Liturgiepräfekt Roche im Interview zur überlieferten Liturgie
15. März 2025

Arthur Roche als Bischof von Leeds 2008
Präfekt Roche vom Dikasterium für den Gottesdienst und die Sakramente hat Anfang März dem Catholic Herald ein Interview gegeben, das in der Folge einigen Staub aufgewirbelt hat – insbesondere wegen einiger Bemerkungen zur überlieferten Liturgie, die man – mit einigem Wohlwollen – als „wohlwollend“ auffassen kann. Hauptsächlich wohl wegen seiner diesen Themenbereich einleitenden Bemerkung:

„Es ist nichts dagegen einzuwenden der Hl. Messe beizuwohnen, die nach dem Missale von 1962 zelebriert wird. Das ist seit der Zeit des hl. Papstes Johannes Paul II., Papst Benedikt und jetzt auch Papst Franziskus zulässig. Aber wie Papst Franziskus in Traditionis Custodes ausgeführt hat, ist das nicht die Norm. Aus sehr guten Gründen hat die Kirche sich auf Grund der konziliaren Gesetzgebung dafür entschieden, das aufzugeben, was sich zu einer allzu aufwendigen Form der Messfeier entwickelt hatte.“
Als besonderen Vorteil der neuen Liturgie hebt Roche in einem zweiten Argument die neue Leseordnung hervor, die entsprechend dem Auftrag des Konzils die hl. Schrift stärker „zur täglichen Nahrung aller Katholiken“ gemacht habe. Dem folgen schließlich als dritter Punkt zwei Schlußabsätze, die man sich näher ansehen muß:

