Summorum Pontificum.de

Wie Carlo Acutis den Feinden von Glaube und Tradition Angst einjagt — II

04. Juli 2025

6 - Kirchenkrise

Photo einer grünen Grille auf einem Holzstück;

Dieser Grill macht auch manchmal lästige Geräusche

Andrea Grillo ist Professor für Liturgie an der Hochschule der Benediktiner von San Anselmo – das ist quasi der Think-Tank für die moderne Theologie der Liturgie im Geist des Konzils. Sein 1998 erstmals erschienenes und seitdem mehrfach aktuali­sier­tes Buch über Liturgische Fundamentaltheologie entsprach in großem Umfang den weit über die Dokumente des 2. Vatikanums hinausgehenden Vorstellungen der italienischen Progressisten und verschaffte ihm quasi über Nacht eine führende Position in der italienischen Theologie. Das ist ihm einigermaßen zu Kopf ge­stiegen, und so hat er es sich angewöhnt, in grobianischem Ton alle Leute abzukanzeln, die ihm irgendwie missfallen – wenn ihm danach ist, auch den Papst (Benedikt) oder den Präfekten der Liturgiekongregation. Seine neueste Attacke auf die eucharistische Fröm­migkeit des Carlo Acutis, die im Kulturmagazin Munera erschienen ist, gibt einen guten Eindruck von seiner Schreib- und der dahinter stehenden Denkweise.

Der erste Absatz der Schmährede auf Carlos Acutis und den überlieferten Glauben, die Andrea Grillo auf seinem Blog veröffentlicht hat, setzt den Ton – und läßt die Motive für den professoralen Zorn erkennen (Dieses und andere Zitate nach der auf Grillos Blog automatisch angebo­tenen maschinellen Übersetzung ins Deutsche. Sie ist weitgehend brauchbar – nur daß „maleducatione“ natürlich hier nicht mit „Grobheit“, sondern mit „Unbildung“ oder „Verbildung“ wiederzugeben wäre.):

Es begint ein Zitat

Wie ist es möglich, daß ein junger Seliger eine so alte, so schwerfällige, so zwanghafte, so auf das Unwesentliche konzentrierte und stattdessen das Ent­scheidende vernachlässigende Eucharistietheologie vermitteln kann? Wie ist es möglich, daß all die Fortschritte, die die Kirche in den letzten 70 Jahren im Verständnis des kirchlichen Wertes der Eucharistie und ihrer Feier gemacht hat, dem jungen, eifrigen Kommunikator auf so verzerrte Weise vermittelt wurden, daß ihm ein so mangelhaftes, so einseitiges Verständnis suggeriert wurde? Wer hat ihm dieses Interesse an „Wundern“ ermöglicht und dabei das wahre Wunder vernachlässigt?“

Nimmt man dieses Bündel von Suggestivfragen wörtlich, so fällt die Antwort ganz leicht: Carlos Acutis und zahllose andere gläubige Katholiken sowie viele Priester und Bischöfe sowie auch noch einige akademische Lehrer haben diese „Fortschritte“, die Grillo hier in den höchsten Tönen preist, schlichtweg nicht zur Kenntnis genommen. Nicht aus Denk­faulheit oder Dummheit, sondern weil sie keinen „Fortschritt“ in diesen Gedankengebil­den erkennen können und sich lieber an das halten, was der Promulgator der „neuen Liturgie“, Papst Paul VI. in seiner Ansprache zur Einführung des Novus Ordo am 19. November 1969 mit Nachdruck bekräftigt hat.

Gerade zu einem Zeitpunkt, an dem die Debatte über Traditionis Custodes, in dem die Ideen von Grillo mit der Autorität von Papst Franziskus daherkommen, ist diese Erin­nerung an die mit der Autorität von Papst Paul VI. getroffenen Aussagen überaus sinnvoll und notwendig. Ganz im Gegensatz zu Grillos Grundthese, daß durch das und seit dem Konzil grundstürzende Änderungen an der kirchlichen Lehre zur Eucharistie vorge­nom­men worden wären, hat Papst Paul damals ausgeführt:

Es begint ein Zitat

(4,5) Das Konzil hat bestimmt: „Der Meß-Ordo soll so überarbeitet werden, daß der eigentliche Sinn der einzelnen Teile und ihr wechselseitiger Zusam­menhang deutlicher hervortreten und die fromme und tätige Teilnahme der Gläubigen erleichtert werde. Deshalb sollen die Riten unter treulicher Wah­rung ihrer Substanz einfacher werden.

