Aber der Kaiser ist ja nackt!
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- 25. Mai 2013
Der moderne Kirchenbau gehörte zu den wirkungsvollsten Mitteln, mit denen die Hermeneutiker des Bruches in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Suggestion verbreiteten, daß nun alles, alles anders geworden sei. Deshalb sehen auch ihre Kirchen aus wie alles Andere: Kanzlerämter, Tagungszentren, Fliegende Untertassen - nur nicht wie Stätten der Verehrung Gottes. In der italienischen Presse ist es nun anläßlich der Vorstellung eines Buches über Kirchenneubauten in römischen Vorstädten zu einer bemerkenswerten Diskussion der Entwicklung gekommen, in die sich auch für den Kirchenbau verantwortliche hohe Prälaten eingeschaltet haben; es gab sogar einen Beitrag im Osservatore Romano. Zumindest einige der Mitdiskutanten von kirchlicher Seite haben sich in ungewohnt kritischer Weise zu einigen der Neubauten geäußert, die meistens von internationalen Stararchitekten ohne religiöse Bindung errichtet wurden – Prestigeobjekte zur höheren Ehre der Architekten und der ach so kunstverständigen Baukommissionen der Diözesen.
Diese hochrangigen Kritiker erkennen nun auf einmal Dinge, die vorher zu sehen streng untersagt war: Daß da Kirchen aussehen wie „Kongreßsäle mit einem Ambiente kleiner Sportpaläste, häßlich und vulgär“ (Kardinal Ravasi), oder daß sie „mehr als neue Kirche (als) Museen oder Lagerhallen (erscheinen). Orte die nicht zur Meditation einladen, denen jeder Sinn für das Sakrale fehlt und die ohne irgendeinen mystisch-religiösen Hauch sind.“ (Prof. Antonio Palucci, Direktor der vatikanischen Museen). Es fehlt natürlich auch nicht an den Gegenpositionen, die in bekannt elitär herablassender Art dem gemeinen Volk jede Mitsprache in den erhabenen Dingen der Kunst verbieten wollen: „Es ist unzulässig, daß in der Polemik um die ‚Kirche ohne Kreuz‘ nostalgische und rückständige Laien, den Katholiken zu Unrecht das Fehlen des Kreuzes vorhalten […]. Diese Empörung entsteht aus einer offenkundigen Unkenntnis: Das ganze Gebäude entspricht dem Evangelium. (… Es) ist Ausdruck der Beziehung zwischen Geist und Materie, ja noch mehr, es ist vom Typ her christlicher als die Basilika Sankt Paul vor den Mauern.“
Wie es scheint, sind die Zeiten vorbei, in der man mit solch hanebüchenem Dummschwatz unwidersprochen durchkommen konnte. Der italienische und derzeit in den USA lehrende Architekt und Architekturtheoretiker Ettore Maria Mazzola hat zur Diskussion einen Beitrag verfasst, in dem er ganz nebenbei auch die Haltlosigkeit der Behauptung darlegt, die moderne Bauweise sei kostensparend. Das Original seines Artikels mit Bildern einiger der römischen Neubauten ist auf Fides et Forma (in italienischer Sprache) erschienen. Eine leicht gekürzte Übersetzung bietet katholisches.de.
Unsere Illustration zeigt die Berliner Kirche St. Canisius, die sich die von Jesuiten geleitete Gemeinde im Jahr 2002 zum Schnäppchenpreis von an die 5,8 Millionen errichten ließ. Eine ausführliche Präsentation beitet die Website der Gemeinde.