Bereichsnavigation Themen:

„Stille Messe des Papstes“

Kollege „Radtrad“ hat bei den im Netz zugänglichen Bildern von päpstlichen Weihezeremonien – rechts ein Beispiel – beobachtet, daß frühere Päpste Priester- und sogar Bischofsweihen vielfach nicht im Rahmen einer feierlichen Papstmesse, sondern innerhalb einer „stillen Messe des Bischofs“ vorgenommen haben – teils in der Peterskirche, teils auch in der Sixtina. Das ist insoweit erstaunlich, als die Päpste ja solche Weihen nur zu wenigen Gelegenheiten im Jahr vornahmen, wenn es darum ging, einen bestimmten Festtagsgedanken oder wohl auch bestimmte Weihekandidaten auf besondere Weise hervorzuheben. Das in Form einer „stillen Messe“ zu tun, erscheint einigermaßen widersprüchlich.

Auf der anderen Seite ist freilich zu bedenken, daß die bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts übliche Form der feierlichen Papstmesse alle Beteiligten vor enorme Herausforderungen stellte: Das aus dem Barock überkommene Protokoll verlangte die Beteiligung des ganzen päpstlichen Hofstaats mit seinen zahllosen geistlichen Ämtern und Titelträgern. Diese Messe erforderte, wie Ulrich Nersinger schreibt, „eine nicht unbeträchtliche Vorbereitung, ein hohes Aufgebot an Mitwirkenden und eine bis ins Detail geplante 'Choreographie'. Sie war keine Liturgie, die beliebig oft gefeiert werden konnte. In Persona zelebrierte sie der Papst nur wenige Male im Jahr“.

Daß der Papst deshalb meistens „privat“ zelebrierte, ist daher verständlich. Daß diese Form auch zu wichtigen Anlässen gewählt wurde, deutet aber nicht nur darauf hin, daß praktische Gesichtspunkte ihr Gewicht geltend machten. Es ist wohl auch ein Anzeichen dafür, daß auch in Rom und im Vatikan das Bewußtsein dafür geschwunden war, daß das Pontifikalamt am Thron bzw. das levitierte Hochamt die Grund- und Standardform des römischen Ritus darstellt. An deren Stelle hatte sich ganz allgemein die „Missa lecta“ etabliert – die Wahl der Vollform war zu einer Frage geworden, die praktischen Erwägungen untergeordnet werden konnte.

Damit war offenbar schon Ende des 19., Anfang des 20. Jh. eine wichtige Voraussetzung für die spätere rücksichtslose „Generalsanierung“ bei der Liturgiereform gegeben.

Gottes neue Kleider

Direkt zum Artikel von Guido Rodheudt

'Himmlisches Jerusalem' von Jacques Gassmann in der Augustinerkirche WürzburgDie Entscheidung, die Vorträge des Würzburger Liturgiekongresses in der neugestylten Augustinerkirche stattfinden zu lassen, muß als außerordentlich glücklich angesehen werden. Nicht nur, weil sie den „multifunktionalen“ Charakter der Raumeinrichtung beim Wort nimmt und praktisch unterstreicht. Die gebaute Häresie der Anlage harmonierte zweifellos auch aufs Glücklichste mit dem Inhalt der meisten Vorträge, wenn wir uns auch nur ein wenig an das halten können, was wir aus dieser Richtung an liturgologischem Neusprech  vernehmen dürfen.

Daß und wie man Häresie bauen kann, hat Dr. Guido Rodheudt in der Juli-Ausgabe des Vatican-Magazin in mehrfacher Hinsicht dargestellt - wir zitieren hier zunächst eine seiner Kernaussagen, die sich erfreulicherweise ganz konkret auf das Beispiel der Augustinerkirche bezieht:

Hier in Würzburg kulminiert wie in einem Brennglas die Ideologisierung der zeitgenössischen Kirchenraumgestaltung, die den bisherigen Orten realer Gottesbegegnung eine neue Bedeutung unterschiebt und sie zu Stätten des Menschenkultes macht, dem Gott – man muß befürchten nicht als Realität, sondern als Chiffre – untergeordnet wird.

Es kann daran eine Quasiregel zeitgenössischer Kirchenraumgestaltung aufgestellt werden: Die Abstraktion in der Kunst, die den Betrachter zum Mitschöpfer des Kunstwerks macht, die Entrümpelung aller eindeutig dem zweckfreien kultischen Geschehen zugeordneten Gegenstände und Gebetshilfen wie Kniebänke oder anschauliche Bilder, die die Realität des Himmels außerhalb des eigenen Kopfes bekundeten, die gezielte Einführung von Häßlichkeit, wie die Verwendung verrosteter Metalle oder unbehandelter Hölzer, und die immer wieder beschworene Communio als eigentlicher Ort der „Realpräsenz“ Gottes nutzt die Kirchen auf eine mehr als subtile Weise um und macht aus dem Arkadien kultischer Teilnahme an der Liturgie des Himmels den trostlosen Raum eines verfehlten Menschenkultes.

