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Quinquagesima: Liturgische Vorbereitung auf das Erlösungsopfer

01. März 2025

2 - Liturgie und Theologie

Der Stich zeigt Jesu beim Aufstieg nach Jerusalem, wie er den Jüngern die verschiedenen Stationen seines Leidens - sie sind in „Bildern im Bild“ dargestellt - voraussagt.

Quinquagesima und die Leidensgeschichte

Anders als am vergangenen Sonntag, an dem wir eine Anpassung der Perspektive vorgenommen haben, um die Lesungstexte für „Menschen von heute“® leichter ver­ständlich zu machen, bedürfen die Lesungen von Quinqua­gesima keines solchen Framing: Sie sind für die Heutigen nicht schwerer zugänglich als für die Katechumenen der frühen Kirche, die an diesem Sonntag einen ersten Ab­schnitt ihres Taufunterrichts abschlossen. Leicht zugänglich waren und siend sie freilich für beide nicht. Zur in der West­kirche am kommenden Mittwoch beginnenden eigentlichen Fastenzeit wirft die Kirche den Blick voraus auf den Kar­frei­tag (und den Ostersonntag), auf den die Gläubigen sich vorbereiten, und rückt das Geheimnis von Kreuzesopfer und Erlösung ins Zentrum ihrer Betrachtung.

Dazu blickt sie aus drei verschiedenen Richtungen auf den Opfertod des Messias, die wir hier in der umgekehrten Reihenfolge ihrer Behandlung in der Liturgie ansprechen wollen. Das Evangelium bringt die Perikope aus dem Lukasevangelium (18, 31-43), in der Jesus seinen Getreuen das bevorstehende Leiden, den Tod und die Auferstehung, ankündigt. Und da die Jünger diese doch so klar ausgesprochene Ankündigung nicht verstehen oder nicht verstehen wollen – schließlich hatten sie sich die Erlösungstat des Messias ganz anders vorgestellt – folgt dann noch die Erzählung von der Heilung des Blinden, der durch seinen Glauben sehend gemacht wurde – und ebenso sollen die Jünger durch ihren Glauben sehend werden, damit sie dann, wenn das Ereignis eintritt, nicht im Abgrund der Verzweiflung versinken. Dem die meisten von ihnen doch nicht entgingen – bis sie nach der Auferstehung mit eigenen Augen sehen konnten, was zu glauben ihnen (und den heutigen ebenso) so schwer fiel.

Die vorausgehende Lesung aus dem Brief an die Corinther (1 Cor 13; 1-13) lenkt den Blick auf die Triebkraft, die den Menschensohn zu dieser Opfertat aufruft und befähigt, und darauf, daß diese Motivation von jedem Einzelnen beantwortet und aufgegriffen werden muß, um das Erlösungswerk fruchtbringend zu machen. Diese Triebkraft ist die alle Grenzen überfließende unendliche Liebe des Schöpfers zu seinen Geschöpfen, und die erwartete Antwort ist eine – wenn auch viel begrenztere und bescheidener – Liebe des Geschöpfs zu seinem Schöpfer. Der Apostel sagt es zwar nicht expressis Verbis, aber seine Aussage ist doch völlig klar: Es geht hier nicht oder zumindest nicht in erster Linie um die „caritas“, die Liebe zu anderen Menschen und zur Verbesserung der Welt – selbst die Hingabe des ganzen Vermögens zur Speisung der Armen und die heroische Tat des Feuertodes wären nichts ohne die Liebe in der Antwort auf die Liebe Gottes.

Oder um die Frage 1 des alten Schulkatechismus zu zitieren: „Wozu sind wir auf Erden? Wir sind auf Erden, um Gott zu erkennen, ihn zu lieben, ihm zu dienen und einst ewig bei ihm zu leben.“

Und eben diese Perspektive auf das Kreuzesopfer hat die Tageslesung des Breviers bereits geöffnet mit der Perikope aus dem Alten Testament über den Aufstieg Abrahams und seines geliebten Sohnes Isaak – den dort auf dem Altar blutig zu opfern Abraham im Gehorsam seiner Liebe zu Gott entschlossen war.

Diese unerhörte Erzählung des alten Testamentes wird in der hier konsultierten Literatur zu den Sonntagen des Kirchenjahres mit größter Diskretion behandelt, und das nicht erst seit „dem Konzil“. Mein vorkonziliarer Schott von 1953 begnügt sich mit dem vagen Hinweis: „Im Stundengebet des heutigen Sonntags sind wir Zeugen der heroischen Ge­hor­samstat des Abraham, der auf Gottes Befehl seine Heimat verläßt. Zur hl. Messe versammeln wir uns im Geiste beim hl. Petrus…“ Selbst der unerschrockene Dom Gue­ranger, der das Brevier regelmäßig in seine Abhandlungen einbezieht, hält sich bei diesem Opfergang auffällig zurück.

