... pax hominibus bonæ voluntatis
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- 21. Dezember 2022
Gloria in excelsis Deo et in terra pax hominibus bonæ voluntatis.
So sangen es die Gottesboten nach dem 2. Kapitel des Lukasevangeliums auf dem Hirtenfeld von Bethlehem, so verkündet es die Kirche im Weihnachtsevangelium und so singt sie es bis auf den heutigen Tag im „Gloria“ der Sonn- und Feiertagsmesse. Über die korrekte deutsche Übersetzung gab es in der Kirche jahrhunderte lang keinen Zweifel: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen, die guten Willens sind. So steht es schon im Deutschen Messbuch von Christopher Flurheym aus dem Jahr 1529, und so steht es in praktisch allen katholischen Bibelübersetzungen und volkssprachlichen Messbüchern bis ins Jahr des Unheils 1969, als der alte Schrott ausgemustert und zunächst durch variantenfreundliche Ringhefter ersetzt wurde.
Im aktuellen Gotteslob (2014) heißt es da für die zweite Satzhälfte: „Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade“ – so wurde es aus der damals gültigen „Einheitsübersetzung“ (von 1980) übernommen. Inzwischen steht in der „Einheitsübersetzung“ (von 2016) da „Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens“ – inwieweit die deutschen Messbücher und das Gotteslob dem schon angepasst wurden, und inwieweit die Anpassungen auch tatsächlich in Gebrauch sind, entzieht sich unserer Kenntnis.
Der Unterschied in den Worten ist wie so oft, wenn Worte absichtlich verändert werden, inhaltlich nicht trivial. Die alte Fassung mit den „Menschen, die guten Willens sind“, betont recht deutlich, daß der „Friede“ (im Wort schwingen die Bedeutungen „Heil“ und „Erlösung“ mit) nicht unterschiedslos allen Menschen gilt, sondern daß es da eine Einschränkung gibt auf den Kreis derer, die „guten Willen“ haben – die Gott die Ehre erweisen und den von ihm angebotenen „Frieden“ annehmen und in ihrem Leben beantworten und bekräftigen. So haben es auch die Väter und die Lehre der Kirche stets verstanden. Die Sache hat also zwei Seiten, zwei Richtungen: Das Angebot von Frieden und Heil „von Oben“ und den zumindest „guten Willen“ von Unten. Die moderne (besser sollte man sagen: die gerade in Mode befindliche) Übersetzung lässt diese Zweiseitigkeit verschwinden und ersetzt sie mit dem Bezug des „guten Willens“ auf Gott durch ein eindeutiges „von Oben“. Eine Mitwirkung des Menschen ist nicht mehr erkennbar, und offen bleibt höchstens noch, ob Gott seine Gnade unterschiedslos im Sinne einer Allerlösungslehre tatsächlich allen Menschen zusagt und zuwendet, oder ob das im Sinne einer Prädestinationslehre auf einen feststehenden Kreis von Auserwählten beschränkt ist. Das Mittun des Menschen schwindet aus dem Blickfeld.
Mit der Ersetzung von „Gnade“ durch „Wohlgefallen“ geht die Version 2016 noch einen Schritt auf dem Weg zur Verwässerung des überlieferten Glaubens weiter: Wo „Gnade“ doch ganz wesentlich übernatürlich konnotiert ist und zumindest im Ungefähren den größeren Zusammenhang von Schuld und Vergebung, Sünde und Erlösung anklingen läßt, ist das bei Gottes „Wohlgefallen“ weitaus weniger der Fall.
Natürlich versuchen die Vertreter der „modernen“ Variante, ihre Version wissenschaftlich zu untermauern. Zwar führt nach der Vulgata keinm Weg an dem „Menschen guten Willens“ vorbei – der Textbefund ist hier so eindeutig, daß auch die sonst recht änderungsfreudige Nova Vulgata beim „bonæ voluntatis“ geblieben ist. Aber was schert uns die Vulgata-Tradition der lateinischen Kirche – wir haben ja auch noch eine griechische Fassung, und die weist doch tatsächlich zwei leicht abweichende Textstränge auf: Die eine Variante sagt „en anthropois eudokias“ – die andere hat ein Sigma weniger und schreibt: „en enthropois eudokia“. Das erste entspricht inhaltlich präzise der Vulgata, also den „Menschen guten Willens“, und war wohl die Grundlage für die alten lateinischen Übesetzungen; das zweite ermöglicht die „moderne“ Übersetzunge, etwa in der Lesart: Gott in der Höhe soll die Ehre zukommen – und den Menschen auf der Erde die (von Gott ausgehende) Gnade.