Hier hat die Aufklärung in vollem Maße gesiegt, und die Verwüstung an Heiliger Stätte unter dem Vorwand zeitgenössischer Anpassungen kann ihren letzten Triumph feiern. Gott ist verjagt und das gähnende Nichts selbstreflexiver Innenanschauung des Menschseins macht den Raum, der einst Kirche war, obsolet.

Wer den Kirchenraum, von dem hier die Rede ist, bisher noch nicht kennt, kann sich mit einer Bilderstrecke kundig machen, die das Ordinariat Würzburg dankenswerterweise ins Netz gestellt hat. Dort kann er auch gleich die These vom Menschenkult verifizieren - drängen sich doch die Verantwortlichen für den Neuanstrich auf jedem zweiten Bild eitel in den Vordergrund.

Wir geben den Essay von Pfarrer Rodheudt hier vollständig wieder - ganz herzlichen Dank an den Autor für die Erlaubnis zur Nachveröffentlichung, mit der dieser Text erstmals auch über das Web zugänglich wird. Zur Illustration verwenden wir einige Bilder vom Blog Fides et Forma des italienischen Kunst- und Architekturkritikers Francesco Colafemmina, dessen Ausführungen zum Thema „Kirchenbau“ wir ebenfalls höchst bedenkenswert finden. Außerdem zeigt er, daß die hier diagbostizierte Krankheit bei weitem nicht nur Deutschland betrifft.

Das oben dokumentierte Bild von Jacques Gassmann heißt „Himmlisches Jerusalem“. Es beherrscht den Chorraum der Augustinerkirche und weckt die dringende Hoffnung, daß der Künstler sich geirrt habe.

Zum Artikel von Dr. Guido Rodheudt.

Ein kommunistisches Missverständnis

Anläßlich der Konferenz "Sacra Liturgia", die Anfang dieses Monats in Rom stattfand, hat der katholische Nachrichtendienst Zenit mit S. E. Kardinal Burke ein Interview über den aktuellen Stand der liturgischen Entwicklung geführt. Wir präsentieren einige Kernpunkte:

Frage: Manche sagen, bei der Liturgie gehe es hauptsächlich um ästhetische Fragen, und das sei nicht so wichtig gegenüber guten Werken um des Glaubens willen. Was sagen Sie zu diese oft zu hörenden Behauptung?

Kardinal Burke: Das ist ein kommunistisches*) Missverständnis. Bei der Liturgie geht es in erster Linie um Christus. Es ist Christus, der in seiner Kirche lebt, der siegreiche Christus, der in unsere Mitte tritt und uns durch sein Handeln in den sakramentalen Zeichen das Geschenk des ewigen zu unserer Erlösung Lebens bringt. Das ist die Quelle für alle unsere Werke der Liebe, überhaupt für alle guten Werke. Jemand, dessen Herz mit der rechten Liebe erfüllt ist und der deshalb Gutes tun will, wird daher wie Mutter Teresa sein Augenmerk zunächst auf den Gottesdienst richten. Und wenn er dann einem Armen oder sonstwie Bedürftigen etwas Gutes tut, wird er das auf der göttlichen Ebene selbst tun und nicht nur auf einer menschlichen Ebene.

[...]

Frage: Sie sind dafür bekannt, die außerordentliche Form des römischen Ritus zu zelebrieren. Warum hat Papst Benedikt diese Form allgemein zugänglich gemacht und welche Rolle sollte sie in der Kirche des 21. Jahrhunderts spielen?

Kardinal Burke: Papst Benedikt XVI hat selbst gesehen und erfahren – teils wurde es ihm auch von denen, die der alten Liturgie sehr verbunden waren, mitgeteilt – daß bei den Reformen, die nach dem Konzil eingeführt wurden, ein fundamentales Mißverständnis waltete. Nämlich daß diesen Reformen die Vorstellung eines Bruches zugrunde lag, daß es in der Art, wie die Messe bis zur Zeit des Konzils gefeíert wurde, schwerwiegendste Mängel gegeben hätte und daß deshalb tatsächlich in jeder Hinsicht eine gewaltsamen Änderung, eine tiefgehende Vereinfachung der Zeremonien und selbst der Sprache erforderlich gewesen wäre. Um hier die Kontinuität wieder herzustellen hat der Heilige Vater weitreichende Möglichkeiten zur Feier der heiligen Liturgie wie in den Jahren vor 1962 eröffnet und gleichzeitig die Hoffnung ausgedrückt, daß diese beiden Formen des einen Ritus – es ist alles der eine römische Ritus, es ist die gleiche heilige Messe, das gleiche Bußsakrament und so weiter – sich gegenseitig bereichern würden. Und diese Kontinuität würde dann in dem, was einige als „Reform der Reform“ bezeichnen, einen noch vollständigeren Ausdruck finden.

