Von Gerüchten zu Fakten
- Details
- 20. Februar 2023
Jetzt hat auch die in Rom bestens vernetzte Vatican-Korrespondentin Diane Montagna darüber berichtet, daß im Umfeld von Franziskus ein Dokument in der abschließenden Beratung ist, das die bisherigen Maßnahmen zur Marginalisierung und letztlichen Abschaffung der überlieferten Liturgie zusammenfassen, weiter verschärfen und in Form einer apostolischen Konstitution zum Gesetz erheben soll. So im Remnant vom 18. Februar. Nach Montagnas Informationen liegt die Federführung des Projektes beim Sekretär der Gottesdienstverwaltung Erzbischof Vittorio Francesco Viola OFM, gegenwärtiger Träger des Bischofsringes von Hannibal Bugnini. Das würde gegen die kürzlich von Kardinal Müller ins Gespräch gebrachte Version sprechen, daß Prof. Grillo und andere Akademiker von San Anselmo den Papst quasi in einer überraschenden Attacke dazu „überredet“ hätten, Traditionis Custodes zu unterschreiben. Grillo und Co mögen Mitbeteiligte sein, aber Franziskus ist nicht der Mann, der sich zu irgend etwas „überreden läßt“. Im Vatikan heißt es, daß dort keine Maus den Kopf aus dem Loch streckt, ohne daß Franziskus Bescheid weiß und zugestimmt hat.
Inhaltlich bestätigen die Recherchen von Montagna im Wesentlichen das, was auch unsere Quelle berichtet hatte, aber es gibt weitere und durchaus beunruhigende Präzisierungen. Während sich Traditionis Custodes vor allem gegen den gelegentlich und mit Erlaubnis ihres Bischofs im alten Ritus zelebrierenden Diözesanklerus gerichtet hatte, stehen bei dem neuen Dokument nach Montagna vor allem die Ex-Ecclesia-Dei-Gemeinschaften im Zentrum. Ihnen soll – und das hatten wir ebenfalls schon berichtet – der Empfang der Weihen im überlieferten Ritus untersagt werden. Außerdem sollen sämtliche Priester zur Konzelebration bei der Chrisammesse verpflichtet werden.
Von Oberhirten und Gefängniswärtern
- Details
- 15. Februar 2023
Mit einer Ergänzung vom 16. 2.
In den USA stehen derzeit einige Bischöfe, die es an Eifer bei der Umsetzung von Traditionis Custodes fehlen lassen, mächtig unter Druck aus dem Vatikan: Sie sollen ihm nicht mit Paragraphen kommen, schreibt Liturgie-Obmann Roche, sondern einfach den Willen des allerheiligsten Vaters in Santa Marta droben erfüllen und erstens die veraltete und nicht mehr zulässige Messfeier aus den Pfarrkirchen fernhalten und zweitens dokumentieren, was sie unternehmen, um die störrischen Anhänger der Vergangenheit zum überlegenen Reichtum der glorreich erneuerten Liturgie zu bekehren. Fast hätten wir geschrieben: zu proselytisieren – aber erstens gibt es dieses Wort im Deutschen so nicht, und zweitens hat seine Allerheiligstkeit sich auch mehrfach gegen Proselytismus ausgesprochen – wenn damit die Hinführung zur Lehre der Kirche gemeint ist, und sei es auch „nur“ argumentativ.
Einige US-Bischöfe – ihre deutschen Mitbrüder sind gerade anderweitig beschäftigt – haben den Hinweis ihres Obmanns gerne aufgegriffen und gehen voll Pflichteifer daran, ihr Soll überzuerfüllen: Sie verbieten dann auch die Zelebration nach dem Missale Pauls VI. „ad orientem“ oder sogar den Gebrauch der lateinischen Sprache nach welchem Missale auch immer. Jeder, der an einem „ihrer“ Gottesdienste teilnimmt, vor allem aber die Proselytanden aus der Vergangenheit, soll gleich sehen, welcher Geist in modernen Kirchen dort herrscht und daß sie gefälligst die Lehre und Ekklesiologie der vergangenen tausend Jahre schnellstens abzulegen haben.
In dieser Situation hat es verständlicherweise beträchtliche Unruhe und auch Unwillen ausgelöst, daß Bischof Robert Barron von Winona-Rochester – sicher kein Traditionalist, aber bisher bekannt als erprobter Verteidiger der Rechtgläubigkeit und Betreiber erfolgreicher Medienapostolate – den Teilnehmern der alten Messe in Winona den Gebrauch der von ihnen bisher genutzten Pfarrkirche untersagte und sie auf die Kapelle der Cotter High School verwies.
