Hermeneutik der Kontinuität am Ende
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- 24. Juli 2021
Zum Brief des Generaloberen der Piusbruderschaft in Sachen Traditionis custodes.
Gleich zu Anfang seines „Briefes an die Mitglieder und Freunde“ der Piusbruderschaft führt deren Generaloberer Pater Pagliarani aus: „Man kann in aller Logik feststellen, daß die Ära der Hermeneutik der Kontinuität mit ihren Zweideutigkeiten, Illusionen und ihren unerfüllbaren Anstrengungen auf drastische Weise beendet und vom Tisch gewischt worden ist.“ Was könnte man dem noch entgegensetzen, nachdem Papst Franziskus mit seinem Dekret einen so tiefgreifende Bruch in Selbstverständnis und Lehre der Kirche nach dem 2. Vatikanum ausgerufen hat, daß die Liturgie der Zeit vor DEM KONZIL und vor 1969 nach diesem „Neuen Pfingsten“ nicht mehr als „Ausdruck der Lex Orandi“ des römischen Ritus gelten könne? Nachdem der Papst die Unbelehrbaren, die die Liturgie des hl. Gregor nicht aufgeben wollen, aus der Gemeinschaft der Pfarrkirchen verbannt und ihnen nur noch eine Gnadenfrist einräumt, um ihrer unerleuchteten Halsstarrigkeit abzuschwören, sonst...
Franziskus verwirft nicht nur Benedikts Bemühungen zur Rehabilitierung der traditionellen Liturgie. Er widerspricht auch auf brutalstmögliche Weise dessen Ansatz, das Konzil der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts nicht in einer „Hermeneutik des Bruches“ zu lesen (wie das von den Modernisten seit Anfang an versucht worden ist), sondern in einer „Hermeneutik von Reform und Kontinuität“. Seit dem 16. 8. 21 sind alle Verhüllungen obsolet: Jetzt wird auf Bruch gefahren. Auf Teufel komm raus!
Im zweiten Absatz seines Briefes macht Pater Pagliarini deutlich, daß wir den Teufel hier nicht nur als rhetorische Figur im Spiel haben. Der Generalobere erinnert daran, „dass die heilige Messe eine Fortsetzung des verbissensten Kampfes aller Zeiten ist: die Schlacht zwischen dem Reich Gottes und dem Reich Satans. Dieser Krieg erreichte seinen Höhepunkt auf Kalvaria durch den Triumph unseres Herrn. Für diesen Kampf und diesen Sieg wurde Christus Mensch. Weil der Sieg unseres Herrn auf dem Kreuz und in seinem Blut stattfand, ist es verständlich, dass er fortwährend ebenfalls durch Kampf und Widerspruch aufrechterhalten wird.“ Das klingt reichlich fremdartig für unsere vom endlosen Dialoggesäusel betäubten Ohren, doch nachdem Franziskus den Dialog der Kirche mit ihrer Vergangenheit förmlich und unmißverständlich aufgekündigt hat, können wir Pagliarinis Schlußfolgerung eine gewisse Plausibilität nicht absprechen: „Es ist nicht erstaunlich, dass die Messe aller Zeiten, die ein vollkommener Ausdruck des endgültigen Sieges unseres Herrn durch sein Sühneopfer über die Sünde ist, selbst ein Zeichen des Widerspruchs ist.“
Von daher werden auch seine weiteren Überlegungen bedenkenswert, selbst da, wo man ihnen (noch) nicht so ohne weiteres folgen mag.
Zerfall und Schisma
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- 23. Juli 2021
Der Aachener Kirchenrechtler Weishaupt hat unter Datum vom 23. 8. im Interview mit kath.net höchst lesenswerte Ausführungen zum Erlass Traditionis Custodes gemacht, die teilweise deutlich über den kirchenrechtlichen Bereich hinausreichen. Wir empfehlen die Lektüre des Originals und beschränken uns hier auf eine grobe Inhaltsangabe und eine ergänzende Vertiefung.
Der Kanonis schließt sich der schon mehrfach nicht zuletzt von Kardinal Müller geäußerten Ansicht an, daß der Erlaß eine unerwartete und von der Sachlage her auch ungerechtfertigte Härte zum Ausdruck bringt, mit der der Papst die Glaubwürdigkeit seines bisher hochgehaltenen pastoralen Kurses schwer beschädigt. Weishaupt sieht zwar im traditionellen Bereich auch punktuelle Fehlentwicklungen in Richtung einer Parallelkirche, die jedoch weitaus weniger schwerwiegend seien als die Abweichungen von Disziplin und Lehre (Stichwort für Deutschland: Synodaler Weg), denen gegenüber Rom sich neben unverbindlichen Briefen auffällig zurückhält.