*) Wo man im Amerikanischen „kommunistisch“ sagt, meint man oft die Gesamtheit wohlanständiger links-progressiver Ideen, die man in Europa peinlich genau vom bösen Kommunismus unterscheidet.

Hier finden Sie das vollständige Interview in englischer Sprache.

Zeitgemäße Latinitas

ScreenshotWollte man nach den Twitter-Zahlen gehen, könnte man sagen, daß das Interesse für den Papst in der lateinischen Sprachgemeinschaft größer ist als in der deutschen. Seit seiner Einführung unter Papst Benedikt im vergangenen Dezember hat der von Franziskus fortgeführte Tweet @Pontifex alles in allem 7 Millionen „Follower“ gefunden – also Leute, die nicht nur einmal vorbeischauen, sondern sich zumindest vornehmen, das öfter zu tun. Der seit den Beginn des Weltjugendtages größte Teil dieser „Follower“ nutzt die spanische Sprache – 3 Millionen. Englisch lesen 2,7 Millionen; aus Deutschland, Östereich und der Schweiz samt umliegenden Ortschaften interessieren sich bescheidene 123 000 für die päpstlichen Kürzesttexte. Das sind – neuerdings – weniger als die Interessenten an der lateinischen Version, deren Zahl auf 135 000 zugeht.

Tatsache ist, daß das Interesse an der Sprache der Kirche – zumindest außerhalb Deutschlands, wo man sie gerne für „Gemurmel“ hält – in den letzten Jahren weltweit wieder deutlich zugenommen hat. Auch und gerade in den USA, die man hier gerne für kulturlos hält. Dort ist in diesem Monat ein Blog online gegangen, das den Zugang zum Lateinischen insbesondere denen erleichtern will, die bis dahin noch kaum Kontakt mit der alten Sprache hatten: Ecclesiæ Latina - das Latein der Kirche.

Natürlich werden dort im wesentlichen englischsprachige Ressourcen angeboten, und wir wissen sehr wohl, daß die Fähigkeit zum sachgemäßen Umgang mit dieser Sprache in Deutschland bei weitem nicht so weit verbreitet ist, wie gerne vorgespiegelt. Aber hilfreich ist das Angebot auch hierzulande. Außerdem gibt es natürlich, wenn auch in bescheidenerem Umfang, bei introibo.net das deutschsprachige Angebot eines Fernkurses Latein, zu dem auch ein recht brauchbares „Handbuch zur lateinischen Kirchensprache“ gehört.

Die nicht nur in der Liturgie, sondern auch im akademischen Betrieb mit Furor betriebene Abkehr vom Latein war nach Auswirkung (und Motivation ihrer Protagonisten) nichts anderes als eine großangelegte Bücherverbrennung, die die katholische Gemeinschaft von ihren Wurzeln abschneiden und der Willkür von Neuerern unterwerfen sollte. Im Unterschied zur heißen Bücherverbrennung lassen sich die Folgen dieses Vandalensturms jedoch rückgängig machen.

Sel. Hermann der Krumme

Auf den Tag genau vor 1000 Jahren, am 18. Juli 1013, wurde in Altshausen im Saulgau Herimann, genannt Contractus (der Verkrümmte), geboren – eines von insgesamt 14 Kindern des Grafen Wolfenrad II. von Vehrungen und dessen Frau Hiltrude. Herimann verbrachte den größten Teil seines Lebens (er starb bereits 1054) im Kloster Reichenau und wird deshalb auch oft als Hermann von Reichenau angesprochen. Er gehört zu den bedeutendsten Wissenschaftlern und Dichtern seiner Zeit. Mit guten Gründen wird er als Schöpfer der beiden Antiphonen Salve Regina und Alma Redemptoris Mater angesehen, die bis auf den heutigen Tag ihren Platz in der Liturgie der lateinischen Kirche bewahrt haben.