Daß die mehrheitlich modernistisch orientierten Köpfe hinter der „Einheitsübersetzung“ sich für diese der katholischen Tradition fremde Lesart entschieden haben, kann niemanden überraschen. Trotzdem hätte man natürlich doch gerne eine Begründung für ihr Vorgehen gehört oder gelesen, aber leider gibt es keine für das gemeine Volk erreichbaren Protokolle der von den Übersetzern 1980 und dann wieder 2016 verfügten Änderungen. Die Ausgaben der „Einheitsübersetzung“ erscheinen praktisch ohne Anmerkungen und ohne jede textkritische Kommentierung – sie bleiben somit weit hinter den für ein interessiertes und einigermaßen gebildetes Laienpublikum gedachten Bibelausgaben von Allioli (Mitte des 19. Jh.) und der von den Dominikanern betreuten „Jerusalemer Bibel“ (Mitt des 20. Jh.) zurück. Damit sind die Einheitsübersetzungen ein irritierender Ausdruck des „Professoren-Klerikalismus“, in dem die deutschen Staats-Theologen seit dem Konzil immer dreister das Lehramt der Kirche (oder das, was von ihm noch übrig geblieben ist), für sich beanspruchen.
In einem Artikel des Osnabrücker Kirchenboten fanden wir immerhin einen Hinweis auf eine mögliche Begründung dieser Textänderung Dort wird zunächst zugestanden: „Grammatikalisch könnten die Genitive „bonae voluntatis“ und „eudokías“ sowohl auf die Menschen wie auf Gott bezogen werden.“ Doch dann folgt: „Die heutige Bibelwissenschaft bezieht den Ausdruck aber aufgrund außerbiblischer Parallelen auf Gott.“ Zu diesen „außerbiblischen Parallelen“ würde man gerne einmal näheres erfahren – so schrecklich viele Paralleltexte aus der Zeit der Entstehung des Lukasevangeliums gibt es ja nicht.
Aber es gibt tatsächlich innerbiblische Parallen, die geeignet sind, Licht auf das hier anstehende Problem zu werfen. In den Psalmen tauchen mehrfach Wendungen auf, die sehr ähnlich wie das hier zur Diskussion stehende „Menschen guten Willens“ klingen – natürlich in Hebräisch oder im Griechisch der Sepuaginta, das gut 300 Jahre älter ist als die Sprache des Lukasevangeliums. Als Beispiel sei hier auf Psalm 7, 11 verwiesen, wo es (alle Beispiele nach der Septuaginta) heißt, daß Gott denen das Heil bringt, „die aufrichtigen Herzens sind“. Ähnlich in Psalm 31, 11 oder Psalm 35, 11, oder 35, 14 oder 63,11. Umgekehrt funktioniert es auch, etwa in 10, 3, wo die Übeltäter ihre Pfeile gegen die richten, „die aufrichtigen Herzens sind“. Die mit „aufrichtigem Herzen“ sind stets die Guten oder die, die sich ums Gut-Sein bemühen oder die, die von den Bösen verfolgt werden. Und Gott schaut auf und in die Herzen der Menschen: „Der Ihre Herzen gebildet hat, er schaut auf all ihre Taten“(Ps. 33, 15). Nach dem ersten Buch des Psalters haben wir unsere Suche abgebrochen; vermutlich gibt es noch mehr Beispiele, die hier anzuführen wären.
Wenn in den angeführten Passagen der Psalmen stets von „Herz“ (kardia/cor) und und nicht wie bei den Engeln des Evangeliums von „Willen/Absicht“ (eudokia/voluntas) die Rede ist, dann deshalb, weil im Hebräischen, dessen Wortgebrauch die Septuaginta manchmal sehr eng folgt, das „Herz“ eben gerade der Sitz des menschlichen Willens und seiner Absichten ist. Wo in den Psalmen und anderen biblischen Schriften vom „Herz“ (hebr. nephesh) die Rede ist, ist immer – ganz ähnlich wie im Deutschen ja auch – das menschliche Herz und die menschliche Seele mit ihren Wünschen, Leidenschaften und Abgründen gemeint. Das Herz ist der Sitz des menschlichen Willens und Wollens. Gott demgegenüber hat kein „aufrichtiges Herz“ er ist die Aufrichtigkeit und alles Gute selbst. Und wo es um die von ihm ausgehende Gnade geht, wird im Sprachgebrauch des Alten Bundes vom „Angesicht Gottes“ gesprochen, das er den Menschen zuwendet, oder dessen Licht die Menschen aufsuchen können.
Wir wissen nicht, in welcher Sprache die Engel von Bethlehem gesungen haben und in welcher Sprache Lukas davon berichtet worden ist, bevor er es dann im Griechisch seiner Zeit aufgeschrieben oder einem Schreiber diktiert hat. Aber nach dem wenigen, was wir hier angeführt haben (und was echte Schriftgelehrte vermutlich um viele andere Beispiele ergänzen könnten), haben die Boten der Geburt sich gegenüber den Frommen, die auf die Ankunft des Herrn wartenden, in genau der Sprache geäußert, die diesen aus der Verheißung der Schrift und ihren Gebeten bekannt war: Daß der Herr, der die Himmel in seiner Glorie erleuchtet, sich ihnen erneut zuwendet, um denen das Heil zu bringen, die mit ihrem schwachen guten Willen Seinem göttlichen Willen folgen.
Die Hinzuziehung „außerbiblischer“ Texte zur (Verun)Klärung einer Schriftstelle, deren Verständnis seit weit über tausend Jahren keinerlei Schwierigkeiten bereitet hatte, ist völlig überflüssig und wirft kein gutes Licht auf die Absichten derer, die sich dahingehend betätigen.