Ritus Romanus - von den Ursprüngen her erklärt
- Details
- 07. Februar 2023
Der in England lebende und arbeitende Oratorianerpater Uwe Michael Lang hat in den vergangenen Jahren schon zweimal mit seinen Publikationen in die Diskussion über Geschichte und authentische Gestalt der römischen Liturgie eingegriffen: Conversi ad Dominum von 2010 und Die Stimme der betenden Kirche von 2012. Im vergangenen Herbst hat P. Lang jetzt ein Buch über die Geschichte der römischen Messe veröffentlicht, das deren Entwicklung von den frühesten Anfängen – nämlich in den Evangelien selbst – bis zur erstmaligen juristischen Kodifizierung nach dem Konzil von Trient nachzeichnet. „The Roman Mass – From Early Christian Orgins to Tridentine Reform“. Das im englischen Original fast 400 Seiten umfassende Werk sieht sich nicht als Konkurrent des an Fülle der Einzelfakten kaum zu überbietenden einflußreichen Werkes Missarum Sollemnia von Josef Andreas Jungmann (1948), das in vielem die Diskussionen der Liturgischen Bewegung befeuerte und durchaus zwiespältigen Einfluß auf die spätere Liturgiereform ausgeübt hat. Aber es konfrontiert die von Jungmann diesem enormen Faktenfundus quasi übergestülpte Theorie von einem Zerfallsprozess der Liturgie von erhaben-schlichten Anfängen zu angeblicher barocker Überladung und teilweiser Entstellung in vielen Punkten mit einer geradezu entgegengesetzten Perspektive: Lang beschreibt ein quasi organisches Wachstum aus noch wenig differenzierten Anfängen zu einer sich immer weiter entfaltenden Reife und Hochform.
Wie die bereits im Titel signalisierte Begrenzung „bis Trient“ signalisiert, finden dabei die aktuellen Auseinandersetzungen um die theologische Angemessenheit und die rechtliche Stellung des authentischen Ritus praktisch keine Berücksichtigung, und das kommt dem Werk durchaus zugute. Wir haben der gegenwärtigen Notlage geschuldet schon genug Publikationen, die völlig berechtigterweise diese Situation analysieren und auf Mittel und Wege zu ihrer Verbesserung sinnen – dabei aber die großen Linien gelegentlich aus dem Auge verlieren. Der größte Wert der neuen Veröffentlichung Langs liegt darin, daß Lang wirklich zu einer eingehenden Exegese der Schriften des neuen Testaments und den ältesten apostolischen Traditionen zurückgeht und von daher auf überzeugende Weise Lücken überbrückt, die durch die Verfolgungszeit der ersten drei Jahrhunderte in der schriftlichen Überlieferung aufgerissen worden sind.
Es ist eben nicht so, daß die römische Messe im 4. und 5. Jahrhundert mehr oder weniger aus dem Nichts auftaucht und dabei in vielem ihren edlen, aber leider nicht genauer bekannten, Anfängen untreu geworden sei. Das Prinzip der Entwicklung und der Reifung bestimmt sie wesentlich von ihrem Ursprung her, und dieser Ursprung reicht stellenweise durchaus in das Jesus zeitgenössische oder noch ältere vorchristliche Judentum zurück. Brüche oder gar Revolutionen sind dem Wesen dieser Liturgie zutiefst fremd.
Eine dem Inhalt angemessene Vorstellung eines Werkes wie des hier anzuzeigenden erfordert mehr Zeit und Mühe, als uns derzeit zur Verfügung steht, wir sind daher dankbar, daß Clemens Victor Oldendorf uns seine bislang 21 Seiten umfassende ausführliche und auch einige kritische Punkte nicht aussparende Besprechung zur Verfügung gestellt hat. Bislang 21 Seiten, weil das nur ein erster Teil ist – ein zweiter Teil der Besprechung soll in Kürze folgen und wird dann selbstverständlich hier ebenfalls publiziert werden.
Da ein mit Fußnoten versehener Text des Umfangs dieser Besprechung im Webformat schwer lesbar ist, bieten wir ihn am Ende der folgenden Seite zum Download an. Wer ihn dennoch lieber im Webformat lesen will, wird hier fündig.
