung.
Und am Ende bleibt dann NullPunktNull – Point Zero Babylon.
Die frohe Botschaft
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- 10. März 2017
Der Mittwoch, der heutige Freitag und der Samstag dieser Woche sind die Quatember-Tage in der Fastenzeit. Die Sünde, die durch die Erbsünde in die Welt kam, und die Gebote Gottes, die uns sagen, was richtig und was falsch ist, stehen im Zentrum der liturgischen Texte dieser Tage, die einen überaus ernsten Ton anschlagen: „Wer (selbst) gesündigt hat, soll sterben“ – so die heutige Lesung mit den Worten des Propheten Ezechiel (Ez 18, 20-28). Doch das harte Urteil wird gemildert durch das Erbarmen Gottes, von dem Ezechiel sagt: „Wenn aber der Gottlose Buße tut für alle Sünden, die er begangen hat, wenn er alle Meine Gebote hält und Recht und Gerechtigkeit übt, soll er leben und nicht sterben.“
Das oben eingeklammerte „selbst“ steht ganz ohne Klammer so im Text, um die Aussage abzugrenzen gegenüber die im alten Judentum durchaus geläufige Vorstellung, daß Gott die „Sünden der Väter“ auch an den Nachkommen strafe „bis ins siebte Glied“. Das Wissen um die Individualität des Menschen und seine je einzigartige Verantwortung ist erst langsam gewachsen. Diese Verantwortung, so betont es Ezechiel in der heute gelesenen Passage, lastet auf dem Menschen, solange er lebt. Es gibt keinen einmaligen Akt, der die Rettung garantiert – und auch keinen, der unwiderruflich ins Verderben führt. Das war anscheinend auch den Juden der Zeit Ezechiels nicht ganz klar, denn der Prophet beschließt die heute vorgelesene Ermahnung mit den Worten:
So höre doch, Haus Israel: Ist etwa Mein Weg nicht gerecht; sind nicht vielmehr eure Wege verkehrt? Wenn der Gerechte sich abwendet von seiner Gerechtigkeit und Böses tut, so wird er darin sterben; um der Ungerechtigkeit willen, die er begangen hat, soll er sterben. Doch wenn der Gottlose sich abwendet von seiner Gottlosigkeit, in der er gelebt hat, und Recht und Gerechtigkeit übt, so wird er sich das Leben erhalten. Weil er in sich gegangen und sich von allen Freveln, die er verübt, abgewendet hat, wird er das Leben haben.“
Nur die Verfasser der angeblich reichhaltigeren Leseordnung des Novus Ordo werden wissen, warum diese Mahnung des Ezechiel in ihrem Evangliar nirgendwo einen Platz gefunden hat.
Lohn für die guten und Strafe für die bösen Taten der Menschen sind auch Hauptthema der insgesamt 5 Lesungen am morgigen Quatembersamstag, nach denen jeweils die verschiedenen Stufen der Weihe zum priesterlichen Amt gespendet wurden.
Besonders erwähnenswert aus der Liturgie dieser Quatembertage ist noch die Secreta vom Quatembermittwoch, die in der unübertrefflichen Präzision römischer Orationen den Inhalt des Messopfers zusammenfasst:
Hostias tibi, Domine, placationis offerimus: ut delicta nostra miseratus absolvas, et nutantia corda tu dirigas.
Wir bringen Dir, o Her, das Opfer der Versöhnung dar, hab drum Erbarmen, sprich uns los von unseren Sünden, und lenke Du unser unbeständigen Herzen.
Dieses Gebet wird ebenfalls in der Votivmesse zur Vergebung der Sünden gesprochen, es ist auch noch in der Novus-Ordo-Version dieser Messe enthalten.
