Liturgie des lebendigen Wortes
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- 04. Juni 2014
Liturgische Missbräuche nehmen wieder zu. Ballet vor dem Hochaltar in Osnabrück, beschwingter „tanGOttesdienst“ in Oberösterreich, Markus-Krauth-Festspiele in Aschaffenburg, Veni-Video-Messe in Regensburg - wir ersparen uns die Links und die Einzelkritik an diesem Unfug. Statt dessen soll Fr. Dwight Longenecker, Pfarrer und Schriftsteller in Greenville, South Carolina, zu Wort kommen, der vor einigen Tagen auf seinem Blog Standing on my Head berichtete, warum er einmal in der Woche „ad dominum“ zelebriert - und was dabei geschehen kann.
Manchmal öffnet sich inmitten meines überaus geschäftigen Lebens eine Tür, und ich sehe plötzlich etwas von dem, worauf es wirklich ankommt. Das geschieht oft an einem Mittwoch. Am Mittwoch Abend höre ich zuerst Beichten und feiere dann die hl. Messe, und zwar zelebriere ich dann ad orientem – das ist das einzige Mal in der Woche.
Dabei schaue ich während der Zelebration in die gleiche Richtung wie die Gläubigen, weil ich mich ihnen dann tatsächlich näher fühle. Und ich fühle mich näher zu Gott.
Die meisten Messen zelebriere ich dem Volk zugewandt, aber ich muß zugeben, so sehr ich mich dagegen wehre, fühle ich mich dann immer wie auf einer Bühne, als wäre ich eine Art Animateur. Wenn ich auf der anderen Seite des Altars stehe und mich zusammen mit den Gläubigen dem Herrn zuwende erscheint mir meine eigene Feier der Messeintimer und mystischer. Ich fühle, daß ich mich dann besser auf den Herrn und das, was da geschieht, konzentrieren kann. Wenn ich weinen muß, kann ich das tun, ohne daß die Gläubigen es sehen. Wenn ich eine Pause einlege, um zu beten, geht das, ohne mich zu sorgen, was die Leute denken.
Als ich am Mittwoch dieser Woche so die hl. Messe feierte, hatte ich eine Erfahrung außerordentlicher Bewußtheit. Während ich die Worte des Missales las, erschienen diese Worte selbst höchst real und lebendig. Ich kann nicht erklären, was ich sah, außer daß die Worte wie von ihrer Bedeutung erfüllt waren. Die Wörter auf der Seite standen klar und deutlich da, und das machte jede Lehre und jede Wahrheit klar und deutlich. Es war, als ob jedes Wort und sogar jeder Buchstabe kosmische Bedeutung ausstrahlte. Weniger, daß die Wörter als solche lebendig waren, sondern daß die zeitlose Bedeutung und die Wahrheit, die sie mitteilten, lebendig waren und vor Bedeutung pulsierten, belebt von einer Bedeutung, die so weit über mir stand wie die Sterne und mir doch so nahe war wie mein Atem.
Dann dachte ich an den geheimnisvollen Sinn der Worte „Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort ... und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt."
Es war, als ob dieses ewige Geheimnis der Inkarnation sich mit dem bloßen Aussprechen dieser Worte wieder verwirklichte. Irgendetwas geschah, es kam zu einem Austausch twischen dieser Welt und der Ewigkeit. Die Worte und Handlungen der Liturgie wurden lebendig, wie ich weiß, daß sie immer lebendig werden, auch wenn ich das oft nicht wahrnehme.
Nach der Messe erkannte ich dann wie vom Donner gerührt, warum es so wichtig ist, „das Schwarze zu sagen und das Rote zu tun", Fr. Zuhlsdorf es ausdrückt. Der Priester ist Diener der Liturgie. Die Liturgie ist nicht Dienerin des Priesters. Erst wenn ich mich ganz der Liturgie unterwerfe, die Liturgie lebe und sie durch mich leben lassen, entfaltet sie ihre eigentlichste Bedeutung. Deshalb ist es ein so großer Fehler und ein solcher Mißbrauch, wenn Priester versuchen, der Liturgie dadurch „Bedeutung zu verleihen", daß sie ihre eigene Betonung, ihre eigenen Kommentare und ihre eigene heillose Persönlichkeit überstülpen: Die feststehenden Formen der Handlungen, die Schlichtheit der Gesten und die Würde der Worte stehen für sich selbst und lassen das Geheimnis erspüren.
Denn es ist das Geheimnis der Menschwerdung, das immer wieder auf dem Altar Gottes lebendig wird. Jetzt nicht in menschlichem Fleisch, sondern doch in menschlichem Fleisch unter der Erscheinung von Brot und Wein, und es ist dieses Echo der Inkarnation, das die ganze Welt auf die Knie nötigt und die Welt weiterbestehen läßt, denn ohne dieses Echo wäre gott weiter von der Welt entfernt, aber mit ihm, ist Gott unter uns gegenwärtig, und der Eine, der in Palästina Mensch geworden ist, lebt heute in Brot und Wein.