Der Alte Bund lebt in der alten Liturgie
- Details
- 06. Februar 2023
Die drängenden Notwendigkeiten, sich der im aktuellen Pontifikat zum Programm gemachten Zerstörung der liturgischen Tradition der Kirche zu widersetzen, dürfen und können uns nicht davon abhalten, die Schätze dieser Tradition auch zu genießen und wie die vorhergehenden Generationen zum Heil der Seelen zu nutzen. Das in der vergangenen Woche gefeierte Fest der „Reinigung Mariens“, populär „Mariä Lichtmeß“, gibt dazu ganz besonderen Anlaß, der weit über den in der neuzeitlichen Theologie und Liturgie der Kirche betonten Charakter eines Marienfestes hinausgeht.
Eigentliche Mittelpunkt dieses Festes ist nicht der Reinigungsritus - der in dieser Form und Tiefe auch gar nicht ins Christentum übernommen worden ist - sondern die liebevolle Begegnung zwischen dem zum Sterben müden Frommen des Alten und dem soeben als Mensch erschienenen Heiland des Neuen Bundes auf den Stufen des Tempels. Die nach dem mosaischen Gesetz erforderliche Reinigungszeremonie der Mutter samt dem rituellen „Freikauf“ des Erstgeborenen durch ein blutiges Opfer werden hier ein letztes Mal verbindlich praktiziert.
Wenn die an diesem Tag verlesene Perikope aus dem Lukasevangelium die Begegnung des greisen Simeon mit dem Kinde Jesus ins Zentrum stellt, ist das von höchster symbolischer Aussagekraft: Nun lässest Du Herr, Deinen uralten Knecht, Stamm und Volk Israel, wie Du vorhergesagt hast, in Frieden gehen, denn meine Augen haben das neue Heil gesehen, das Du für alle Völker der Welt vorgesehen hast. Der Fortgang des Liedes läßt erkennen, daß diese Begegnung zwar für den Verlust der einzigartigen Stellung des auserwählten Volkes steht, nicht jedoch für seine Verwerfung: Der neue Bund ist das Licht zur Erleuchtung aller Völker – und bleibender Ruhm für Sein Volk Israel.
Die überlieferte Liturgie hat diese Verquickung des neuen Bundes mit dem alten in den fünf Weiheorationen für die Kerzenweihe zum Ausdruck gebracht, von denen jede einen zentralen Gedanken aus den fünf Büchern Moses aufgreift. Gregory Dipippo hat das in einem gestern auf New Liturgical Movement erschienenen Artikel sehr schön dargestellt – wir bringen eine Übersetzung:
Nun also doch: Ein neues Dokument?
- Details
- 19. Januar 2023
Kaum findet die Vermutung Anklang, daß die jüngst aus Rom durchgesickerten Gerüchte wohl eher die bösen Absichten einer bestimmten Gruppe des päpstlichen Umfeldes wiedergeben als konkrete Schritte beschreiben, tauchen Anzeichen dafür auf, daß es da doch ein Dokument geben könnte. Insidethevatican.com veröffentlichte am 18. Januar die Zuschrift eines namentlich nicht genannten Priesters, der unter Berufung auf „einen Erzbischof aus den USA“ ganz Ähnliches zu berichten weiß, wie die Quelle unserer „Gerüchte“ vom 13. Januar. Und diese Zuschrift hat auch einen Termin oder besser gesagt einen Zeitraum für die Veröffentlichung eines entsprechenden Dokumentes genannt: April oder Mai.
Zur Form des Dokuments nennt der Brief ebenso wie unsere Quelle die der „Apostolischen Konstitution“, um die Gleichrangigkeit mit der feierlichen Einführung des Bugnini-Missales von 1969 zu betonen. Zum Inhalt führt die Zuschrift aus, es gehe vor allem darum, den Bischöfen die in Canon 87 und anderen gebotene Möglichkeit zu nehmen, „aus pastoralen Gründen“ Ausnahmen von römischen Anweisungen zuzulassen. Bekanntlich haben besonders in der angelsächsischen Welt viele Bischöfe diese Rechtslage genutzt, um Traditionis Custodes überaus zögerlich umzusetzen. Sie sollen nun durch einen autoritativen Akt des Despoten „auf Linie“ gezwungen werden. Als weitere Information des Erzbischofs teilt die Quelle mit, daß die verschärfte Regelung in erster Linie die Bistümer betreffe, während das „Privileg“ der altrituellen Gemeinschaften, in ihren Häsern privat nach dem Missale Johannes XXIII. zu zelebrieren, nicht betroffen sei.
Der angekündigte Eingriff in die Befugnisse der Bischöfe – sei es durch eine ausdrückliche Anweisung, sei es durch den Versuch einer vermutlich rechtswidrigen Änderung des Kirchenrechts – dürfte nicht nur bei traditionsfreundlichen Bischöfen alle Alarmglocken schrillen lassen.