Als Universalgelehrter und poeta doctus befasste sich Heriman mit allen Wissenschaften und Künsten der Epoche. Mit dem Chronicon Augiense stellte er die erste Weltchronik des Mittelalters zusammen. Von seinen teilweise als Reimdichtungen abgefassten Heiligenbiographien ist nur die über die hl. Märtyrerin Afra von Augsburg erhalten geblieben; andere über den hl. Gregor, die heiligen Giordanus und Epimachus, Bischof Wolfgang von Regensburg und weitere gelten als verloren. Verloren oder zumindest ihm nicht mehr zuzuordnen sind auch seine Kompositionen, die von den Zeitgenossen ganz besonders bewundert worden waren. Erhalten ist hingegen ein musiktheoretisches Werk, das die russische Komponistin Galina Ustvolskaya (gest. 2006) bei einigen ihrer Werke inspirierte.

Bei seinen Studien über Astronomie, Mathematik und Seefahrtskunde stützte der gelehrte Mönch sich auf damals bereits vorliegende lateinische Übersetzungen wichtiger Werke aus dem Arabischen. Ob er selbst Arabisch konnte, ist ungewiss, dagegen steht fest, daß er selbst nicht in die Länder des Orients gereist sein kann. Tatsächlich hat er nie sein Kloster auf der Insel Reichenau verlassen.

Hermann war körperlich schwerst behindert und konnte sich ohne fremde Hilfe kaum bewegen – die Mitbrüder trugen ihn auf einem Tragstuhl durchs Kloster. Auch sprechen konnte er kaum; nur wenige Mönche verstanden sein Flüstern, mit anderen verkehrte er durch Notizen auf einem Täfelchen. In seinen letzten Lebensjahren verlor er auch noch das Augenlicht. Seine Hymnendichtungen diktierte er.

Ob Hermann der Krüppel als „Mißgeburt“ – einige Quellen deuten in Richtung spina bifida – zur Welt gekommen war oder später an Kinderlähmung oder einer amyotrophen Lateralsklerose (wie Stephen Hawking) erkrankte, ist bei Medizinhistorikern umstritten. Seine Eltern haben ihn jedenfalls nicht vor der Geburt abgetrieben und nicht nach der Geburt umgebracht. Sie übergaben ihn – wohl samt einigen Äckern für seinen Unterhalt – im Alter von sieben Jahren den Benediktinern auf der Reichenau, die ihn weiter erzogen, seinen glänzenden Geist erkannten und förderten und später voll Dankbarkeit die von ihm gedichteten und komponierten Hymnen sangen. Und mit ihnen kam Hermannus Contractus, der 1863 von Papst Pius IX. selig gesprochen wurde, doch noch in den Orient, so daß sich der Kreis schließt: Das Salve Regina war die Hymne, unter der die Kämpfer des 1. Kreuzzuges in  die Schlacht um Jerusalem, zogen, und von daher hat es Petrus Venerabilis im Jahr 1135 als Prozessionsgesang ins Offizium eingeführt.

Weitere Informationen zu Herimannus Contractus samt Verweisen auf seine Hymnen auf hymnarium.de

Unterkategorien

  • Stationskirchen

    Die römischen Stationskirchen

    Kupferstich von Giusepppe Lauro aus dem Jahr 1599

    In der Fastenzeit 2013 haben wir zu jedem Tag die entsprechende Stationskirche kurz vorgestellt. Damit sind zwar alle gegenwärtigen Stationskirchen erfasst, aber nicht alle Tage mit einer Statio, von denen es auch etliche außerhalb der Fastenzeit gibt.

    Bei der Vorstellung der Stationskirchen orientierten wir uns im wesentlichen an „Die Stationskirchen des Missale Romanum“ von Johann Peter Kirch, Freiburg 1926. Zu Ergänzungen haben wir Hartmann Grisar „Das Missale im Licht römischer Stadtgeschichte“, Freiburg 1925, und Anton de Waals „Roma Sacra - Die ewige Stadt“ von 1905 in der Überarbeitung Johann Peter Kirchs von 1925 (Regensburg 1933) herangezogen. Daneben haben wir auch auf Informationen aus Internetquellen zurückgegriffen. Die Illustrationen stammen, soweit nicht anders angegeben, von eigenen Aufnahmen.

    Wie der gegenwertige Nachfolger de Waals und Kirchs als Direktor des römischen Instituts der Görres-Gesellschaft, Prof. Msgr. Stefan Heid, uns mitteilte ist diese älter Literatur insbesondere in Sachen der Datierungen vielfach überholt. Nach seinen Untersuchungen geht die Institution der Stationes nicht wesentlich vor die Zeit Gregors d. Großen zurück. Was natürlich nicht bedeutet, daß die Stationskirchen bzw. deren Vorgängerbauten nicht wesentlich älter sein können.

Zusätzliche Informationen