Quatember in den Tagen des Geistes
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- 04. Juni 2020
Mittwoch, Freitag und Samstag dieser Woche sind die Tage der Pfingstquatember – der einzigen Quatember in der Oktav eines hohen Festes. Dieser Umstand prägt die Liturgie dieser Tage auf besondere Weise. Die Tagesgebete machen wie an den anderen Wochentagen der Oktav ausdrücklich den Heiligen Geist zu ihrem Thema, und die Schriftlesungen – zwei am Mittwoch, eine am Freitag und gleich fünf am Samstag schlagen zunächst eine Brücke zurück von den Berichten über die Ausgießung des Geistes an die Jünger im Obergemach von Jerusalem zu den alttestamentlichen Prophetien über den Gottesgeist bei Joel. Von dort springen sie anscheinend unvermittelt zu Lesungen aus den Büchern Moses, die die traditionell am Quatembersamstag gespendeten niederen und höheren Weihen der Kleriker begleiten.
Die bei näherer Betrachtung sichtbar werdende Verbindung zum Heiligen Geist läuft über gleich zwei Stränge: Zum einen ist die Spendung der Sakramentalien und des Sakramentes der Weihe vorrangig eine Aktivität des Geistes. Zum zweiten enthalten die Prophetien Joels neben den Hinweisen auf die spirituellen Wirkungen des Geistes auch Aussagen zu dessen Rolle als dauernder Erhalter und Befruchter der Schöpfung – und genau da setzen die Lesungen aus Moses ein. Sie handeln von den Gott geweihten Erstlingen aller Schöpfung und verweisen damit offenbar nicht nur auf die im Tempel dargebrachten Opfergaben aus der neuen Ernte, sondern auch die Priesterschaft „nach der Ordnung des Melchisedech“ selbst, die diese Gaben entgegen nimmt und auf dem Altar des Alten und später des Neuen Bundes darbringt. Auch sie sind in persona Christi „Erstlinge der Schöpfung“.
Das verweist auf eine weitere bedeutsame Linie der Kontinuität zwischen dem Alten und dem Neuen Bund. Die westlichen Christen neigen dazu, die Hochheilige Dreifaltigkeit als eine Art „exklusive Errungenschaft“ der christlichen Offenbarung zu begreifen, die einen tiefen Einschnitt gegenüber dem Gottesglauben des alten Testaments markiert. Das ist nur sehr begrenzt richtig. Der „Geist Gottes“ war auch den Juden des alten Bundes eine vertraute Gestalt, wie nicht nur aus dem Buch Joel und den Weisheitsbüchern zu entnehmen ist. Auch im Neuen Testament, dessen Personal schließlich nur aus „alttestamentlich geprägten“ Juden besteht, sind weder Maria noch Joseph ungläubig überrascht, wenn ihnen die Menschwerdung des Erlösers als „Werk des heiligen Geistes“ angekündigt wird: Der war ihnen kein Unbekannter. Ebensowenig überrascht sind die Jünger, als Jesus ihnen vor seiner Himmelfahrt die Sendung des Tröstergeistes verspricht.
Das Alte Testament kennt zwar nur den Einen Gott, hat aber bereits eine in vielen Schriftstellen zum Ausdruck kommende Ahnung von dessen Mehrgestaltigkeit. Dieser noch nicht zum Dogma verfestigte Glaube unterscheidet sich einerseits noch deutlich vom Trinitätsglauben des Einen Gottes in drei Personen, spricht aber ahnungsvoll immer wieder von dem einen ewigen Gott in dem Plural „elohim“, der bei weitem mehr ist als ein pluralis majestatis. Tatsächlich erscheint die „kanonische Trinität“ bereits in den ersten Sätzen des ersten Buches der Bibel:
1Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. 2Und die Erde war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser. 3Und Gott sprach: Es werde Licht!
Drei Verse, drei Schlüsselworte: Der Schöpfer, der Geist und das Wort.
Die Quatembertage in der Pfingstoktav gehören zu den verhältnismäßig wenigen Anlässen, an denen die Verbindungslinien zwischen dem Glauben des alten und des neuen Testament einen liturgischen Widerhall finden. Umso bedauerlicher, daß die Quatembertage weitgehend vergessen und die Pfingstoktav von größenwahnsinnigen „Reformern“ abgeschafft worden ist.
