Finanzlage des Heiligen Stuhls:
Es knistert im Gebälk...
04. März 2025

... es bröselt im Gewölbe
Der stets wohl informierte Vaticanista Andrea Gagliarducci hat in seinem allmontäglichen Bericht zur Lage in dieser Woche einen Einblick in die Finanzlage des Heiligen Stuhles gegeben, wie wir ihn so umfassend bisher noch nirgendwo gesehen haben. Damit meinen wir weniger die Zahlen, mit denen unsereins ohnehin wenig anfangen kann: Der Vatikan als Wirtschaftseinheit ist weder mit den Kategorien der Betriebswirtschaft oder der Volkswirtschaft noch unter dem Bild eines internationalen Konzerns hinreichend zu erfassen. Am ehesten ähnelt er noch dem Bild eines zugegebener maßen ziemlich umfänglichen Privathaushaltes, eines Gutsbetriebes mit stark schwankenden Einnahmen aus den verschiedensten Betriebsbereichen oder eines Kleinfürstentums mit vielen mehr oder weniger gemeinnützigen Einrichtungen und mehr oder weniger nützlichen Kostgängern, die alle ihre historisch verbürgten Ansprüche und im übrigen wenig präzise überprüfbare Aufgabenbereiche haben.
Im Grund, so das von Gagliarducci vermittelte Bild, hat der Heilige Stuhl seit dem Verlust seiner regulären Staatlichkeit im Jahr 1870 nie die Kraft gefunden, ein der neuen Situation entsprechendes Finanzwesen und wurde von den seitdem regierenden Päpsten mit wechselndem Geschick „nach Gutsherrenart“ verwaltet. Grundlagen dieser „Bewirtschaftung“ war ein beträchtlicher Immobilienbesitz in Rom und Umland – der freilich auch erhebliche Kosten verursacht – ein ebenso weit gestreutes Stiftungsvermögen sowie der weltweit erhobene „Peterspfennig“ und besonders seit Einsetzen des Massentourismus der Erlös aus den Eintrittskarten für die vatikanischen Museen – die ihrerseits freilich auch einen bedeutenden Kostenfaktor darstellen.
Papst Franziskus – so Gagliarducci – war seinerzeit nicht zuletzt mit dem Auftrag gewählt worden, die Kurie, und dabei insbesondere die Finanzverwaltung, einer umfassenden Reform zu unterziehen und auf einen den Anforderungen der Gegenwart gerecht werdenden Stand zu bringen. Der mit der Aufsicht über die Finanzreformen betraute australische Kardinal Pell war sich darüber im Klaren, daß dieses Projekt weitaus mehr ökonomischen und finanzwirtschaftlichen Sachverstand erforderte, als im ganzen Weltklerus aufzutreiben war, und heuerte eine Reihe hochqualifizierter Unternehmensberater an – was im Prinzip wohl die einzig aussichtsreiche Weg war.
Leider erwiesen sich die von diesen Beratern mitgebrachte moderne Unternehmenskultur und die Gutswirtschaftsmentalität der Kurie als gänzlich inkompatibel – nach wenigen Jahren scheiterte das Projekt grandios, Pell wurde entmachtet und der ökonomisch wenig kompetente Papst selbst bzw. von ihm eingesetzte ebenso inkompetente Vertraute übernahmen wieder das Ruder. Womit sie in einer gerade auch ökonomisch immer komplizierter werdenden Welt total überfordert waren. Allein die Teilnahme am internationalen Zahlungsverkehr, die ja nicht nur unabdingbar ist, um auf dem Boden des Vatikanstaates ein paar Geldautomaten betreiben zu können, sondern auch um Überweisungen aus dem Ausland (Stichwort: Peterspfennig) empfangen oder Forderungen aus dem Ausland (Stichwort: Stromrechnung) bezahlen zu können, verlangt den Einsatz einer ganzen Kompanie von Juristen und Volkswirtschaftlern. Im 21. Jahrhundert als souveräner Staat an der Weltwirtschaft teilnehmen zu können, erfordert enormen Aufwand – doch diese Souveränität wird nach wie vor und u.E. auch aus guten Gründen als unentbehrliche Grundlage der Tätigkeit des Heiligen Stuhls und der dort beheimateten Kurie angesehen.
Zu dem hier nur angedeuteten Gestrüpp rechtlicher Rahmenbedingungen kommen dann noch die dem Menschen angeborenen üblen Neigungen, die immer wieder dazu führen, daß Gelder nicht dafür ausgegeben werden, wofür sie bestimmt waren, sondern in irgendwelchen dunklen Kanälen versickern. Der übelste bisher bekannt gewordene Fall ist jener berüchtigte und mit dem Namen von Kardinal Becciu verbundene Erwerb einer Londoner Luxusimmobilie für 200 Millionen Euro als Geldanlage – die man dann später nur unter zweistelligem Millionenverlust wieder loswerden konnte. Mindestens ebenso hoch summieren sich die Verluste durch zahlreiche weniger spektakuläre Kleingeschäfte, bei denen sich – wie z.B. hinsichtlich der Lieferanten für die alljährlich auf dem Petersplatz aufgebauten geschmackvollen Weihnachtskrippen gemunkelt wird – ganze Ketten von Onkeln und Nichten als Zwischenhändler ein goldenes Näschen verdienen. Organisationen bestimmter Größe und Unübersichtlichkeit zahlen gerne schon einmal für einen Hammer, den es im Baumarkt für 15 Euro gibt, nach internationaler Ausschreibung 750 Dollar, da ist auch die Kirche ganz von dieser Welt...
Der theologische Schöngeist Benedikt hat von solchen Dingen wohl nur wenig mitgekriegt. Der Machtmensch Franziskus hat es zumindest teilweise mitbekommen und mit der ihm eigenen zupackenden Art immer wieder direkt eingegriffen – und dadurch, wie angesichts der überaus komplizierten Materie nicht anders zu erwarten ist – vieles nur noch schlimmer gemacht.“ Andrea Gagliarducci ist da ziemlich schonungslos:

