Kirche in der Grauzone
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- 22. November 2016
Die am gestrigen Montag erfolgte Veröffentlichung von Misericordia et misera (Text hier) blieb ohne die von einigen erhofften, von anderen befürchteten sensationellen Verfügungen zur Priesterbruderschaft Pius X. Auf die Bruderschaft bezieht sich genau ein Absatz, in dem es heißt:
Im Jubiläumsjahr hatte ich den Gläubigen, die aus verschiedenen Gründen die von den Priestern der Bruderschaft St. Pius X. betreuten Kirchen besuchen, gewährt, gültig und erlaubt die sakramentale Lossprechung ihrer Sünden zu empfangen.15 Für das pastorale Wohl dieser Gläubigen und im Vertrauen auf den guten Willen ihrer Priester, dass mit der Hilfe Gottes die volle Gemeinschaft in der Katholischen Kirche wiedererlangt werden kann, setze ich aus eigenem Entschluss fest, diese Vollmacht über den Zeitraum des Jubeljahres hinaus auszudehnen, bis diesbezüglich neue Verfügungen ergehen.
Das kann man fast ohne Einschränkung begrüßen. Die Bestimmung löst die Zweifel, denen sich manche Mitglieder von Bruderschafts-Gemeinden oder Besucher ihrer Gottesdienste bisher ausgesetzt gesehen haben mögen. Und sie entzieht jedem dummen Geschwätz von den „schismatischen Piusbrüdern“ den Boden. Die Bruderschaft hat nie einen Zweifel daran gelassen, daß sie den Papst trotz Kritik an einzelnen Maßnahmen als Papst anerkennt – und der Papst hat spätestens mit dieser Anordnung klargestellt, daß er die Bruderschaft als einen Teil der Kirchenstruktur betrachtet, in dem er etwas anzuordnen hat. Wenn es nach der Logik geht, sollte sich damit auch die Annahme erübrigt haben, die Priester von Pius seinen zwar gültig geweiht, aber automatisch suspendiert und daher von der Ausübung priesterlicher Funktionen ausgeschlossen.
Fast ohne Einschränkung – denn da bleibt eine Grauzone. Die Erklärung zu Beginn des „Jahres der Barmherzigkeit“ hatte noch sehr gewunden nur von einer „Gewährung“ für die Gläubigen gesprochen, ohne die Priester als Spender des Sakraments selbst zu benennen. Jetzt ist ausdrücklich von einer ihnen gewährten Vollmacht die Rede – das hellt die Grauzone zumindest etwas auf, und das ist nur zu begrüßen.
Damit ist klar, daß die Bruderschaft und ihre Priester für Rom offiziell zur verfassten Kirche gehöen, nicht nur zur „Gemeinschaft der Getauften“ oder was dergleichen Formeln mehr sind. Gleichzeitig bleibt es offensichtlich dabei, daß diese Zugehörigkeit nicht in allem den üblichen Regularien entspricht – um nicht gleich zu sagen: irregulär ist. Das mag aus der Sicht dieses Pontifikats, in dem Regularien weniger gelten, nicht so erheblich sein, bleibt aber bis auf weiteres Streitpunkt und Reibungsfläche für Auseinandersetzungen. Auf lokaler Ebene sowieso, wo die Tätigkeit der Bruderschaft in den Diözesen nach wie vor ungeregelt und oft konfliktbehaftet ist. Aber auch auf gesamtkirchlicher Ebene, was sich spätestens dann manifestieren wird, wenn die Bruderschaft eines nicht allzu fernen Tages einen oder mehrere neue Bischöfe benötigt und Rom wie schon einmal keine Anstalten machen sollte, dieser Notwendigkeit zu entsprechen. Soll dann erneut ein vielleicht wieder 40-jähriger Zyklus von Exkommunikation und schrittweiser Wiederannäherung einsetzen?
In den Gesprächen mit China zeigt dieses Pontifikat – wie zu Zeiten des Stalinismus schon seine Vorgänger – eine gewisse Bereitschaft, Grauzonen auch in der zentralen Strukturfrage von Bischofsernennung hinzunehmen. Das ist kritikwürdig, aber vielleicht auch unumgänglich. Mag sein, daß sich die Piusbruderschaft auf unabsehbare Dauer in einer solchen Grauzone einrichten muß, bis die Kirche eines Tages einmal wieder zu der Kraft und Klarheit zurückfindet, die als einzige ihrem göttlichen Wesen angemessen sind.
