„Lex orandi - lex credendi“ - Nach Prosper von Aquitanien († 455) formulierter Kernsatz zur gegenseitigen Abhängigkeit von Glaube und Liturgie.
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Hochamt im Dominikaner-Ritus
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- 05. Dezember 2019
Die Hochschule der Dominikaner in Rom, das Angelicum, entwickelt sich immer mehr zu einem Stützpunkt der überlieferten Liturgie. Zweimal wöchentlich wird dort in traditioneller Form zelebriert – einmal im klassischen römischen Ritus, einmal im Eigenritus des Dominikanerordens. Zu besonderen Anlässen finden diese Zelebrationen auch in Form feierlicher gesungener Ämter statt – so am 25. November am Festtag der hl. Katharina von Alexandrien in der vom Angelicum betreuten Kirche Ss Sixtus und Dominikus unmittelbar neben dem Universitätsgelände. New Liturgical Movement hat einen ausführlichen Bildbericht
Die über 30 Aufnahmen von Don Elvir Tabakovic (Mitglied der Regularkanoniker von Windesheim, ehemaliger Berufsphotograph) geben ein eindrucksvolles Bild von der Feier der Liturgie in einem von den liturgischen Deformationen der vergangenen Jahrzehnte anscheinend unbeeinflussten Umfeld. Und sie vermitteln einen Einblick in die Besonderheiten der Dominikaner-Liturgie wie etwa bei dem von uns ausgewählten Bild der Bereitung des Kelches, die bereits zur Beginn der Messe vor dem eigentlichen Wortgottesdienst an den Sedilien vorgenommen wird. Weitere Aufnahmen zeigen die gemeinsame Darbietung von Kelch und Patene bei der Opferung und die besondere Körperhaltung des Zelebranten bei Teilen des Kanons.
Andererseits ist aber auch zu erkennen, daß die meisten Unterschiede gegenüber der „römischen“ Form doch sehr äußerlicher Art sind, so daß es unserer Ansicht nach nicht sinnvoll ist, von einem eigenen „Ritus“ der Dominikaner (oder anderer Orden) zu sprechen. Was sie alle verbindet und als Angehörige des Römischen Ritus oder der römischen Ritusfamilie kennzeichnet ist der Canon Romanus, der mit geringen Varianten (z.B. Unterschiede in den Heiligenlisten durch Aufnahme der Ordensgründer) überall der gleiche ist. Damit geben die Ordensliturgien heute noch einen guten Eindruck von der Flexibilität, die den römischen Ritus während weiter Teile des späteren Mittelalters kennzeichnete: Der Kanon war – von den genannten Varianten abgesehen – überall der gleiche, bei den auf ihn zu führenden Elementen gab es beträchtliche Unterschiede in Wortlaut und Anordnung. Die Auswahl der Lesungen stimmte wiederum weitgehend überein, wurde jedoch durch die reichen Möglichkeiten von Lokal- oder Ordensfesten und Votivmessen stark aufgelockert.
Wenn heute in der Praxis des Novus Ordo unverkennbar die Tendenz besteht, den Kanon Romanus zugunsten der vor 50 Jahren legalisierten Alternativen aufzugeben, muß man darin wohl das entscheidende Indiz dafür sehen, daß diese Liturgie dem römischen Ritus nicht mehr angehören soll und einen neuen Ritus begründet.
„Die Liturgie beten“
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- 04. Dezember 2019
Auf einer liturgischen Konferenz im Thomas-Aquinas-College hat Dom Alcuin Reid im November einen Vortrag „Praying the Liturgy“ gehalten. Das Audio ist im Netz abrufbar. Eine von Reid selbst verfaßte Zusammenfassung wurde am 3. Dezember auf New Liturgical Movement veröffentlicht – wie haben sie ins Deutsche übersetzt:
Die heilige Liturgie ist keine Aktivität wie andere. Sie hat ihre eigene Sprache – zumindest hatte sie das einmal. Aber diese Sprache besteht nicht zuerst und hauptsächlich aus Worten. Es ist eine der Paradoxien unserer Zeit, daß die Einführung der Umgangssprache dazu geführt hat, daß wir die Liturgie in erster Linie als gesprochenen und unmittelbar verständlichen Text betrachten. Ganze Generationen haben so die Erwartung entwickelt, daß alles in der Liturgie so verständlich und unmittelbar wäre wie all die Nachrichten oder Information, die sie im Druck oder auf dem Bildschirm und ihren Smartphones erhalten.