„Ich wüßte gerne, warum einige Leute sich darüber aufregen, wenn andere die tridentinische Liturgie feiern. Das scheint mir verfehlt zu sein. Bischof Wheeler von Leeds (gest. 1998) bestand seinerzeit darauf, daß in jedem Dekanat jeden Sonntag mindestens eine Messe nach dem Novus Ordo in Latein zelebriert werden solle. Das zeugt von großer Weisheit. (…) Ich höre oft, daß gesagt wird, „Kardinal Roche ist gegen die Lateinische Messe.“. Wenn sie doch nur wüßten, daß ich an den meisten Tagen die Messe auf Latein zelebriere, weil das für uns alle hier die gemeinsame Sprache ist. Das ist der Novus Ordo in Latein. Bis zum Alter von 20 Jahren war ich Messdiener in der tridentinischen Form.“
Um auf die drei hier angesprochenen Punkte kurz im Einzelnen einzugehen: Die Stellung der drei Päpste Johannes Paul II., Benedikt XVI. und nun Franziskus quasi als bruchloses Kontinuum darzustellen bedarf schon einiger Anstrengung. Schließlich hat Franziskus da, was Benedikt in Summorum-Pontificum für zulässig erklärte, in Traditionis Custodes fast ausnahmslos wieder verboten. Und die Bezeichnung der Messe aus der Zeit vor dem Konzil als „allzu aufwendig“ ist auch nur mit einem gehörigen Kopfschütteln zu quittieren – zumal Roche im folgenden Absatz aus seiner Seminaristenzeit die Anekdote kolportiert, die Priester hätten nicht länger als 20 Minuten für eine Messe gebraucht. „allzu aufwendig“? Zugegeben, es gab solche Express-Priester, und es gab auch Pontifikalliturgien von vielstündiger Dauer. Vor allem aber gab es ein sagen wir mal „erträgliches Mittelmaß“, in dem ein sonntägliches Hochamt in der Gemeinde selten länger als eine Stunde dauerte, bei vielen Kommunikanten oder einem Kapuziner als Gastprediger auch mal anderthalb.
Dann ist da der immer wieder genannte Punkt mit dem neuen Lektionar. Dieses Leseordnung mag vom Schreibtisch des Bugninischen Consiliums her gesehen gewisse Vorzüge haben – in der Praxis überwiegen die Nachteile, und angesichts der seit dem Konzil vielfach auf unter 10% zurückgegangenen Teilnahme an der Sonntagsmesse und eines faktisch zusammengebrochenen Besuchs der Werktagsmesse von „täglicher Nahrung“ zu sprechen, ist nichts als Realitätsverweigerung.
Besonders bemerkenswert ist dann Roches dritter Punkt – die hier praktisch vorgenommene Gleichsetzung von „Lateinischer Messe“ des Novus Ordo mit der regulär auf Latein zelebrierten Messe nach dem von Trient revidierten Ritus der Päpste Gregor der Große und Damasus I. (s. dazu hier) Wir wollen dem Liturgiepräfekten nicht unterstellen, daß er um die Unterschiede zwischen beiden Formen nicht wüßte. Aber gerade deshalb ist es nur noch als unseriös zu bezeichnen, wie er diese Unterschiede hier verwischt. Unterschiede, die in Traditionis Custodes schließlich dazu geführt haben, die moderne Form als die einzige korrekte „Lex orandi“ der Kirche von heute zu bezeichnen. Tatsächlich hat TC den Zugang zur überlieferten Liturgie enorm erschwert und die Einrichtung von „Umerziehungsmaßnahmen“ angeregt, um die Gläubigen zu dieser einzig wahren Form mehr hinzuzwingen als hinzuführen.
Trotz unserer hier nur sehr kurz zusammengefaßten Einwendungen ist der eingangs erwähnte „wohlwollende“ Zungenschlag der Ausführungen des Liturgiepräfekten, der sich in der Vergangenheit als einer der schärfsten Gegner der „vorkonziliaren“ Liturgie profiliert hatte, nicht zu überhören. Was ist davon zu halten?
Das Feld für Spekulationen ist offen. Daß der Pontifikat Franziskus’ eher in Wochen als in Monaten zu Ende gehen wird, weiß jeder. Was danach kommen wird, weiß keiner. Aber vielleicht weiß oder zumindest ahnt Roche etwas, was dem gemeinen Kirchenvolk außerhalb Roms verborgen geblieben ist? Stellt er sich auf einen eher der Tradition zugeneigten Rückschwung des Pendels beim kommenden Konklave ein?
Aber warum sollte er das tun? Arthur Roche steht im 74. Lebensjahr, sein Rücktrittsangebot ist also in absehbarer Zeit fällig, und beim Tode eines Papstes verlieren ohnehin alle Inhaber von Spitzenpositionen automatisch ihre Ämter. Kommt er etwa auf seine alten Tage zu der nicht ohne opportunistische Motive lange unterdrückten Einsicht, daß der Absolutheitsanspruch der von Paul VI. promulgierten Reformtheologie, der von Franziskus in Traditionis Custodes auf die Spitze getrieben wurde, angesichts des Scheiterns der meisten konziliaren Reformideen nicht länger zu halten ist, ohne die Kirche noch weiter aus der Gegenwart zu drängen?
Wir jedenfalls wissen es nicht und harren (wenn auch manchmal ungeduldig) der Dinge, die da kommen sollen. Zur Überbrückung der Wartezeit sei sehr empfohlen das tägliche Gebet von Psalm 79 (80), insbesondere der hier nach der „Einheitsübersetzung“ (Version 1980) zitierten Verse 8 – 16:
Gott der Heerscharen, richte uns wieder auf! / Lass dein Angesicht leuchten, dann ist uns geholfen.
Du hobst in Ägypten einen Weinstock aus, / du hast Völker vertrieben, ihn aber eingepflanzt.
Du schufst ihm weiten Raum; / er hat Wurzeln geschlagen / und das ganze Land erfüllt.
Sein Schatten bedeckte die Berge, / seine Zweige die Zedern Gottes.
Seine Ranken trieb er bis hin zum Meer / und seine Schößlinge bis zum Eufrat.
Warum rissest du seine Mauern ein? / Alle, die des Weges kommen, plündern ihn aus.
Der Eber aus dem Wald wühlt ihn um, / die Tiere des Feldes fressen ihn ab.
Gott der Heerscharen, wende dich uns wieder zu! / Blick vom Himmel herab, und sieh auf uns!
Sorge für diesen Weinstock / und für den Garten, den deine Rechte gepflanzt hat.
(Mehr zu Psalm 79, seiner Entstehung und seinem Kontext findet sich auf dem Psalterium.)
*