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Ist der Papst Papst? Und wenn nicht – wer wie was dann?

11. Dezember 2024

6 - Kirchenkrise

Modene Darstellung im klassischen Ikonenstil auf Goldgrund mit Spruchband (lat) „Was überall, immer und von allen geglaubt worden ist“

Hl. Vinzenz von Lerins – bitte für uns

In Nord- und Südamerika wird die Frage mit zunehmendem Nachdruck gestellt: Ist der Mann, der seit über 10 Jahren als „Papst der Überraschungen“ mit seinen Ideen die Grund­festen der Kirche zu erschüttern scheint, denn überhaupt wahrhaft und wirklich Papst?

Diese für jeden Katholiken, dem Glaube und Einheit der Kirche am Herzen liegen, verstö­rende Frage wurde hierzulande selbst hinter vorgehaltener Hand bisher kaum diskutiert. Zum einen Teil, weil es allzu viele eingetragene Kir­chenmitglieder gibt, eine große Zahl von Prie­stern und Bischöfen eingeschlossen, denen Glaube und Einheit nichts bedeuten: Den Glauben machen sie sich selbst, und die Über­einstimmung mit den mächtigen Zeitgeistern ist ihnen allemal wichtiger als die Einheit mit dem Glauben der Kirche, wie von Christus geoffenbart und von den Aposteln und deren Nachfolgern in der Tradition entfaltet worden ist. Und da Franziskus es in vielem ganz ähnlich hält, haben sie keinen Grund, sein Regiment ernsthaft in Frage zu stellen.

Der andere Teil hält sich betroffen beiseite, weil ihm die Einheit mit dem Bischof von Rom und Nachfolger Petri als ein wesentliches Element der Glaubenstradition gilt und sie den Riß, der die Kirche spaltet, geradezu auch durch die eigene Seele gehend empfin­den. Anerkennung des Papstes von Rom als Statthalter Christi auf Erden und dement­sprechend Folgsamkeit gegenüber seinem Lehramt sind geradezu in ihrer genetischen Bauplan verankert – und ein Papst, der seine Lehren, Handlungen und Gesten in vielen Punkten direkt gegen dieses Lehramt der Tradition stellt, sind in diesem Bauplan nicht vorgesehen. Aus guten Gründen nicht.

Ein Artikel des slowenischen Publizisten Ivan Poljaković, der dieser Tage auf katholisches.info erschienen ist, ist geeignet, der Diskussion über das Papsttum von Jorge Bergoglio auch hierzulande neuen Auftrieb zu geben. Verdienst dieses Artikels ist, daß er die vier Positionen, von denen aus derzeit die Diskussion über das Papst- oder Nicht-Papst-sein von Franziskus bestimmt wird, in knapper und übersichtlicher Form zusammenstellt.

Eine erste Position, die sowohl bei ketzerischen Modernisten als auch bei frommen Traditionalisten einigen Anklang gefunden hat, läßt sich in dem Slogan „Right or wrong – my Pope“ zusammenfassen. Dem stellt Poljaković die in Pastor Aeternus, 4 abgesicherte These entgegen, daß das Oberhaupt der Kirche Christus und nicht der Papst ist. „Aus diesem Grund hat der Papst nicht die Befugnis, die Lehre der Kirche zu ändern, er ist nur der Stellvertreter Christi, der verpflichtet ist, das von den Aposteln erhaltene Glaubensgut zu bewahren und weiterzugeben.“

Als zweite Position diskutiert Poljaković die Thesen, die von einer angeblichen Ungültigkeit oder zumindest Zweifelhaftigkeit der Wahl von Franziskus nach dem irritierenden Rücktritt seines Vorgängers Benedikt ausgehen. Das Papsttum Bergoglios sei zwar zunächst allgemein anerkannt worden, werde nun aber angesichts der Fülle von Fehlleistungen und Irrlehren von Franziskus unter Hinweis auf die Problematik des Konklaves nach Benedikts Rücktritt zunehmend bestritten. Wie es scheint, neigt Poljaković dieser Ansicht weitgehend zu, wenn er schreibt: „Nach seinen Lehren zu urteilen, ist Jorge Mario Bergoglio aber kein Katholik“ und daraus ableitet, daß die Tatsache der anfänglichen allgemeinen Akzeptanz irrelevant geworden sei: Ein Nicht-Katholik, so seine (unausgesprochene) Annahme, könne nun mal nicht Papst sein.

Diese These entfaltet der Autor dann in der Auseinandersetzung mit einer dritten Position, die zwar die These des Glaubensabfalls von Franziskus teilt, dennoch am Papsttum Franziskus’ festhält, weil es kein Gremium und keine Autorität gäbe, die befugt sei, den Glaubensabfall von Franziskus öffentlich und rechtswirksam festzustellen. Nach einer durchaus bedenkenswerten Auseinandersetzung mit dieser Argumentation (gesammelt unter anderem auf dieser amerikanischen Website verwirft Poljaković sie als „absurd“ und „legalistisch“ und macht sich die in der Tat von einigen bedeutenden Glaubenslehrern (Robert Bellarmin, Franz von Sales, Johannes vom hl. Thomas), vertretene, aber nie offiziell übernomene, These zu eigen, daß ein „Papa haereticus“ mit der offiziellen Verkündigung von Irrlehren automatisch sein Amt verliere. Poljaković schreckt zwar vor der Annahme einer Automatik zurück, verlangt jedoch, „so schnell wie möglich ein unvollkommenes Konzil einzuberufen, um den Heiligen Stuhl noch zu Lebzeiten Bergoglios für vakant zu erklären.“ Die damit einhergehende offizielle Kirchenspaltung erscheint ihm hinnehmbar, weil eine solche Spaltung de facto ja ohnehin bereits bestehe.