Sicher, die Riten der Liturgie sind mit Worten verbunden, und ihre Bedeutung sollte letztlich von unserer Verständnisfähigkeit erfasst werden können – im Fall der Verwendung des Latein mit Hilfe eines muttersprachlichen Missales oder Messbegleiters. Aber in unserer mit Sprache durchtränkten Gesellschaft haben wir vielleicht vergessen, daß die Liturgie primär ein Tun und nicht ein Gespräch ist. Die Liturgie ist nicht die Menge der Wörter, die man uns vorliest, oder die wir selber lesen. Sie ist ein Ritus, ein Komplex von Handlungen, Gesten und Tönen in einer bestimmten Ordnung. Ja – da ist auch Sprache beteiligt – aber der liturgische Gebrauch der Sprache übersteigt die zielgerichtete Mitteilung von Informationen und Ideen, wie wir sie gewohnt sind.
In der Liturgie ist nicht allein das, was gesagt wird, von Bedeutung – eher kommt es darauf an, was getan wird.
Re-Import aus Afrika
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- 02. Dezember 2019
„An diesem 1. Adventssonntag hat Papst Franziskus mit der kongolesischen Gemeinde in Rom einen Gottesdienst im sogenannten „Zairischen Messritus“ gefeiert“. So wird es von Vatican News gemeldet und von zahllosen Webseiten, darunter auch schon Wikipedia wiederholt – und so ist es allem Anschein nach eine Falschmeldung, wie sie im Bilderbuch steht.
Und das ist durchaus erfreulich: Das 1988 von Rom approbierte Messbuch für die Diözesen von Zaire enthält einen Ritus mit höchst problematischen Elementen (unter anderem traditioneller Ahnenverehrung und Häuptlingsrollen), die immer wieder den Widerspruch katholischer Theologen herausgefordert haben: Es ist durchaus strittig, ob in diesem Missale der katholische Glaube in ein afrikanisches Gewand „inkulturiert“ - oder durch die Überwucherung mit heidnischen Elementen zur Unkenntlichkeit entstellt wurde. Inwieweit dieser „zairische Messritus“ gegenwärtig überhaupt irgendwo, so, wie er im Buche steht, praktiziert wird, war bei einer ersten Recherche nicht zu ermitteln.
Die – wegen diverser Sprachhürden für uns freilich nur bedingt aussagekräftige – Videoaufzeichnung vermittelte eher das Bild einer folklore-mäßig aufgepeppten Messfeier, wie sie auch anderswo im Rahmen der Flexibilität des Novus Ordo gefeiert werden könnte. Kostümierung und Prozessions-Dramaturgie, das haben wir bereits unter Marini I. gelernt, sind je nach den lokalen Vorlieben gestaltbar, und Gloria oder Credo kann man auch in Idar-Oberstein durch „ein anderes geeignetes Lied“ ersetzen.
Den wenig respektvollen Begriff „aufgepeppt“ sollte man übrigens nicht allzu wörtlich verstehen: die afrikanischen Gesänge und die Art ihres Vortrages in Rom entsprachen eher dem Bild, das sich seinerzeit Willy Moll aus Stommeln von afrikanischen Gesängen gemacht hat. In afrika-afrikanischen Gottesdiensten, hier zu Weihnachten in St. Alphonse Matete in Kinshasa geht es da schon etwas peppiger zu – neben der Musik haben uns besonders die Zeremonialspeere beeindruckt, die dort wohl etwa zur gleichen Zeit in die Liturgie eingeführt wurden, wie im Petersdom die Flabella verschwanden.
Die Liturgie von Kinshasa ist von hier aus nicht zu be- oder gar zu verurteilen. Der Versuch, einzelne Elemente davon in den Petersdom zu re-inkulturieren, kann jedoch nur Kopfschütteln auslösen: Hier wird ein Mischmasch präsentiert, der sich bestenfalls als Demonstration von Weltoffenheit und Willkommens„kultur“ interpretieren läßt. Von wirklicher Kultur bleibt dabei aus beiden Traditionen nicht mehr viel übrig, und von Gottesdienst?