Die Liturgie der Bittprozession
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- 20. Mai 2020
Das Meßbuch des überlieferten Ritus enthält eine ausführliche und ausgefeilte Liturgie für die Bittprozession der Tage vor Christi Himmelfahrt - offensichtlich ein Restbestand aus dem Mittelalter, als Prozessionen innerhalb und außerhalb der Meßfeier einen weitaus größeren Stellenwert hatten als gegenwärtig. Die Prozessions-Liturgie besteht aus zwei Hauptteilen. Der erste ist die auch zu anderen Anlässen gesungene Litanei zu allen Heiligen, gefolgt von einer Reihe von Anrufungen und Fürbitten. Dieser Teil endet mit dem dreifachen Agnus Dei und einem Vaterunser. Dieser Aufbau der Allerheiligenlitanei ist auch in der neuen Liturgie weitgehend erhalten, sieht man einmal von einigen reformtypischen Abschwächungen einzelner Formulierungen ab.
Der zweite Teil der Prozessionsliturgie wird mit dem ganz gesungenen Psalm 69 (neu 70) eingeleitet, dessen ersten Vers die Kirche zum Eingangsversikel ihrer Tageszeiten gemacht hat: Gott, merk auf meine Hilfe – Herr, eile mir zu Helfen! Dem folgt ein zweiteiliges großes Bittgebet. Der erste Teil besteht aus einer Reihe von antiphonal (also im Wechsel zwischen Vorbeter und Gemeinde oder Schola) vorgetragenen Fürbitten nach dem Schema: Benennung des Gegenstandes – Präzisierung der Bitte. Er ähnelt den Fürbitten des Stundengebets vom Ende der Laudes und schlägt wie diese einen großen Bogen von der Bitte um das Heil für die eigene Seele über Gottes Segen für die Oberen der Kirche und die weltlichen Regenten bis hin zu den Wohltätern der Gemeinde sowie ihren abwesenden und verstorbenen Mitgliedern.
Der zweite Teil besteht aus einer langen vom Offizianten vorgetragenen Oration, die zwar nur einmal mit dem klassischen „Oremus“ eingeleitet wird, die man sich aber durchaus als eine Kette von 10 aneinandergehängten Einzelorationen vorstellen kann. Die ersten vier davon sind ganz und gar vom im Bewußtsein der eigenen Sünden vorgetragenen Apell an Gottes Barmherzigkeit bestimmt. Sie schließen mit der Bitte:
Gott, Du wirst durch die Sünde beleidigt und durch die Buße versöhnt; sieh gnädig auf das Gebet Deines flehenden Volkes und wende ab die Geißeln Deines Zornes, die wir für unsere Sünden verdienen.“
Dem folgen Bitten für den regierenden Papst, er möge mit Gottes Gnade das erstreben, was Gott wohlgefällig ist, dann im gleichen Geist die Bitte um jenen „Frieden, den die Welt nicht geben kann“ und schließlich um die Gabe des hl. Geistes, damit „wir keuschen Leibes Dir dienen und mit reinem Herzen Dir gefallen“. Der Gedanke, daß Gott den Menschen die Gnade gewähren möge, das zu erstreben, was Gott wohlgefällig ist, durchzieht wie ein roter Faden die Kette dieser Orationen. Kein „Non Serviam“, kein Machbarkeitswahn – nur Demut. In der neunten Bitte wird dieser Geist des rechten Bittens noch einmal sehr prägnant zusammengefasst ausgesprochen:
Wir bitten Dich, o Herr: Komm unserem Tun mit Deinen Eingebungen zuvor und begleite es mit Deiner Hilfe, auf daß all unser Beten und Handeln stets von Dir begonnen und, wie begonnen, auch durch Dich vollendet werde.
Die abschließende zehnte Bitte fügt noch einmal alles vorher gesagte zusammen, ohne Neues hinzuzufügen – danach beginnt das eigentliche Bittamt.
Das alles ist wie ein Blick in eine längst vergangene Welt. Er provoziert die Beunruhigende Frage: Steht das Ende der Kirche, wie unsere Vorfahren Sie über ein Jahrtausend lang kannten, wirklich noch bevor – oder ist es bereits eingetreten?