„In jüngster Zeit haben sich die Interventionen des Papstes vervielfacht. So forderte er die Kardinäle sogar auf, persönlich die notwendigen Spenden zu beschaffen, ließ verlauten, daß es nicht einmal für die Leiter der Dikasterien mehr Wohnungen zu kontrollierten Preisen geben werde, und vergab viele der Finanzkompetenzen des Heiligen Stuhls an externe Beratungsfirmen. Doch die Krisensituation erzählt auch eine andere Geschichte. Papst Franziskus‘ Werbung für die Kirche als „Feldlazarett“ kann nicht funktionieren.
Im Gegenteil, die Neigung der Kirche auf Notsituation mit Notmaßnahmen zu reagieren, lässt sie zunehmend außer Atem geraten.“ Das mit der „armen Kirche für die Armen“ funktioniert eben nicht so einfach, wie der kleine Fritz sich das vorstellt. Gagliarducci: „Dieser Slogan funktioniert nur, wenn man nicht wirklich weiß, wie eine komplexe Maschine wie die Kirche und ihre Wohltätigkeit funktionieren. Die Kirche ist arm, weil sie nichts für sich behält. Aber sie kann nicht arm an Struktur, Organisation oder Professionalität sein.“
Längerfristig noch übler dürfte sich auswirken, daß die Eingriffe von Franziskus vielfach auch dazu geführt haben, das Tafelsilber zu Geld zu machen. Gagliarducci:

„Die historischen Immobilienwerte des Heiligen Stuhls werden veräußert, viele Nuntiaturen werden verkauft oder stehen zum Verkauf, die diplomatischen Vertretungen des Heiligen Stuhls verlieren ihre Häuser und sind stattdessen gezwungen, Lösungen zu finden, die, da sie kein Eigentum sind, nur vorübergehend sein können. Damit wurde auch das Werk von Pius XI. ausgelöscht, der das erste Geld aus der Konzilien-Vereinbarung gerade dazu verwendete, die päpstlichen Vertretungen umzustrukturieren und ihnen neue Stärke zu verleihen.“
Das Fazit aus dieser und vielen anderen von Gagliarducci angeführten Tatsachen fällt deprimierend aus:

„So wird in der Tat nicht nur ein Stück Geschichte ausgelöscht, sondern auch die Unabhängigkeit des Heiligen Stuhls untergraben. (…) Er ist auf Spenden der Gläubigen angewiesen und kehrt in eine ähnliche Situation zurück wie beim Ende des Kirchenstaats im 19. Jahrhundert.
Der Wiederaufbau des Systems wird schwierig, weil es fast unmöglich ist, die Verantwortung
derjenigen zu erkennen, die diesen Mentalitätswandel akzeptiert und gefördert haben. In der
Zwischenzeit wird das Vermögen Stück für Stück verkauft, um die Haushaltslöcher zu stopfen. Die
Einnahmen, die aus jedem Stück kamen, gehen verloren – und das führt zu immer größeren Schäden
für den Heiligen Stuhl.
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