Zurück zur Form
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- 09. März 2017
Martin Mosebach hat einen großen Artikel zum Stand der Liturgie im 10. Jahr von Summorum-Pontificum geschrieben, der – zunächst anscheinend nur in englischer Übersetzung – dieser Tage auf First-Things erschienen ist: Return to Form - A Call for the Restauration of the Roman Rite. Eine deutsche Originalfassung war im Internet nicht aufzufinden – wir werden versuchen, dem nachzugehen und dann hier einen entsprechenden Hinweis nachreichen.
Mosebach stellt zwei Komplexe ins Zentrum seiner Überlegungen. Der eine ist eine großangelegte Einschätzung des historischen Stellenwertes der versuchten Abschaffung des überlieferten Ritus durch die nachkonziliaren Reformer und Papst Paul VI. Dabei zeichnet der Autor das Bild eines historischen Bruches, ja einer historischen Katastrophe, deren volles Ausmaß inzwischen für jeden erkennbar ist, der sich nicht mit Märchengeschichten von einem „neuen Frühling“ den Geist venebelt. Aus dieser Perspektive gewinnt Mosebach den Blick für die ebenfalls historische Bedeutung des Motu-Proprio von Papst Benedikt, der diesen Ritus nicht nur „wieder zugelassen“ hat, sondern unmißverständlich erklärte, daß er nie verboten war, weil ein solches Verbot die Vollmacht jedes Papstes und jedes Konzils übersteigen würde. Was die Kirche weit über anderthalb Jahrtausende lang gepflegt und gelehrt hat, steht nicht zur Disposition. Nur diese Tradition kann die Maßstäbe liefern, anhand derer jene organische Entwicklung möglich ist, die den Ritus schon immer getragen hat.
Deutlicher, als man das vielfach zu sagen wagt, deutet Mosebach auf die Parallelen zwischen den marxistischen Kultuirrevolutionen der 60er Jahre und der säkularistischen Revolution in der nachkonziliaren Kirche – und dabei läßt er durchaus offen, wo die Anstöße und wo die Echos zu sehen sind.
Der zweite Schwerpunkt des Artikels ist der Verweis auf die Bedeutung, die den Laien in der aktuellen Situation für die Wiederherstellung der Liturgie im Geiste der Tradition zukommt. Der Apparat – von der Spitze in Rom bis zu den Ortsbischöfen – hat sich weitgehend auf das modernistische Paradigma verpflichtet und nutzt seine Macht, den Status quo – also eine der Säkulargesellschaft vermeintlich angenehme Form von Lehre und Liturgie – zu verteidigen. Es liegt vor allem an den Laien, die von Summorum-Pontificum eröffneten Möglichkeiten zu nutzen und zusammen mit Priestern, die weiterhin Gottesdienst und nicht Menschendienst feiern wollen, auf die Wiederherstellung der Liturgie hinzuarbeiten, indem sie sie so praktizieren, wie sie nach der Tradition der Kirche zu praktizieren ist. Was „von oben“ aufgegeben und abgeschafft worden ist, konnte nur deshalb so umfassend zerstört werden ist, weil es schon zuvor vielerorts seine Wurzeln verloren hatte. Es kann nicht per Befehl wieder verordnet werden, sondern es muß „von unten“ her wieder aufgebaut werden.