Literatur zur überlieferten Liturgie
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- 02. Mai 2020
Anfang dieser Woche ist bei Angelico Press die englische Ausgabe des Kompendiums von Michael Fiedrowicz zur überlieferten Liturgie erschienen: The Traditional Mass – History, Form & Theology of the Classical Roman Rite. Die zuerst 2011 erschienene deutsche Originalversion – hier unsere damalige Vorstellung – ist inzwischen in der 5. Auflage herausgekommen. Fr. Zuhlsdorf hat die Veröffentlichung der englischen Übersetzung zum Anlaß genommen, eine kurze Liste weiterer wichtiger Bücher zur Liturgie zusammenzustellen. Die Idee greifen wir gerne auf, und das umso lieber, als der größere Teil der dort aufgeführten Titel nicht nur auf Deutsch erhältlich ist, sondern tatsächlich auch von deutschen Autoren verfaßt worden ist. Die Wüste lebt – und das trotz des veritablen Boykotts der deutschen Universitäts-Liturgologie gegenüber Büchern wie dem von Fiedrowicz und anderen rechtgläubigen Autoren.
Wir orientieren uns an der von Fr. Zuhlsdorf gegebenen Reihenfolge, die offensichtlich weder chronologisch geordnet ist noch eine Wertung erkennen läßt. Letzteres völlig zu Recht, denn die Verschiedenheit der Autoren und ihrer Ansätze ließe jeden Versuch einer Wertung scheitern.
- Martin Mosebach. Häresie der Formlosigkeit: Die römische Liturgie und ihr Feind, Rowohlt Taschenbuch, erweiterte Neuauflage von 2019
- Peter Kwasniewski, Noble Beauty, Transcendent Holiness: Why the Modern Age Needs the Mass of Ages, Angelico Press 2017. Bisher nur in Englisch. Auf Deutsch von Kwasniewski:
- Peter Kwasniewski, Neuanfang inmitten der Krise. Die heilige Liturgie, die traditionelle lateinische Messe und die Erneuerung der Kirche. Una Voce Edition 2017
- Joseph Kardinal Ratzinger, Der Geist der Liturgie – Eine Einführung, Herder
- Klaus Gamber , Die Reform der römischen Liturgie – Vorgeschichte und Problematik, Pustet 1979
- Uwe Michael Lang. Conversi ad Dominum. Zur Geschichte und Theologie der christlichen Gebetrichtung, Johannes-Verlag 2005
- Robert Kardinal Sarah, Kraft der Stille: Gegen eine Diktatur des Lärms, fe-Medienverlag 2019
Bei Fr. Zuhlsdorf nicht auf dem Radar waren:
- Matthias Gaudron, Die Messe aller Zeiten – Ritus und Theologie des Messopfers, Sarto 2008
- Stefan Heid, Altar und Kirche – Prinzipien chistlicher Liturgie, Schnell+Steiner 2019
Heids umfassendes Handbuch, das ganz wesentlich aus der Sicht der christlichen Archäologie verfaßt ist und alles zusammenträgt, was über die tatsächliche Lehre und Praxis des Gottesdienstes der frühen Zeit bekannt ist, hatten wir bereits hier und hier vorgestellt.
Gefahr für Summorum Pontificum?
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- 24. April 2020
Auf Anordnung von Papst Franziskus hat sich die Glaubenskongregation an die Bischöfe der Weltkirche gewandt, um Infoirmationen über den Stand der Anwendung des Dokuments in den Diözesen einzuholen. Die Anfrage wurde am 7. März versandt, als Schlußtermin für die Einreichung von Antworten ist der 31. Juli genannt. Der Fragenkatalog, der Rorate Caeli im Wortlauf vorliegt, umfaßt 9 Fragen:
- Wie ist die Situat ihrer Diözese hinsichtlich der außerordentlichen Form des römischen Ritus?
- Im Fall, daß die außerordentliche Form dort zelebriert wird, geht das auf ein echtes pastorales Bedürfnis zurück oder auf die Initiative eines einzelnen Priesters?
- Gibt es Ihrer Meinung nach positive oder negative Aspekte der Verwendung der außerordentlichen Form?
- Werden die Vorgaben und Bedingungen von Summorum Pontificum eingehalten?
- Haben Sie den Eindruck, daß in Ihrer Diözese die ordentliche Form Elemente der außerordentlichen Form aufgenommen hat?