Als Instrument der Schadensbegrenzung verweist Gero Weishaupt auf das von verschiedenen amerikanischen Diözesen bereits angewandt Instrument der Dispens nach Canon 87 des kirchlichen Gesetzbuches, mit dem sie kirchliche Regelungen der Art des vorliegenden Erlasses für ihren Amtsbereich teilweise oder ganz außer Kraft setzen können. Er hofft, daß viele deutsche Bischöfe sich diesem Vorbild anschließen werden. Darüberhinaus fordert er dazu auf, in Rom auf eine Rücknahme des Erlasses hinzuwirken, nicht zuletzt deshalb, weil die als Begründung angeführte „Umfrage in den Diözesen“ in Genese und Auswertung höchst zweifelhaft sei. Weiterhin fordert er ein entschiedenes Vorgehen gegen die nach wie vor weit verbreiteten liturgischen Mißbräuche, die, so wörtlich, „mitschuldig sind am gegenwärtigen Zerfall der Kirche.“ Ebenso sei er erforderlich, endlich „gegen schismatische Tendenzen in (den) Teilkirchen entschieden auftreten, um so ein Schisma abzuwenden.“
Das Interview schließt mit der bemerkenswerten Aussage: „Allerdings bin ich überzeugt bin, dass ein Schisma schon eingetreten ist, aber noch nicht formal festgestellt worden ist. Die Gefahr für die Einheit der Kirche droht nicht von der alten Liturgie und denen, die sie wertschätzen, ganz im Gegenteil. Die Gefahr droht von einer Gedankenwelt, die den Synodalen Weg zu dem gemacht hat, was er nun ist.“ Soweit das Interview
Unsere Ergänzung betrifft die von Weishaupt konstatierte Tendenz zu einer punktuellen Separierung der „Altrituellen“ von den bestehenden Gemeinden.
Und jetzt Kardinal Burke
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- 23. Juli 2021
Unter dem Datum vom 22. 7. hat S.E. Raymond Kardinal Burke auf seiner eigenen Website eine ausführliche Stellungnahme zum Erlaß Traditionis Custodes von Papst Franziskus veröffentlicht, die auf Deutsch beim Beiboot Petri nachzulesen ist. Wer solche Texte lieber auf Papier liest, findet hier eine lesefreundliche Word-Datei zum Download.
Die Stellungnahme hat zwei Hauptteile, die einerseits die pastoralen und kirchenpolitischen Aspekte (1 - 14) und andererseits die juristische Bewertung (14 - 19) des Dokuments in den Mittelpunkt stellen. Sie ist im Ton respektvoll und gleichzeitig klar und entschieden - insbesondere in der Feststellung, daß der Papst nicht befugt ist, die überlieferte Liturgie als Form der Lex Orandi des römischen Ritus auszuschließen (Abs. 15 + 16). Hier unsere angekündigte geraffte Inhaltsangabe.
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In seiner Einleitung stellt der Kardinal auf Grund von inhaltlichen Unterschieden in der italienischen und der englischen Version zunächst die Frage nach einem authentischen Text (1).
In weiteren Abschnitten wendet er sich der von Franziskus gegebenen Begründung für sein hartes Eingreifen zu: Die Traditionalisten betrieben Kirchenspaltung. (2) Demgegenüber besteht der Kardinal unter Berufung auf seine praktischen Erfahrungen darauf, daß solche Positionen höchstens in kleinen und einflußschwachen Randbereichen der traditionsorientierten Gläubigen vertreten würden. (8, 9, 11). Soweit in dieser Hinsicht tatsächlich echte Mißstände existierten, seien diese individuell auf der jeweils betroffenen Ebene anzugehen und könnten nicht durch ein allgemeines Gesetz pauschal angegangen werden – erst recht nicht in dieser Härte: „Gerechtigkeit ist ist die mindeste und unentbehrliche Voraussetzung des Handelns in Nächstenliebe“. (12) Außerdem kritisiert S.E. Burke die Herausgabe des Edikts ohne vorherige Information und Konsultation der Bischöfe und ohne die übliche Einräumung einer Zeitspanne bis zum Inkrafttreten (3) sowie die rigorosen und unverhälnismäßigen Maßnahmen wie z.B. die Untersagung des überlieferten Ritus und Pfarrkirchen, die letztlich darauf abzielten, den Gebrauch der überlieferten Liturgie vollständig zu unterbinden (4, 5).
Mit besonderem Nachdruck kritisiert Burke die Berufung des Papstes auf jene mysteriöse „Umfrage bei den Bischöfen“, die offenbar nur einen ausgewählten Kreis erfaßt hatte, und verlangt die Offenlegung der wissenschaftliche Methode der Umfrage und ihrer Ergebnisse (6, 7).
Zur Lektüre empfohlen - Mittwoch
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- 21. Juli 2021
Hier zunächst die wichtigsten uns bekannt gewordenen deutschsprachigen Beiträge:
- Der Jurist Norbert Otterbeck auf kath.net zur Frage: Kann defekte Gesetzgebung verbindlich sein?
- Sandro Magister zum Machtmißbrauch von allerhöchster Stelle: Das Spiel wird häßlich. Deutsch beim Beiboot Petri.
- Matthias-Severin Püttinger sieht auf Gloria TV die These vom nachkonziliaren Bruck glänzend bestätigt: Erzbischof Lefebvre hat Recht – und Papst Franziskus auch!
