Fronleichnam 2025:
Eucharistische Hymnen Thomas von Aquins
19. Juni 2025

Thomas v. Aquin, 1225 – 1274
Als 1264 Papst Urban IV das Fronleichnamsfest für die ganze lateinische Kirche vorschrieb, betraute er keinen Geringeren als Thomas von Aquin mit der Aufgabe, ein neues Offizium für den neuen Festtag zusammenzustellem. „Offizium“ also Texte für das Stundengebet ebenso wie das Proprium für die hl. Messe. Für die meisten Teile des Offiziums war der Kompilator freilich an feste Vorgaben gebunden: Die Lesungen waren aus der hl. Schrift und den Vätern zu nehmen und es war eine bestimmte Anzahl von Psalmen zu berücksichtigen – auch wenn von denen bei weitem nicht jeder für jede Gelegenheit passte. Größere Freiheit bestand bei der Auswahl der Hymnen, und diese Freiheit nutzte Thomas, der damals gerade die Arbeit an seiner streng logisch argumentierenden „Summa contra gentiles“ beendet hatte und darin ging, die noch strengere Summa Theologiae zu verfassen, seine poetischen Fähigkeiten einzusetzen.
Die Dichtkunst war im hohen Mittelalter kein Randbereich der Schriftstellerei, sondern gehörte im Rahmen der Rhetorik zu den sieben Artes Liberales, die in jedem Studium zu berücksichtigen waren – besonders von jenen Männern, die sich auf einen geistlichen Beruf vorbereiteten. Sie hatten im Lauf ihres Studiums unzählige Gedichte der Klassiker zu lesen und teilweise auch auswendig zu lernen, und sie wurden auch selbst immer wieder angehalten, ihre Gedanken in Gedichtform auszudrücken – je komplizierter das Versmaß und das Reimschema waren, umso besser.
Mit den handwerklichen Voraussetzungen der Hymnendichtung war Thomas also bestens vertraut, und sein umfassendes theologisches Wissen und Verständnis befähigten ihn, einige der größten Hymnen zu schaffen, die die Dichter der Kirche hervorgebracht haben. Für das Proprium der hl. Messe, vorzutragen nach dem Graduale und vor dem Evangelium, verfaßt Thomas die Sequenz „Lauda, Sion, Salvatorem“ , die in 24 im Hauptteil dreizeiligen Strophen Wesen, Rang und Wirkung des Sakramentes vor Augen stellt. Das Link hier und in den folgenden Abschnitten verweisen jeweils auf die Fundstelle des Hymnus im Hymnarium, wo neben dem Text in Latein und Deutsch auch noch eine mehr oder weniger ausführliche Erläuterung angeboten wird.
Für die erste Vesper schrieb Thomas die siebenstrophige Hymne Pange Lingua, gloriosi, deren beiden Schlußstrophen als „Tantum ergo“ in der eucharistischen Liturgie eine eigenständige Rolle zugewachsen ist.
Für die Matutin verfasste er den weniger populär gewordenen sechsstrophigen Hymnus „Sacris Solemniis“, der sein Thema nachgerade in Art eines Lehrgedichtes abhandelt.
In den Laudes findet sich schließlich die Hymne „Verbum supernum prodiens“, die wieder eine stärker poetisch ausgerichtete Sprache verwendet.
Ob diese Hymnen tatsächlich speziell für das Offizium verfaßt wurden, oder ob Thomas sie aus bereits vorhandenen Texten übernahm, wissen wir nicht. Jedenfalls gibt es noch zwei weitere Hymnen Thomas mit eucharistischem Bezug, die nicht im Offizium auftauchen. Der Hymnus „Adoro te devote“ zur betrachtenden Anbetung des Allerheiligsten und das kurze Reimgebet „Ave Verum corpus natum“, das man als eine weitere Verdichtung von „Adoro te devote“ betrachten kann – nicht nur zum Gesang einer wohlausgebildeten Schola, sondern zum Memorieren für jedermann.
„Pange Lingua“, „Sacris Solemniis“ und „Verbum Supernum prodiens“ sind auch in der lateinischen Ausgabe des Liturgia Horarum für Vesper, „Officium lectionis“ und Laudes erhalten geblieben. Die deutsche Fassung des Stundenbuches (Für Fronleichnam im Netz hier zu finden) bringt zur Vesper eine theologisch und auch umfangsmäßig verkürzte deutsche Nachdichtung von „Sacris Solemniis“, in der „Lesehore“ eine wenig überzeugende deutsche Neudichtung „Geheimnis seiner Herrlichkeit“ nicht nachgewiesener Herkunft, und die Laudes präsentieren eine sehr freie aber erkennbare Nachdichtung von „Verbum Supernum prodiens“ mit der Eingangszeile „Das Wort des Vaters, Gottes Sohn“. Eine inhaltliche Würdigung, die insbesondere bei „Geheimnis seiner Herrlichkeit“ durchaus nötig scheint, wollen wir uns hier ersparen – wer glaubt, es besser zu können als Thomas von Aquin, ist selbst dran schuld.
Im Messformular des Novus Ordo sind Sequenzen der Grundanlage nach nicht mehr enthalten – wer dennoch eine der Hymnen von Thomas einbringen will, kann dafür die berüchtigte Generalrubrik „Oder ein anderes geeignetes Lied“ als Pauschalgenehmigung nutzen.
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Zum anekdotischen Abschluß des Themas noch eine Bemerkung von Papst Benedikt zur Zeile „Was du kannst, das sollst du wagen“ am Beginn der zweiten Strophe von „Lauda Sion“. Als ihm kurz nach seiner Wahl zum Papst klar wurde, daß er nicht wieder nach Bayern zurückkehren würde, erinnerte er sich etwas wehmütig an seine Bischofszeit und die Auftritte der Blasmusik bei dörflichen Fronleichnamsprozessionen: „Und manchmal wagten sie auch noch mehr, als sie konnten“.
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