Allein im „Jahr des Heils“ von Pius Parsch findet sich eine ausführlichere Behandlung des Thema, die erst geeignet ist, den ganzen Zusammenhang zwischen den Opfern des Alten und dem einzigen Opfer des Neuen Bundes besser hervortreten zu lassen. Unter der Überschrift „Ein Passionsspiel im Alten Bund“ schreibt er:

Es begint ein Zitat

Es tritt auf der Erzvater Abraham, der Mann des Glaubensgehorsams. Der Sinn und Grundzug seines Lebens war volle Hingabe an Gott. Schon in seiner Jugend nahm ihn Gott aus seiner Heimat und führte ihn in das fremde Land Kanaan. Heimatlos sollte er ganz auf Gott vertrauen. Der Herr verhieß ihm einen Leibeserben; Abraham hoffte wider die Hoffnung bis zum hundertsten Lebensjahre. Nun schenkte ihm Sara einen Sohn. Der Knabe wuchs heran zur Freude seiner Eltern; der Knabe wurde zum Jüngling. Eines Nachts stand Gott vor Abraham: Er soll sein Kind mit eigener Hand schlachten. Abraham tut es. Auf dem Berge, wo später die Opferlämmerals Vorbilder Christi verbluteten, wo Christus selbst sterben sollte, am Berge Moria sehen wir den greisen Patri­archen vor dem Altar stehen, auf dem Isaak gebunden liegt. Er ist Opferprie­ster, das Opfer, das er darbringt, ist Glaube, ist lauterster Wille.

Wir wissen: Gott macht dem Abraham ein Gegengeschenk: Er gibt ihm seinen Sohn zurück und in ihm seinen eigenen Sohn, er macht ihn zum Stammvater Christi. – Du kannst in der kommenden Fastenzeit Gott kein schöneres Opfer bringen als deinen Willen. Die Fasten sollen letzten Endes den Willen stär­ken.“

Soweit die Übernahme aus dem „Jahr des Heils“, II. Bd, S. 54f. Das wäre ein schöner Arti­kelschluss – wen wir nicht bei der Vorbereitung zu die­sem Beitrag auf eine Predigt zum Thema gestoßen wären, die das Thema weitaus tiefer gehend behandelt und auf die hier wenigsten kurz als Leseempfehlung hingewiesen sein soll. Der über 10 eng bedruckte Seiten umfassende Predigttext, der ganz von der Absicht getragen ist, die Vorformen der frohen Botschaft des Neuen Bundes schon im Alten Testament aufzuspüren, beginnt mit dem Absatz:

Es begint ein Zitat

„Wenn der Messias irgendwo im Alten Testament symbolisch dargestellt wird, so gewiss auf dem Berg Moria, wo der geliebte Isaak, willig gebunden und auf den Altar gelegt, eine lebendige Andeutung von dem Liebling des Himmels ist, der sein Leben zum Lösegeld gibt. Wir zweifeln nicht daran, daß es Gottes Absicht war, Abraham einen klareren Blick von dem Tag Christi zu geben. Die Prüfung war ein verstecktes großes Vorrecht, welches den Patriarchen das Herz des großen Vaters in seiner großen Liebestat enthüllte und zugleich den willigen Gehorsam des großen Sohnes darstellte, welcher sich freudig Gott zum Brandopfer gab. Das ‚Evangelium‘ von Moria, das nur ein anderer Name für Golgatha ist, war viel deutlicher als die Offenbarung, die an der Pforte des Paradieses oder dem Noah in der Arche oder dem Abraham bei einer früheren Gelegenheit gegeben wurde.“ (Quelle).

Verfasser der Predigt ist der englische Baptistenprediger Charles Spurgeon (1834 – 1892), der zu den erfolgreichsten Predigern seiner Zeit gehörte und dessen Vermächtnis bei den Baptisten noch heute lebendig ist. Wir haben in seinem langen Text keine einzige Aussage gefunden, der wir nicht zustimmen könnten, und sind zutiefst beeindruckt von der Tiefe seiner Kenntnis der heiligen Schrift und der nachfolgenden frommen Über­lie­ferungen. Mag sein, daß es auch in der katholischen Tradition Prediger oder Volksschrift­steller vergleichbaren Ranges gibt – man könnte etwa an den 200 Jahre früher wirkenden Martin von Cochem (1634 – 1712) denken. Der freilich ist seit bald hundert Jahren zumindest im offiziellen Bereich verfemt und verbannt, während Spurgeon und einige seiner Schriften sich bei den sog. „Freikirchen“ des englischen Sprachraums nach wie vor großer Beliebtheit erfreuen. Die Lektüre seiner Predigt zum Opfer Isaaks ist jedenfalls traditionstreuen Katholiken zum Sonntag Quinquagesima oder während der Karwoche sehr zu empfehlen.

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