Rücktritt in Mariawald
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- 27. Oktober 2016
Unter Datum vom 25. Oktober hat Abt Josef Vollberg OCSO von Mariawald mitgeteilt, daß er sein Amt mit Ablauf dieses Kirchenjahres niederlegen wird. Ab dem 1. Adventssonntag wird er dann auf Anordnung der Ordensleitung als Prior weiterhin Ortsoberer im Kloster sein, die kanonische Leitungsgewalt wird dann beim Abt des Klosters in Tilburg, Dom Bernardus, liegen. Abt Vollberg zieht mit seinem Schritt die Konsequenz aus einer im Rahmen der letzten Visitation ermittelten Bestandsaufnahme der Situation in Mariawald. Diese ist nach wie vor davon geprägt, daß die meisten Anghörigen des kleinen Konvents der alten bis sehr alten Generation angehören, die der Rückwendung zu den liturgischen und monastischen Traditionen des Ordens skeptisch bis ablehnend gegenübersteht. Sie sind teils nicht bereit, teils nicht fähig, die Wiederbelebung des zisterziensischen Ordenslebens in Mariawald - als deren Motor sie Abt Vollberg ursprünglich gewollt und gewählt hatten - in der erforderlichen Weise zu unterstützen.
Wie der Abt in seiner gestrigen Erklärung mitteilt, bedeutet sein Schritt zumindest auf kürzere Sicht nicht das Ende des unter seiner Verantwortung eingeschlagenen Weges.
Durch die Neuordnung erhalten wir in Mariawald die Möglichkeit, für die älteren Mitbrüder, wenn es die Situation verlangt, durch Hilfe von Dom Bernardus besser zu sorgen. Die jüngeren Mitbrüder haben ausdrücklich den Segen und die wohlwollende Zustimmung des Immediaten, mit mir als Prior den Weg der Tradition weiterzugehen. Auch hier wird Dom Bernardus, wenn es nötig oder gewünscht ist, mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Mariawald bleibt als Abtei erhalten. Durch die zusätzliche Hilfe wird es neuen Kandidaten für das Ordensleben leichter, ihrer Berufung zu folgen.
Alle Freunde der Abtei bitte ich, die Neuorientierung als Maßnahme für eine besser gesicherte Zukunft unserer geliebten Abtei zu begrüßen und durch ihr Gebet zu begleiten.
Diesem Appell schließen wir uns aus ganzem Herzen an und geben ihn hier gerne weiter.
Spaltung und Neubeginn
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- 19. Oktober 2016
Im Vergangenen Monat sprach Bischof deGalaretta von der Piusbruderschaft unter Berufung auf die anhaltende Notsituation in der Kirche die Anerkennung einer Gruppe von Franziskanerinnen in Guatemal als offizielle Gemeinschaft innerhalb der Piusbruderschaft aus. Damit hat ein langjähriger und für alle Beteiligten überaus schmerzhafter Prozess sein vorläufiges Ende gefunden. Er verdient insoweit auch im entfernten Europa Beachtung, als er ein Beispiel für die Entschlossenheit bietet, mit der das kirchliche Establishment jede Rückwendung zur Tradition in seinem Einflussbereich zu verhindern sucht – und ebenso für die Entschlossenheit vieler Neuentdecker der Tradition, sich ihren Weg von niemandem verbauen zu lassen.
Die derzeit sieben Schwestern der neuen Gemeinschaft gehörten ursprünglich zu einer Gemeinschaft von Franziskanerinnen, die in Quetzaltenango, mit 140 000 Einwohnern zweitgrößte Stadt des Landes, ein Kinderheim für schwer behinderte und von ihren Eltern verlassene Kinder betreute. Ihre tägliche Arbeit gab den Angehörigen des Konvents viele Anstöße, über ihren Glauben, ihre Kirche und das Verhältnis zur Welt nachzudenken – das Ergebnis war, daß sie sich seit der Promulgation von Summorum Pontificum immer stärker der überlieferten Lehre und Liturgie der Kirche zuwandten. Durchaus zum Missvergnügen des Ortsbischofs, aber auch einiger Schwestern der Gemeinschaft selbst.
In einem Vorgehen, das fast wie ein Probelauf zur späteren Zerschlagung der Franziskaner der Immakulata im Weltmaßstab erscheint, versuchte die Ordensleitung, die Entwicklung wieder in ihrem Sinne zu kontrollieren. Die Superiorin wurde ihrer Position enthoben, die „Rädelsführerinnen“ wurden einzeln an verschiedene andere Niederlassungen der Gemeinschaft versetzt. Eine Maßnahme, die im Zeitalter digitaler Kommunikation freilich keinen durchschlagenden Erfolg verspricht. Die Schwestern blieben in Verbindung, und sieben von ihnen übersiedelten dann im Herbst 2012 in Räumlichkeiten des Exerzitienhauses der Piusbruderschaft in Guatemala City. Dort übernahmen sie zunächst die Hauswirtschaft sowie Feld- und Gartenarbeiten, darüberhinaus betreuten sie einige von ihrer Lebenweise und Orientierung angezogene Postulantinnen. Im Übrigen arbeiteten sie am Entwurf einer Zukunft für die so aus dem bisherigen sicheren Rahmen – das Kinderhaus in Quetzaltenago ist finanziell gut ausgestattet – herauskatapultierte Gruppe. Mit der Konstituierung als Gemeinschaft innerhalb der Piusbruderschaft ist damit ein wichtiger Punkt erreicht. Allerdings nur ein Ausgangspunkt für das große Ziel: Erichtung eines Heims für behinderte Kinder in Quetzaltenago.