- Auf kath.net gibt es einen recht positiv klingenden Überblick zur Lage in England von Armin Schwibach: Traditionis Custodes - und was für Wächter?
- Bei katholisches.info analysiert Giuseppe Nardi die Chancen für die Priestergemeinschaften, das Todesurteil von Franziskus für den alten Ritus getreu ihrem Charisma zu überleben.
Und nun zu einigen fremdsprachigen, überwiegend aus Nordamerika.
- Der in beiden Riten zelebrierende Priester und Publizist Charles Pope äußert sein Erschrecken über den autoritären Ton des Erlasses und forder pastorale Haltung auch gegenüber den Konservativen. A Cry from the Heart
- Im Crisis Magazine beschreibt Anne Hendershott detailliert, wie der US-Episkopat nahezu einmütig den Erlaß von Johannes-Paul II ignorierte, die "Katholizität" katholischer Hochschulen sicher zu stellen: Ignoring Papal Mandates
- Auf First Things schreibt der Publizist George Weigel einleitend "I am a Novus Ordo Man" - was ihn nicht hindert, zu befinden, er halte TC für "theologisch inkohärent, in den Gemeinden spaltend, überflüssig, brutal und ein gutes Beispiel des in Roms neuerdings grassierenden Tons der Einschüchterung". Liberal Authorianism and the Traditional Mass.
- Aldo Maria Valli sieht in den weltweiten überwiegend negativen und ausweichenden Reaktion auf RadCust anzeichen dafür, daß Papst Franziskus nur noch als "Lahme Ente" betrachtet wird: Francesco, “Traditionis custodes” e la sindrome dell’anatra zoppa (Italienisch, gut lesbar mit Google translate)
Zum letzten eine Anmerkung: Die Verständlichkeit von Google-Übersetzungen aus dem Italienischen hängt sehr stark vom individuellen Sprachstil des Autors ab. Manche sind erstaunlich gut, andere fast unbrauchbar, so daß unsereins sich lieber durch das Original kämpft. Einfach im konkreten Fall ausprobieren.
Und jetzt Kardinal 陳日君
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- 21. Juli 2021
In seinem Blog hat sich der emeritierte Erzbischof von Hongkong Josep Zen Ze-kiun in unmißverständlichen Worten zur (versuchten) Abschaffung der überlieferten Liturgie durch den Willkürerlass Traditionis Custodes geäußert. Wir übersetzen hier die englische Fassung nach New Liturgical Movement, die ihrerseits auf einer italienischen Übertragung beruht.
Die Befürchtungen hinsichtlich des viel-diskutierten Dokumentes „gegen“ die tridentinische Messe (s. mein Blog vom 12. Juni, englischer Text) haben sich bewahrheitet, und der Schlag ist dadurch, daß er erwartet wurde nicht weniger hart geworden, denn viele unzulässige Verallgemeinerungen im Dokument verletzen mehr als zu erwarten die Herzen vieler guten Leute, denen man niemals unterstellen konnte, daß sie die Liturgiereform des Konzils nicht akzeptierten oder gar das Konzil „als Ganzes“ ablehnten. Dennoch bleiben sie aktive Mitglieder ihrer Gemeinden.
Für mich persönlich war es eine böse Überraschung, daß die „gründliche Untersuchung“ mich als Kardinal und früheres Mitgliede der Gottesdienstkongregation nicht erreichte. Außerdem war ich in den Jahren 2007 – 2009 als Bischof von Hongkong verantwortlich für die Umsetzung von Summorum Pontificum und bis jetzt ein bekannter Freund dieser Gruppierung von Gläubigen.
Da ich weder den Fragebogen noch noch die Antworten kenne, kann ich mir kein Urteil erlauben, sondern nur mutmaßendaß es in dem ganzen Prozess viele Mißverständnisse (und vielleicht auch Manipulationen) gegeben hat.
Wenn ich die beiden Dokumente lese, fällt mir 1) eine unglaubliche Leichtfertigkeit (oder Absicht) auf, mit der das Verlangen zur Verwendung des alten Ritus mit der grundsätzlichen Ablehnung des neuen Ritus gleichgesetzt wird und 2) wie sehr die Ablehnung der Liturgiereform (die oft die Tatsache betrifft, daß sie mit vielen schwerwiegenden Mißbräuchen umgesetzt wurde), mit einer völligen und grundsätzlichen Ablehnung des Konzils insgesamt gleichgesetzt wird. (Für diejenigen, die diese Ablehnung tatsächlich propagieren, ist der Unterschied in der Liturgie nur eine unbedeutende Begleiterscheinung, so daß das Entgegenkommen hinsichtlich des Ritus das Schisma auch nicht heilen konnte.)
Die vatikanischen Autoritäten sollten sich selbst die Frage stellen und vielleicht sogar eine gründliche Untersuchung durchführen, warum diese unter 2) genannte Erscheinung andauert und sich wohl in der letzten Zeit verstärkt hat.