(11) Der Ordo und die darauf bezüglichen Rubriken (stellen) für sich keine dogmatische Definition dar. (…) Sie sind Zeichen und Ausdruck eines spiri­tuellen Vorgangs, eines lebendigen und erfahrbaren Vorgangs, hinter dem das unaussprechliche Geheimnis der göttlichen Gegenwart steht, das nicht immer in ein- und derselben Weise ausgedrückt wird. (...) Die Messe des neuen Ordo ist und bleibt die gleiche Messe, die wir immer hatten.

(12) Die Einheit des Herrenmahls und des Opfers am Kreuze in ihrer Dar­stellung und Erneuerung in der hl. Messe wird nach dem neuen Ordo ebenso unverletzlich bekräftigt und gefeiert, wie das nach dem alten Ordo der Fall war.

(13) In der neuen Ordnung werdet ihr feststellen, daß die Beziehung zwischen der Liturgie des Wortes und der Liturgie der Eucharistie im engeren Sinne deutlicher ausgedrückt wird… Ihr werdet noch weitere wunderbare Züge entdecken. Aber glaubt nicht, daß diese Dinge die Absicht haben, ihr wahres und traditionelles Wesen zu verändern.

Hier ist nicht der Ort, diese Aussagen des Papstes auf ihren Realitätsbezug damals oder heute eingehend zu untersuchen: Schon in der Konzilszeit gab es viele Theologen, die Wesen und Inhalt der Eucharistiefeier und damit der Eucharistie tatsächlich tiefgreifend ändern wollten, und dieser Änderungswille hat sich in den folgenden Jahrzehnten vor allem in Mitteleuropa flächendeckend durchgesetzt – gegen den in ihrem Lehramt expli­zit gemachten Willen Pauls VI. (insbes. Mysterium Fidei 1965) zum Ende des Konzils, Johannes Paul II. (Ecclesia de Eucharistia (2003), Papst Benedikt in der Gesetzgebung um „Summorum Pontificum) und auch von Papst Franziskus selbst.

Die Rede Grillos vom „Fortschritt“, der das Vorhergehende überholt und unhaltbar gemacht habe, ohne dabei in Irrtum zu verfallen, findet in der Lehre der Kirche keine Begründung – wohl aber im Selbstverständnis der (mitteleuropäischen) akademischen Theologie ganz allgemein und in der psychischen Situation Grillos insbesondere. Wie viele „progressive“ Theologen hat er sich im Lauf der Jahre so sehr in die eigenen Phantasien von der „Änderung“ der kirchlichen Lehre durch DAS KONZIL® hinein­gesteigert, daß er gar nicht mehr wahrnehmen kann oder will, daß diese akademischen Phantasien in der Lehre der Kirche keine bindende Grundlage haben – und daß diese Irrlehren im Lauf der Jahre im Glaubensleben vieler Katholiken nur dazu geführt haben, die zentralen Geheimnisse der Eucharistie – den erlösenden Opfertod des Herrn und seine reale Gegenwart in der Eucharistie, zu verdunkeln.

Mit der logischen Endstation Glaubenslosigkeit, die sich überall da besonders stark aus­breitet, wo die „Neue Theologie“ unter dem Schutzschild der neuen Liturgie besonders radikal durchgesetzt wurde. So wie Grillo sich das wünscht.

Der Fortschritt, von dem Grillo und Co reden, hat den Test der Zeit ganz und gar nicht bestanden. Deshalb wird er von den modernistischen Theologen und anderen, die auf diesem „Fortschritt“ eine akademische oder kirchliche Karriere oder zumindest einen bescheidenen Lebensunterhalt als Gemeindereferent*in aufgebaut haben, erbittert verteidigt.

Mit dieser Feststellung ist das Wichtigste zu Grillos „Kritik“ an Acutis’ traditionellem Eucharistieverständnis eigentlich schon gesagt – aber Grillos Tirade enthält noch ein paar weitere Passagen, die näheres Hinschauen lohnen. Da der Herr Professor den ju­gendlichen Eucharistiebegeisterten nicht für satisfaktionsfähig hält, knöpft er sich nun drei Theologen vor, die eine Art von „Vorworten“ für Acutis Website beigesteuert haben. „Wie aus einer anderen Welt“ erscheint dem (ehemaligen?) päpstlichen Hoftheologen das, was die drei Autoren (Kardinal Angelo Comastri, Bischof Raffaello Martinelli und P. Roberto Coggi O.P.) da schreiben – und damit liegt er ausnahmsweise einmal ganz richtig: Alle drei schreiben nicht im Jargon der akademischen Blase mitteleuropäischer Reform­theologen (und Luther-Nachbeter), sonder so, daß ganz gewöhnliche Katholiken etwas damit anfangen können und daß auch ohne mißbräuchlichen Bezug auf angeb­liche Neuerungen durch das Konzil erkennbar wird, daß Acutis mit den Mitteln eines sehr Jugendlichen hier von dem spricht und schreibt, was die Kirche immer und überall gelehrt hat. In der Tat: Eine andere Welt.