Ausführliche Informationen zum Thema bietet The Remnant.
Vor der Einigung mit Pius?
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- 07. September 2016
Katholisch.de - also die offizielle Seite der deutsch-katholischen Kirche - veröffentlichte am 6. 9. einen zusammenfassenden Bericht über eine Rede von Bischof Fellay Ende letzten Monats in Neuseeland. Der Bericht erscheint auf den ersten Blick ungewöhnlich sachlich - seine inhaltliche Richtigkeit können wir derzeit nicht überprüfen, da uns der Text der Rede nicht vorliegt. Zitat nach katholisch.de:
Im Juli hatte der Vatikan der bislang nicht offiziell anerkannten Gruppierung den Status einer sogenannten Personalprälatur innerhalb der Kirche in Aussicht gestellt. Das sei "so etwas wie eine 'Superdiözese', unabhängig von den Ortsbischöfen", erklärte Fellay. Demnach solle die Prälatur von einem Bischof geleitet werden, den der Papst – ähnlich wie bei der Ernennung von Diözesanbischöfen – aus einer Vorschlagsliste der Bruderschaft auswählt. Der Bischof habe auch das Recht, Schulen und Priesterseminare zu betreiben, sowie Gesellschaften des geweihten Lebens anzuerkennen. "In anderen Worten: keine Änderung für Euch", sagte Fellay den Zuhörern seines Vortrags in der Pfarrei der Piusbrüder. "Alles, was sich mit der Anerkennung (durch den Vatikan) verändern wird, ist, dass Ihr dann Katholiken seid."
Es ist nicht nur die Wiedergabe des letzten Satzes, die hier Zweifel weckt. Schließlich besteht die Bruderschaft energisch darauf, daß sie Katholiken sind, auch ohne Regularisierung. Und dann natürlich das gesamtkirchliche Umfeld, nicht nur die speziuelle Lage in Deutschland. Ebenfalls am gestrigen Tage veröffentlichte Sandro Magister einen Beitrag, der nachzeichnet, wie die vom Papst ernannte Bischöfe Süditaliens den dort seit vielen Jahrhunderten ansässigen mit Rom in Einheit stehenden Gemeinden mit orientalischem Ritus - ursprünglich Flüchtlinge aus dem islamisch besetzten Balkan - das Leben schwer machen und ihre Identität zerstören wollen. Zweifel daran, daß Rom den Katholiken der Tradition einen sicheren Hafen innerhalb der sonst überall auf (angeblichen) Konzilskurs getrimmten Kirche einräumen wollte, sind nicht von der Hand zu weisen.
So bleibt der auch von früheren Erfahrungen her naheliegende Verdacht, die Redaktion von katholisch.de wolle in dem von ihr erreichten progressiven Umfeld einen „Aufschrei“ auslösen, der die Gespräche zwischen Pius und Vatikan, welchen Status sie auch immer erreicht haben mögen, stört oder endgültig zum Scheitern bringt. Eine 'Superdiözese' der oben skizzierten Art wirft nicht nur objektive kirchenrechtliche Probleme auf - sie wäre auch für die deutsch-katholische Mehrheit der Bischöfe hierzulande kirchenpolitisch kaum erträglich.
Diakonenweihen bei Petrus
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- 09. Mai 2016
Auf dem (französischsprachigen) Blog Seminaire Saint-Pierre Wigratzbad fanden wir Bilder und einen kurzen Bericht von der am 7. Mai in der Pfarrkirche von Gestratz (20 Minuten vom Seminar entfernt) vorgenommenen Diakonenweihe der Bruderschaft. Weihender Bischof war Mgr. Francois Bacque, ehemaliger apostolischer Nuntius in den Niederlanden. Geweiht und damit auch voll in die Bruderschaft aufgenommen wurden 11 Priesteramtskandidaten: Sechs Franzosen, zwei Tschechen, je ein Deutscher, Pole und Russe. Zwei der neuen Diakone, die bereits ihre Studien abgeschlossen haben, werden im Herbst die Priesterweihe empfangen; die anderen im nächsten Jahr. Bereits im März waren zwölf Seminaristen des amerikanischen Seminars der Bruderschaft in Denton, Nebraska, zu Diakonen geweiht worden. Mit insgesamt 23 neuen Diakonen verdoppelt die Petrusbruderschaft nahezu ihren üblichen Jahresdurchschnitt.