Quatembertage zum Erntedank
18. September 2024
„Du tränkst die Furchen, ebnest die Schollen, machst sie weich durch Regen, segnest ihre Gewächse. Du krönst das Jahr mit Deiner Güte, Deinen Spuren folgt Überfluss.“(Ps. 64)
Mittwoch, Freitag und Samstag der Woche nach dem Fest Kreuzerhöhung sind im überlieferten Missale die Quatembertage des Herbstes. Der Name „Quatember“ wird am überzeugendsten auf das lateinische „quattor temporum“ zurückgeführt, denn viermal im Jahr hält die Kirche für den größeren Teil einer Woche inne, unterbricht quasi den Ablauf des Kirchenjahres, und macht das Jahr selbst in seiner naturgegebenen Folge der Jahreszeiten zum Gegenstand der Betrachtung und des Dankes an den, der uns Jahr und Zeit geschenkt hat. Dabei verbindet sich die herbstliche Quatember seit alters her mit dem Erntedank - und seit alters her heißt hier: Weit in vorchristliche Zeiten zurückgreifend auf Brauch und Gebot des alten Testaments, aber auch auf die pietas Roms und anderer ‚heidnischer‘ Kulturen.
Mittwoch und Freitag waren schon die Fasttage, deren Einhaltung sich der Pharisäer im Lukasevangelium (18,12) rühmt; das Fasten an diesen Tagen wurde von den frühen Christen lange beibehalten, der Samstag kam später als Vigil vor der allsonntäglichen Auferstehungsfeier dazu. Auch die Markierung der vier Jahreszeiten, wie sie in den meisten Teilen der Welt durch Klima und Landwirtschaft vorgegeben werden, durch besonderes Fasten und Beten geht auf das alte Testament zurück (Hesekiel 8:19). Natur und Übernatur gehen zusammen.
Die Liturgie der herbstlichen Quatembertage, wie sie bis ins Missale von 1962 erhalten geblieben ist, reicht weit in die frühen Zeiten der Kirche zurück und hat einige Formen bewahrt, die an den anderen Tagen verloren gegangen sind. Das deutet darauf hin, daß diese Tage im Bewußtsein des frommen Volkes lange einen ganz besonderen Raum einnahmen. In fünf alttestamentarischen Lesungen an drei Tagen wird die Geschichte des Bundes Gottes mit seinem auserwählten Volk in der Erinnerung an die vom Schöpfer gewährten Wohltaten aus der Natur nachgezeichnet. Der Introitus vom Mittwoch zitiert aus Psalm 80:
Gott unserem Helfer, jauchzet zu, jubelt vor dem Gotte Jakobs. Stimmt an frohe Psalmen und Zither; lasst zum Monatsbeginn die Posaune erschallen. So ist es ja Vorschrift in Israel, so das Gebot des Gottes Jakobs.
So können wir in der überlieferten Liturgie der Kirche heute noch an diesen drei Tagen im Herbst den Nachhall der Festwochen um das Versöhnungs- und das Laubhüttenfest Israels hören.
„Abgeschafft“ worden sind die Quatembertage nie; ihre Feier wurde - was vielerorts wohl auf das Gleiche hinausläuft - der Fürsorge der nationalen Bischofskonferenzen anvertraut. In Deutschland wurde als Termin die erste Oktoberwoche dafür vorgesehen. Die besonderen Messformalare allerdings fielen dem Stromlinienwahn der Reformer zum Opfer, teils wurden sie ersatzlos gestrichen, teils durch eine allgemeine Messe der Fürbitte ersetzt. Allerdings war Bedeutung und Einhaltung der Quatember schon vor dem Zeitalter der liturgischen Revolutionen stark zurückggegangen - die Industriegesellschaft hatte für dieses Erbe aus agrarischen Zeiten zunächst keinen Sinn. In Deutschland hat sich nur im Süden die Erinnerung an diese Tag in einigem Umfang erhalten; zumindest in den Bistümern München und Augsburg sind sie im Direktorium fest definiert.
Der in der Säkulargesellschaft seit Jahrzehnten sich ausbreitende Naturkult hat auch in der Kirche die merkwürdigsten Wucherungen hervorgebracht - zu einer allgemeinen Wiederentdeckung der Quatembertage und der in ihnen ausgedrückten Verklammerung von Heilsgeschichte und den gottgegebenen Naturabläufen hat er nicht geführt. „Das heilsgeschichtlich orientierte Jahr der Kirche kennt kein Ernte-Dankfest“ schreibt Rupert Berger (wenn man Wikipedia hier trauen kann) im aktuellen Lexikon für Theologie und Kirche - ach ja.
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