In wenigen kurzen Absätzen verbreitet Grillo hier so viele Unklarheiten und offen­kun­digen Unfug, daß unsereins mehrere Artikel dafür aufwenden müßte, um zumindest einige Schneisen in das Dickicht zu schlagen – aber das ist die Sache nicht wert. Deshalb hier nur ein paar besonders pikante Beispiele – etwa aus Grillos Kritik am Text von Bischof Martinelli. Der hat in seinem Beitrag geschrieben:

Es begint ein Zitat

Eucharistische Wunder können eine nützliche und fruchtbare Hilfe für unseren Glauben sein. Sie können zum Beispiel: beitragen über das Sichtbare und Sinnliche hinauszugehen und die Existenz eines Jenseits anzuerkennen.

Das ist erkennbar keine hohe Theologie, sondern ein durch und durch pastoral geprägter Ansatz – ganz von der Art, wie das ansonsten von den Progressiven immer gefordert wird Aber hier ist das Grillo nun auch wieder nicht recht. Anscheinend vermisst er eine tief­gehende pseudotheologische Diskussion über die Möglichkeit oder vorzugsweise Un­mög­lichkeit von Wundern überhaupt und schließt im Tonfall des kommandierenden Professors: „Was ist das für eine Argumentation? Sind Wunder „Anlässe“, um über etwas anderes zu sprechen?“

Dieses „Anderes“ muß man sich auf der Zunge zergehen lassen: Die Eucharistie ist der wunderbare Ort, an dem Erde und Himmel, Sinnliches und Übersinnliches sich am nächsten kommen und ineinander übergehen - und das soll etwas „Anderes“ sein, von dem im Zusammenhang mit dem Glauben an eucharistische Wunder nicht gesprochen werden darf.

In der Auseinandersetzung mit P. Roberto Coggi greift Grillo wieder auf den Taschen­spielertrick vom Anfang zurück: „Vielleicht hätte jemand den Dominikanerpater darüber informieren sollen, daß die Messbuchreform von 1970 das verändert hat, was er für die „katholische Lehre“ hält“. Und dann spricht er in seiner üblichen gewundener und kaum verständlicher Weise aus, was er für die seit 1970 einzig wahre und vom Pater leider nicht verstandene Lehre hält: Nämlich das, was er sich selbst im trauten Stuhlkreis mit seinen akademischen Spießgesellen zurechtgelegt hat. Das alleine soll gelten – und wenn die Päpste – siehe oben – hundertmal betont haben, daß es die von Grillo behauptete „Veränderung der Lehre“ nicht gegeben habe, so kann ihn das nicht im geringsten beein­drucken. Die wahre Unfehlbarkeit liegt bei den Professoren.

Warum das gegenüber einem Teil von Klerus und Gläubigen immer noch funktioniert, wäre einer eigenen Untersuchung wert. Dazu nur ein kurzer Hinweis: Der Hauptschul­dige ist der Konzilsgeist samt seiner Anhängerschaft, die diesem (Un-)Geist immer wieder erfolgreich Dinge unterstellen, die in erster Linie ihrem eigenen (Un-)Geist entsprungen sind.

Zugegeben: In den Konzilsdokumenten gibt es immer wieder Unklar­heiten und Dop­ peldeutigkeiten, die solche Unterstellungen erleichtern. Manche Pro­blemstellen wurden von interessierter Seit bewußt in die Texte eingeschmuggelt, um eben solche Umdeutun­gen zu erleichtern – die berüchtigten „Zeitbomben“ von Michael Davies. Die Päpste Johannes Paul II und Benedikt XVI haben an mehreren Stellen versucht, solche Zeit­bom­ben zu entschärfen – anscheinend nicht mit dem erforderlichen Nachdruck, wie man daraus ersehen kann, mit welcher Dreistigkeit Andrea Grillo und andere immer wieder ihre Lesart „DES KONZILS“ als unwiderlegliche Wahrheit hinstellen.

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