Paul VI. - Papst der Widersprüche
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- 29. November 2019
Der Name Pauls VI. wird in der Kirchengeschichte wohl auf immer mit „seiner“ Liturgiereform verbunden sein, deren Scheitern von Jahr zu Jahr deutlicher erkennbar wird. Es wäre jedoch ungerecht und verfehlt, sein Gedächtnis darauf zu reduzieren. In seinen Enzykliken – und nicht nur in der als „Pillenenzyklika“ geschmähten Humanæ Vitæ – hat er die Lehre der Kirche, auch und insbesondere die Lehre von den Sakramenten und der Eucharistie – in großer Klarheit dargelegt und kraftvoll verteidigt. Hier eine Aufstellung der wichtigsten Texte. Allerdings hat ihn der Sturm des weltweiten Widerspruchs und auch des innerkirchlichen Ungehorsams, den Humanæ Vitæ (veröffentlicht 25. Juli 1968 im 5. Jahre seines Pontifikats) ausgelöst hatte, so erschüttert, daß er in den dann noch folgenden 10 Jahren seines Pontifikats keine weitere Enzyklika geschrieben hat. Es gibt Spekulationen, nach denen in dieser Erschütterung der Grund dafür sehen ist, daß er bei der Liturgiereform den vermeintlichen Anforderungen der Moderne so weit entgegen gekommen ist.
Neben den speziellen Themen gewidmeten Enzykliken ist von besonderer Bedeutung das „Credo des Gottesvolkes“ (CdG), das auf Pauls VI. Anregung verfaßt, von ihm im Juni 1968 feierlich verkündet und schließlich auch noch als „Motu Proprio“ in den Akten des Apostolischen Stuhles veröffentlicht wurde. In Deutschland wurde es wegen seiner Bekräftigung katholischer Glaubenswahrheiten von der Theologie und von der Seelsorge praktisch nicht zur Kenntnis genommen. Hier der Text. In Anlehnung an die Ordnung der traditionellen Glaubensbekenntnisse werden in diesem Dokument die Grundwahrheiten des Glaubens ausführlicher dargelegt und durch Passagen zu einigen der Zeit entsprechenden (Streit-)Fragen ergänzt.
Einige davon sollen hier hervorgehoben werden:
Die Konstitution Missale Romanum
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- 28. November 2019
Rechtsgrundlage für das Inkrafttreten der „erneuerten Liturgie“ ist die Apostolische Konstitution „Missale Romanum“ Papst Pauls VI. vom 3. April, die als Termin den 1. Adventssonntag – das war 1969 der 30. November – bestimmte. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Konstitution gab es noch in keiner Sprache ein vollständiges Missale nach dem „Novus Ordo“ Das war absehbar (und tatsächlich) auch für den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Fall, weshalb die Ritenkongregation umfangreiche Behelfsbestimmungen für erforderliche Übergangszeiten erließ, auf die der Papst in seiner Ansprache vom 26. 11. dann auch ausdrücklich hinwies. Da das Dokument auch in deutscher Sprache leicht erreichbar und relativ gut bekannt ist, verzichten wir darauf, es hier noch einmal wiederzugeben.
Inhaltlich gliedert sich der Rechtsakt zur Einführung des neuen noch nicht existierenden Missales in drei Teile:
Der erste versucht, den neuen Ordo in die liturgische Tradition der Kirche zu stellen und hebt dabei insbesondere das Wirken der „liturgischen Bewegung“ der vorausgehenden Jahrzehnte hervor. Ausdrücklich bezieht das Dokument sich auf die bereits unter Pius XII. erfolgten Reformen, denen Paul VI. bescheinigt, sie hätten bereits „einen ersten Schritt“ getan, „um das Römische Meßbuch dem Empfinden unserer Zeit anzupassen.“ Insbesondere beruft sich die Konstitution auf die Konilskonstitution Sacrosanctum Concilium, deren Vorgaben im Neuen Ordo umgesetzt worden seien.
Der zweite ausführlichere Teil enthält eine Aufstellung der von Paul VI. für besonders erwähnenswert gehaltenen Änderungen. Als bedeutendste hebt er die Vermehrung der Zahl der Präfationen und der eucharistischen Hochgebete hervor, die zukünftig zusammen das eigentliche Hochgebet, den Kanon, bilden sollten. Die in diesem Zusammenhang verfügte Änderung der Wandlungsworte des bisherigen Kanons begründet er mit „pastoralen Erwägungen“, um die Einheitlichkeit in sämtlichen Hochgebeten zu sichern. Ein gutes Beispiel einer für sich durchaus nachvollziehbare Änderung – die aber gar nicht erforderlich geworden wäre, wenn man andere Änderungen (die Vermehrung der Hochgebete und die Hervorhebung der Konzelebration) gar nicht erst eingeführt hätte.