Angriffe auf das Priestertum
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- 08. März 2017
Während wir alle noch – und das zu Recht – beunruhigt auf das Chaos blicken, das Amoris Laetitia hinsichtlich der Bedeutung der Sakramente der Ehe, der Buße und der Eucharisitie ausgelöst hat, bereiten die Berufsrevolutionäre im Kirchendienst bereits dem nächsten Punkt ihrer Agenda zu. Der Abschaffung des Priestertums nach dem bisherigen Verständnis der Kirche. Daß es dabei durchaus einen gewissen Zusammenhang zu Amoris Laetitia gibt wird daran erkennbar, daß ausgerechnet einer der lautesten Anwälte der „Neubewertung“ von Ehe und Eucharistie, Cardinal Cocopalmiero, jetzt zum Abschluß eines Interviews mit Eduard Pentin zu Amoris Laetitia auch in dieser Frage mit außerordentlich bedenklichen Ideen hervorgetreten ist. Auf die Bitte des Interviewers um Präzisierung seiner bereits zuvor geäußerten Ansicht, die Kirche solle zugunsten der Ökumene von ihrem bisherigen „rigiden“ Amtsverständnis abgehen, erläuterte der Kardinal:
Ich habe gesagt, wir müssen über Fragen nachdenken. Jetzt sagen wir: Es ist ganz gültig, oder gar nichts ist gültig. Vielleicht müssen wir über diesen Begriff von Gültigkeit oder Ungültigkeit nachdenken. Das zweite Vatikanische Konzil hat gesagt, es besteht eine wahre Gemeinschaft, auch wenn sie noch nicht vollständig oder abgeschlossen ist. Sie sehen, man hat ein Konzept entwickelt, das nicht so eindeutig auf alles oder gar nichts festgelegt ist. Es gibt eine Gemeinschaft, die bereits gut ist, aber einige Elemente fehlen noch. Doch wenn wenn man sagt, daß deshalb, weil noch einiges fehlt, gar nichts da ist, ist man im Irrtum. Es gibt noch fehlende Teile, aber es gibt schon eine Gemeinschaft, doch diese Gemeinschaft ist noch nicht vollständig. Das gleiche oder etwas ähnliches kann man auch hinsichtlich der Gültigkeit oder Ungültigkeit der Weihe sagen. Ich sage: Darüber sollten wir nachdenken. Es ist eine Hypothese. Vielleicht kommt etwas dabei heraus, vielleicht auch nicht – es geht um eine Untersuchung, ums Nachdenken.
Hier geht der Angriff also über die Schiene des Gradualismus: Es gibt kein gültig oder ungültig, kein wahr oder falsch – nur gleitende Übergänge. Alles geht irgendwie – Relativismus in Reinkultur.
Über eine andere Schiene geht der Angriff, den der brasilianische Bischof Luiz Demetrio Valentini im Umfeld der berüchtigten Amazonas-Werkstatt unlängst vorgetragen hat. Angesichts des Priestermangels fordert er die Einführung von „Gemeindepriestern“ - wobei unklar bleibt, ob er darunter lediglich die Herabsetzung der Anforderungen an Personen stellt, die als „erprobte Laien“ vom Bischof zu Priestern geweiht werden sollen – oder ob er bereits in der Beauftragung solcher Laien durch die Gemeinde die Übertragung der Vollmacht zur Feier der Eucharistie als gegeben ansieht.
In einer solchen Ansicht könnte er sich – unter Zuhilfenahme der Cocopalmieroschen Gradualitätstheorie – sicher auch auf den Würzburger Liturgologen Martin Stuflesser stützen, der bereits 2015 im Rahmen seiner ökumenischen Schwerpunktsetzung meinte:
Beim Hochgebet kann man festhalten, dass es allen Konfessionen nicht nur darum geht, die Einsetzungsworte zu rezitieren; diese sind vielmehr Teil eines großen Bitt- und Dankgebetes im Kern der Eucharistiefeier, in das die Einsetzungsworte eingebettet sind. Diese Worte werden vom Vorsteher, also einem ordinierten Amtsträger, im Auftrag der Gemeinde gesprochen. Wenn wir uns darüber einig sind, sind wir bereits einen großen Schritt weiter.
Weiter wohin?
Das Gemeinsame an all diesen Gedankengängen – seien sie nun als Denkanstöße, Forderungen oder wissenschaftliche Erkenntnisse dargestellt – ist, daß sie die Kirche und die Feier der Sakramente ihrem Wesen nach nicht mehr als von Christus gestiftetes, von den Aposteln und den Kirchenlehrern überliefertes Geschenk der Gnade begreifen, sondern als Menschenwerk, dessen Deutung und Bedeutung in den Händen derer liegt, die es betreiben.