Der vierten Position widmet er lediglich eine kurze Bemerkung, daß die These vom Automatischen Amtsverlust des Irrlehren verkündenden Papstes hauptsächlich von Sedisvakantisten vertreten werde und deshalb „problematisch“ sei, „da sie das kirchliche Gremium (Kardinals-/Bischofsrat) außer Acht lässt, das befugt ist, im Fall des ketzerischen Papstes über die Vakanz des Heiligen Stuhles zu urteilen.“

Wo diese Befugnis kirchenrechtlich geregelt ist, verrät Poljaković allerdings nicht – es würde ihm auch schwer fallen, denn der vom Konzil von Konstanz in seiner Praxis vertretene und dann auch durch entsprechende Canones bekräftigte traditionsfremde „Konziliarismus“, der ein Konzil über den Papst stellte, wurde bereits hundert Jahre nach Konstanz vom 5. Laterankonzil ausdrücklich verworfen. Seitdem gilt (wieder) unangefochten der Grundsatz „Papa a nemine iudicatur“ - der Papst kann von niemandem gerichtet werden“.

Und aus genau diesem Grund halten wir die an sich durchaus scharfsinnige und lesenswerte Abhandlung von Poljaković sowie die ganze aktuelle Diskussion über Franziskus’ Verlust des Papstamtes für wenig relevant: Es gibt nach Tradition und Verfassung der römischen Kirche schlichtweg keine Instanz, die den Inhaber des Papstamtes für seines Amtes verlustig erklären könnte. WEir können einzeln oder als Gruppe, mit oder ohne Bischöfe und Kardinäle, befinden, was wir wollen: Es geht nicht.

Insoweit neigen wir also der von Poljaković verworfenen dritten Position zu, wobei wir uns dafür auf einen höchst beherzigenswerten Beitrag von Bischof Athanasius Schneider aus dem Jahr 2019 stützen können: Es ist möglich, daß ein Mann als Papst herrscht, der gegen die Lehre der Kirche verstößt und dieses Amtes nicht würdig ist. Damit verliert er nicht dieses Amtes – aber er erhöht die Anforderungen, die an unser eigenes Glaubensleben und unser Handeln im Sinne der Erfüllung der göttlichen Gebote gestellt sind. Ein (unseres Wissens unbelegter) Spruch des Vinzenz von Lérins besagt: „Einige Päpste schenkt Gott, andere duldet er, mit wieder anderen straft er.“ Sollte Franziskus also eine Strafe Gottes sein, so mag sowohl eine persönliche als auch eine gesamtkirchliche Gewissenserforschung viele Gründe dafür vor Augen stellen, daß eine solche Strafe verdient ist und nicht durch Gremienbeschluß, sondern nur durch Verhaltensänderung abgewendet werden kann. Im Leben der einzelnen Gläubigen ebenso wie in Verhalten und Auftritt der Oberhirten insgesamt).

Damit noch nicht beantwortet ist die Frage, wie sich die Gläubigen in dieser für die ganze Kirchengeschichte einmaligen Situation verhalten können und sollen. Einen wichtigen Orientierungspunkt bildet dabei die vom verstorben Father John Hunwicke propagierte These von der „Suspendierung des päpstlichen Lehramtes“ unter und durch Franziskus. Franziskus gefällt sich darin, dem Lehramt seiner Vorgänger direkt und geradezu brutal zu widersprechen: Papst Benedikt, wenn er die überlieferte Liturgie als unvereinbar mit einer angeblich durch das II. Vatikanum rundum erneuerten „lex credendi“ erklärt; Papst Johannes Paul II. wenn er dessen in feierlichster Form verkündeten Erklärung, die Kirche habe keine Vollmacht, Frauen das Sakrament de Weihe zu erteilen, dadurch konterka­riert, dass er eine Studienkommission nach der anderen einsetzt, um die angeblich offene Frage einer Diakoninnenweihe tiefer zu ergründen; Papst Paul VI, wenn er in Traditionis Custodes dessen mehrfach in Dokumenten höchsten Ranges (unter anderem in der Einleitung zum Missale des Novus Ordo) getroffenen Feststellung widerspricht, dieses neue Meßbuch bedeute kein Abrücken von der auf dem Konzil festgeschriebenen „lex credendi“ der Kirche.

Wenn es überhaupt ein Lehramt des Papstes gibt, so muß dieses widerspruchsfrei für das Lehramt aller Päpste der Vergangenheit und der Zukunft gelten. Historische Entwick­lungen mögen gewisse Veränderungen des Akzentes oder der Relevanz insgesamt mit sich bringen – aber einen direkten Widerspruch kann es nicht geben, denn sonst gibt es auch kein Lehramt.

Soweit Franziskus solche Widersprüche – wenn auch teilweise in verschleierter Form – in die Lehre der Kirche einzuführen versucht, können diese Aussagen nicht Teil des Lehr­amts sein, das sich damit als „suspendiert“ erweist. Franziskus bleibt der Papst – aber indem er das Lehramt pervertiert, verliert er den Anspruch auf den Gehorsam der Gläu­igen und lädt eine Verantwortung auf sich, bei deren Abrechnung der Herr, dessen getreuer Verwalter er sein soll, ihm gnädig sein möge. Das kann ihm kein Kirchenrat, keine Synode und kein „unvollständiges Konzil“ abnehmen.

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