Es folgen dann eine Reihe weiterer Reformmaßnahmen, die der Papst durch die wörtliche oder sinngemäße Zitierung entsprechender „Aufträge“ der Konzilskonstitution beschreibt und begründet.
Der Schluß enthält noch einmal eine Berufung auf die Tradition seit Trient und den Auftrag des Konzils und gibt der Hoffnung Ausdruck, daß das neue Missale „von den Gläubigen als eine Hilfe zur gegenseitigen Bezeugung und Stärkung der Einheit angenommen“ werde, so daß „in der Mannigfaltigkeit vieler Sprachen aus den Herzen aller ein und dasselbe Gebet … zum himmlischen Vater durch unseren Hohenpriester Jesus Christus im Heiligen Geiste emporsteige“.
Paul VI. zum Novus Ordo - IV
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- 26. November 2019
Der zweite Teil der Ansprache Pauls VI. vom 26. November 1969 (hier der Text) handelt im wesentlichen von der Ersetzung der lateinischen Liturgiesprache durch die gesprochene Umgangssprache. „Gesprochene Umgangssprache“ - das ist dem Papst wichtig (8). Es geht also nicht nur um die Aufgabe einer Kommunikationssprache, die nicht mehr verstanden wird und dadurch „unkommunikativ“ geworden ist - als ob jemals die Mehrzahl der Messbesucher Latein verstanden hätte. Es geht um die Aufgabe des Prinzips der Sakralsprache überhaupt, denn dieses Prinzip entspricht nicht mehr den Wertvorstellungen des „modernen Menschen“, der so viel Wert auf eine Sprache legt, „die man leicht versteht und im alltäglichen Gespräch verwenden kann.“ (11) Darin sieht der Papst „eine Barriere … gegenüber der Welt der Arbeit und der Geschäfte“ (12), und diese Barriere will er um jeden Preis niederreißen. Dazu ist er zu jedem Opfer bereit. Zur Aufgabe des „unvergleichlichen künstlerischen und spirituellen Gebildes, der Gregorianik“ (8), ja sogar der „Sprache der Engel“ (9), die er doch als eine „göttliche Sprache“ (12) bezeichnet.
Das ist natürlich Unsinn. Wenn man schon dem Himmel eine Sprache andichten will, könnten das Griechische, das einige Apostel und als Fremdsprache auch Jesus selbst sprachen, und natürlich das Hebräische ältere Ansprüche anmelden. Es geht um das Prinzip der Liturgiesprache: Weder das Hebräische des Tempels, noch das Latein der Orationen nach dem Übergang vom Griechischen noch das „Kirchenslavisch“ der Byzantiner waren jemals die „Umgangssprache der Welt der Arbeit und der Geschäfte“, und auch das Englisch des Book of Common Prayers und seines Nachfolgers beim Ordinariat von Walsingham ist nicht das Englisch, in dem im 16. Jahrhundert oder heute Geschäfte abgeschlossen werden.
Die Behauptung, daß eine Sakralsprache eine Barriere (12) vor dem Zugang zum Gottesdienst bildet, ist Ausdruck einer Ideologie, die die ganze Liturgiereform geprägt hat. In ihrem im Prinzip ja anerkennenswerten Bestreben, die Menschen dort „abzuholen, wo sie stehen“, stellt sie sich genau dazu – und bleibt dort stehen, denn alles andere würde ja das Überwinden von Barrieren, von tief eingewurzelten Ansichten und Gewohnheiten erfordern, und das hält diese Ideologie anscheinend für unzumutbar oder sogar unmöglich. Sie scheut den mühevollen Aufstieg zum Heiligen Berg Gottes, den die Juden in den hebräischen Psalmen besangen, als längst Aramäisch (oder eben Griechisch) ihre Umgangssprache geworden war. Schneller als zur Zeit der Liturgiereform selbst von den „Unglückspropheten“ (Johannes XXIII. 1962) erwartet, ist mit dieser Schonpastoral nicht nur die Mühe des Aufstiegs zum Heiligen Berg, sondern dieser Heilige Berg selbst aus dem Blick geraten.