- Verwenden Sie für die Feier der hl. Messe das Missale, das Papst Johannes XXIII. 1962 in Kraft gesetzt hat?
- Gibt es neben der Feier der hl. Messe in der außerordentlichen Form auch noch andere Feiern (etwa Taufe, Firmung, Eheschließung, Beichte, Krankensalbung, Priesterweihe, Stundengebet, Ostertriduum, Beerdingsriten) die nach den liturgischen Büchern vor dem II. Vatikanischen Konzil durchgeführt werden?
- Hat sich das Motu Proprio Summorum-Pontificum auf das Leben in den Seminaren (den diözesanen Seminaren) und anderer Ausbildungsstätten ausgewirkt?
- Welchen Rat geben Sie 13. Jahre nach Summorum Pontificum hinsichtlich der außerordentlichen Form des römischen Ritus?
Diese Fragen sind im großen Ganzen neutral formuliert, so daß nicht zu sagen ist, sie seien mit der Erwartung eines bestimmten Ergebnisses abgefasst worden. Sie geben allerdings den Reaktionen auch weiten Raum, und es braucht wenig Phantasie, sich vorzustellen, welche Antworten die überwiegende Mehrheit der mitteleuropäischen, aber auch der südamerikanischen und der asiatischen Bischöfe geben werden. In den USA und Afrika ist die Stimmung eher gemischt – aber auch dort sind die Vertreter der traditioneller Positionen in der Minderheit. Diese Stimmung kennt – und teilt – man natürlich auch in Rom, wo man dazu tendiert, jedes Entgegenkommen gegenüber den Gläubigen der traditionellen Lehre und Liturgie als Konzession zu sehen, die je nach Entwicklung der Kräfteverhältnisse auch wieder zurückgenommen werden kann. Der kürzliche Vorstoß von Andrea Grillo zur offiziellen Aufkündigung von Summorum Pontificum mag darauf hindeuten, daß die Erben Bugninis einen günstigen Zeitpunkt gekommen sehen, um die überlieferte Liturgie und Lehre (diese Koppelung wird immer deutlicher erkennbar) zurückzudrängen.
Dabei bleibt allerdings fraglich, worauf die Grillo, Leonhard, Kranemann und Co. diese Einschätzung stützen könnten. Selten zuvor hat die Liturgie Bugninis/Pauls VI. ihre mangelnde Verwurzelung im katholischen Volk und ihre theologische Substanzlosigkeit so unter Beweis gestellt wie in den Wochen der Pandemie, in denen der Episkopat weltweit mehrheitlich den Eindruck erweckt, selbst nicht mehr zu wissen, was es mit der angeblich so neufrühlingshaft erneuerten Liturgie und Sakramentenlehre auf sich hat.
Mehr als eine Gefahr - ein Angriff
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- 24. April 2020
Die Kollegen von ‚Messa in Latino', die nicht nur naher an der römischen Gerüchteküche sind als wir, sondern manchmal gerade als ein Teil davon erscheinen, haben zusammengetragen, was sie über die Hintergründe der Befragungsaktion zu Summorum Pontificum erfahren konnten – und das gibt kein schönes Bild. Der Vorgang ist zwar bei der Glaubenskongregation angesiedelt und die Dokumente tragen die Unterschrift ihres Präfekten Ladaria S.J. - aber die „Sektion IV" der Kongregation, die die Mitarbeiter und Kompetenzen der früheren Kommission Ecclesia Dei übernommen hat, war allem Anscheinend nach mit der Sache in keiner Weise befaßt und hat wohl erst nach deren Abschluß davon erfahren. Wer wirklich dahinter steckt bleibt vorerst unklar – wie so vieles in diesem Pontifikat.
