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„Das machen die Chinesen aber billiger“ oder: Warum die Kirche oft umständlich ist.

12. Juni 2025

3 - Tradition

Die Aufnahme zeigt die mit weißen und roten Schlefen geschmückten frisch gewaschenen Lämmer in einem Korb liegend.

Die Agnes-Lämmer bereit zur Segnung

Eine kleine, aber doch sehr erfreuliche Nachricht kommt aus Rom: Wie das Amt für die liturgischen Feiern des Papstes am 11. Juni mitgeteilt hat wird Papst Leo am Hoch­fest der Heiligen Apostel Petrus und Paulus am 29. Juni die Pallien für die Metropolitan-Erz­bi­schö­fe segnen und sie im Rahmen einer feier­li­chen Zeremonie während der hl. Messe im Peters­dom den im Lauf des letzten Jahres neu ernannten Metropoliten auf­le­gen. So war es viele Jahrhunderte lang der römische und im Kirchenrecht aufgenommene Brauch – die Ur­sprünge sollen bis ins 6. Jh. zurückgehen – bis Papst Franziskus den Ritus bereits in sei­nem zweiten Amtsjahr „vereinfachte“ (Codewort für „abschaffte“): Die Übergabe des Pal­liums erfolgte danach bei passender Gelegenheit in privatem Rahmen, eine kleine Zere­monie wurde dann später in der Heimatdiözese vom zuständigen päpst­lichen Nun­tius vorgenommen, soweit ersichtlich ebenfalls in privatem Rahmen. So spart man Geld und Zeit.

Dabei war die Zeremonie der Auflegung der Pallien nur das letzte Glied einer ganzen Kette ritueller Handlungen, die den Zweck hatten, die Verbindung des Papstes mit den von ihm beauftragten Metropolitanbischöfen und Patriarchen sinnfällig zu unterstrei­chen. Die Lämmer – früher aus klösterlicher Zucht – wurden traditionell am Tag der hl. Agnes (21. Januar) in der Grabeskirche der Heiligen gesegnet – eines mit weißen Schlei­fen geschmückt zum Gedenken an ihr gottgeweihtes jungfräuliches Leben, das andere mit roten zur Erinnerung an ihr Martyrium – und beides zur Mahnung und zur Ver­pflich­tung der zukünftigen Palliumsträger.

Danach wurden die Lämmer dann der römischen Niederlassung der „Schwestern der hl. Familie von Nazareth“ übergeben, die sich um ihre Pflege kümmerten und aus ihrer ersten Wolle später die Wollstreifen für die Pallien webten und bestickten – wie man doch annehmen darf unter wiederholten Gebeten und Segnungen.

Ob bewußt oder unbewußt greift die Kirche damit auf eine Vorgehensweise und ein Bewußtsein zurück, die weit in die vorchristliche Vergangenheit des Volkes Israel zurück­reichen: Lämmer sind nicht einfach Lämmer, und Wolle ist nicht einfach Wolle; und die Lämmer für das tägliche Opfer auf dem Zionsberg wurden nicht auf dem nächstbesten Markt gekauft, sondern von Beauftragten des Tempels auf besonderem Weideland auf­gezogen und gepflegt: Auf dem Hirtenfeld bei Bethlehem, als Vorgestalt des endgültigen Opferlammes.

So sind also die Pallien für die Erzbischöfe als Nachfolger der Apostel nicht einfach aus Wolle, sondern ihr besonderer Stoff ist Ergebnis eines materiellen und eines spirituellen Prozesses, der ihnen zwar nicht ihre Wirksamkeit, aber doch eine besondere Würde und Be-Deutung verleiht. Rechtzeitig zur feierlichen Verleihung brachte man die Pallien dann nach St. Peter, wo sie im Rahmen einer kleinen Zeremonie für einige Tage in der Nische unmittelbar am Petrusgrab niedergelegt wurden, um den Segen des Apostelfürsten für seine Nachfolger im Apostelamt zu empfangen. Ebenso geschieht es auch mit dem Pal­li­um, das dem Papst selbst am Tage seiner Amtseinführung als Zeichen seiner Würde an­ge­legt wird, nachdem die dreifache Krone des Triregnum aus nachvollziehbaren Motiven nicht mehr in Gebrauch ist.

Wenn Papst Leo – „motu proprio“ oder durch liturgische Berater angeregt – jetzt zumin­dest den abschließenden Teil der Kette von Zeremonien zur Verleihung des Palliums wieder herstellt (über das Weitere werden wir zum nächsten 21. Januar mehr erfahren), ist das ein erfreuliches Signal dafür, daß man auch in Rom wieder begreift, daß in der spirituellen Sphäre andere Gesetze gelten als in der säkularen Welt. Die in Geist und Leben der Kirche wirkenden Werte lassen sich nicht durch Rationalisierung vermehren, sondern nur vermindern.

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Nach Fertigstellung unseres Beitrags zur Verleihung des Palliums erschien auf New Liturgical Movement ein ein Artikel des liturgiegeschichtlich sehr belesenen Gregory Dipippo, der eine interessante Detailkorrektur zu unseren Ausführungen enthält. Wäh­rend die Institution des Palliums selbst von der Segnung der Lämmer über die „Weihe“ am Petrusgrab bis zur Verleihung durch den Papst auf alterwürdige Ursprünge wie oben beschrieben zurückblicken kann, ist die persönliche Anlegung durch den Papst selbst am Fest der Apostel Petrus und Paulus eine ganz und gar moderne Entwicklung: Sie wurde erst 1983 von Papst Johannes Paul II eingeführt. Wer will, kann also in der von Franzis­kus praktizierten Form durchaus eine „Rückkehr“ zu älteren Traditionen erkennen, und für beide Formen lassen sich Argumente anführen. Nicht alle „Traditionen“ sind in Stein gemeißelt und können sich je nach den Zeitumständen in ihrer Ausdrucksweise entwic­keln.

Eine erste Leserzuschrift zu Dipippos Beitrag greift dazu einen Aspekt auf, den wir eben­falls für sehr bedenkenswert halten: Wohl schon seit Beginn der „liturgischen Bewegung“ und verstärkt nach dem II. Vatikanischen Konzil hat sich die Übung eingebürgert, prak­tisch alle kirchlichen Akte von einiger Bedeutung innerhalb einer Messfeier zu vollzie­hen. Leser Basil Damukaitis sieht darin eine Tendenz, die Messfeier auf eine Art „Rah­men­handlung“ zu reduziereen und damit sowohl die Bedeutung der eingeschobeben Akte als auch die des hl. Messopfers selbst zu relativieren.