Die in solchen Fällen gerne anonym zitierten „Beobachter" und „informierten Kreise" gehen allerdings davon aus, daß der Aufruf von Andrea Grillo zur Beendigung des liturgischen Ausnahmezustandes – als solchen betrachten er und seine Umgebung die Existenz zweier Formen des römischen Ritus – wesentlich dazu beigetragen haben dürfte. Jedenfalls hat Grillo auf seiner Facebook-Seite die Umfrage sogleich nach deren öffentlichem Bekanntwerden (bei Rorate Caeli in den USA!) begeistert begrüßt: „Bedeutet das das Ende der Ausnahmezustandes? Nun müssen Theologen und Liturgiker sich im Detail mit dessen üblen Erscheinungen befassen. Eine wirklich wertvolle Aufgabe." Die „informierten Kreise" rechnen zwar nicht direkt mit einer Aufhebung des Motu Proprio, sondern erwarten eher einen länger hingezogenen Prozeß zu dessen Unterminierung und schließlichen Überwindung. Das würde jedenfalls gut zu der „Zeit ist größer als Raum"-Strategie von Franziskus passen, der bisher stets davor zurückgeschreckt ist, Bestehendes mit lautem Lärm abzuschaffen oder umzustürzen und sich damit zufrieden gibt, die Grundlagen des Bestehenden zu untergraben und schutzlos den Attacken seiner Gegner auszusetzen.
Zusammen mit den Bestrebungen, den Ortsbischöfen mehr Entscheidungsvollmacht über die Liturgie in ihren Bistümern zuzusprechen, könnte diese Entwicklung bereits mittelfristig dazu führen, den Status der überlieferten Liturgie auf den des Motu Proprio „Ecclesia Dei afflicta" von 1988 – oder sogar noch weiter – zurückzuwerfen. Nicht, daß das für die Praxis in den meisten mitteleuropäischen Bistümern einen großen Unterschied machen würde. In den USA und anderen englischsprachigen Ländern schon eher, und zweifellos würden dadurch die Aktionsmöglichkeiten der traditionsorientierten Gemeinschaften wie der Petrusbruderschaft oder des Instituts Christus-König überall noch weiter eingeschränkt. Eine schlechte, wenn auch nicht gänzlich überraschende „Belohnung" dieser Gemeinschaften für ihr eher zurückhaltendes Auftreten in den letzten Jahrzehnten.
Warum dieser Angriff – denn ein solcher scheint tatsächlich bevorzustehen – gerade zum jetzigen Zeitpunkt erfolgt, ist schwer zu ergründen. Es ist ja nicht so, daß die „Amtskirchen" und Gemeinschaften die sich rückhaltlos der „erneuerten Liturgie" des vergangenen Jahrhunderts verschrieben haben, vor Kraft kaum stehen könnten. Ganz im Gegenteil. Die Gläubigen sind in Massen davon gelaufen, Staat und Gesellschaft verachten sie. Die Reaktion der meisten Bischöfe und vieler Priester auf die Unterbindung der sakramentalen Grundvollzüge im Zeichen eines alle anderen Werte bestreitenden Säkularismus zeigt, daß die Schwäche der neuen Lehre und Liturgie und die dadurch hervorgerufene Lähmung inzwischen die Zentren des geistigen Lebens der Konzilskirche erreicht hat. Aber vielleicht ist es gerade diese offenkundig vor aller Augen liegende Schwäche eines Apparates, der sich seine Aufgabe und Zukunft nur noch als staatlicher Dienstleister vorstellen kann, die seine Nutznießer dazu anstachelt, jede Alternative aus dem Blickfeld zu schaffen.
Wir hatten die hier aufgeworfenen Fragen schon einmal vor vier Wochen angesprochen und waren zu dem sehr unvollständigen Ergebnis gekommen, die zunehmenden Angriffe gegen die kleine Schar derer, die an der Tradition der Kirche festhalten, seien „wohl Ausdruck der Wut und Enttäuschung darüber, daß die überlieferte Liturgie eben nicht „in der historischen Vergangenheit abgeschlossen" ist, sondern weiterlebt und weiterleben soll." Und wir befürchteten weiter, die darauf gerichteten Aktionen offenbarten „den Willen einer anscheinend immer stärker werdenden Fraktion der Modernisten und Säkularisten in der Kirche, die Spaltung voranzutreiben." So ist es wohl. Papst Benedikts Versuch, den Bruch zwischen Vor- und Nachkonziliaren zu heilen oder zumindest zu überdecken, ist ihnen verhaßt. Sie wollen das Schisma – und sie beginnen ein teuflisches „Schwarzer-Peter"-Spiel, das den kleinen Rest der Glaubenstreuen ins Unrecht setzen und ihm die Schuld für die mit Macht betriebene Spaltung zuweisen soll.