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Die Vorfastenzeit bereitet darauf vor, die Brücke zur Überwindung der Kluft zwischen Zeit und Ewigkeit zu betreten.

15. Februar 2025

4 - Gemeinden und Gemeinschaften

Kupferstich mit der sehr barock-architektonisch ausgestalteten Szene vom Gutsherrn, der Arbeiter für seinen Weinberg sucht.

Der Weinberg als Übungsgrund für den Weg ins himmlische Jerusalem

Die Vorfastenzeit diente in früherer Zeit der Vorberei­tung, heute würde man sagen, der Motivation, die Mühen und Entbehrungen der eigentlichen Fastenzeit auf sich zu nehmen. noch stärker. Von daher geht der Sonntag Septuagesima vom Widerspruch, ja dem Gegensatzes zwischen dem Leben in der Welt und dem Ziel des ewigen Lebens in der Gegenwart Gottes aus und will die Kräfte mobilisieren, den steinigen Weg von der einen in die andere Welt auf sich zu nehmen – bildlich ausgedrückt in der Epi­stel in dem Vergleich mit dem Training eines Spitzensport­lers (1. Cor. 9). Auch das Evangelium unterstützt diesen Gedankengang: Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20, 1 ff) ruft dazu auf, die Gebote und die Disziplin des Herrn anzuerkennen – auch und gerade da, wo sie im Widerspruch zu den Gewohnheiten der Welt und ihres Alltags stehen. Die abgemagerte Liturgie der 1969er Reform hat mit dem Konzept der Vorfastenzeit auch diesen Gedankenzusammenhang weitgehend aufgegeben und begnügt sich am 6. Sonntag im Jahreskreis mit eher all­gemeinen Heilsversprechen. Von der „Mühe und Last des Tages“ (Mt 20, 12) spricht sie nicht so gerne – das würde ihrer Auffassung davon widersprechen, wie man am besten Brücken baut zwischen der Welt, in der wir leben, und der, in der wir leben sollen.

Dabei ist es doch eine in vielen Aussagen der hl. Schrift immer wieder bekräftigte Wahr­heit, daß diese „Mühe und Last“ bzw. deren Überwindung das eigentliche Wesen jedes Wegs zum Heil ausmachen. Noch der Generation unserer Großeltern war es völlig einsichtig, wenn in überkommenen Gebeten und Liedern von der Erde als „Jammertal“ die Rede war – seit Penicillin, Kunstdünger und fließend Wasser in der kleinsten Hütte (Europas, wohlgemerkt) gilt das als gänzlich unvermittelbar. Dabei ist es doch für jeden, der nur ein bißchen unter die auf Hochglanz polierten Oberflächen zu schauen sucht, unübersehbar, daß das „Jammertal“ nur komfortabler möbliert worden ist – im geistigen und geistlichen Bereich haben sich Verwahrlosung und Elend nur noch weiter ausge­breitet. Die Konfliktlinien sind nicht verschwunden, sie haben sich nur verschoben.

Die Widersprüche zwischen der „modernen Welt“ (womit freilich im wesentlichen nur die westlichen Industriegesellschaften gemeint sind) und dem auf Christus und die Apostel zurückgehenden Glauben und der darauf beruhenden Lehre der Kirche spitzen sich zu und werden vielfach als Gegensätze wahrgenommen. Nicht nur abstrakt philo­sophisch, sondern ganz konkret und ins Leben eingreifend, in einer vermeintlichen „Emanzipation“ von allen natürlichen Rahmenbedingungen menschlicher Existenz, im Genderwahn, in der immer wieder auflebenden Abtreibungsdiskussion, in der Auflösung aller herkömmlichen Lebensstrukturen durch den zur Staatsideologie geronnenen Migrationismus und Globalismus.

Die katholische Kirche versucht nicht erst seit dem Zweiten Vatikanum und „Gaudium et Spes“, das darin liegende Konfliktpotential zu entschärfen. Dabei gerät sie freilich immer öfter in Gefahr, die tiefe Kluft zwischen dem Leben in der Welt und der Hinordnung auf die Ewigkeit klein zu reden oder zu zu übersehen. Doch der „Fürst der Welt“ und der „Herr der Ewigkeit“ , sind nun einmal nicht Partner und Verbündete, sondern Gegner in einem Kampf auf Leben und Tod. Die schmale Brücke aus dem Reich des einen in das des anderen ist immer schwerer zu erkennen und noch schwerer zu begehen.

Zumal die genannten Konflikte und Widersprüche längst nicht mehr nur zwischen „Kirche“ und „Welt“ ausgetragen werden, sondern auch innerhalb der Kirche, und seit Franziskus unter zunehmender Gefahr einer Spaltung. Die Suche nach „mittleren Wegen“, wie sie jetzt wieder Kardinal Koch vorgeschlagen hat, mag ein in sich begrü­ßenswerter Ansatz sein; sie hat jedoch innerhalb der Kirche und im Verhältnis von Kirche und „Welt“ wenig bewirkt – außer die Position und Haltung der Kirche in vielen Fragen immer mehr zu verunklaren. Sowohl nach außen, wo niemand mehr sagen kann, wofür und wogegen die Kirche eigentlich steht, aber auch nach innen nicht, wo sich die Gläubigen immer öfter darauf verwiesen sehen, ihrem Gewissen zu folgen – während man ihnen gleichzeitig eindeutige Maßstäbe zur Gewissensbildung verweigert.

Traditionsorientierte Katholiken neigen dazu, diese große Auseinandersetzung vor allem auf dem Feld der Liturgie und in der Sexualmoral wahrzunehmen – dort sind die Auswir­kungen jedenfalls am deutlichsten sichtbar. Das sollte jedoch nicht dazu führen, die anderen Felder zu übersehen. Und vor allem sollte man nicht übersehen, daß die Litur­gie, richtig verstanden, nicht das alleine ausschlaggebende Feld dieser Auseinanderset­zungen ist: Trotz aller berechtigten Kritik an Novus Ordo und Liturgiereform ist es immerhin möglich, auch die „Reformtheologie“ im Sinn des überlieferten Glaubens und seiner Lehre zu zelebrieren und mitzufeiern, während das in anderen Streitfragen nicht möglich ist: Eine selbst nur angedeutete Gleichstellung der „Homoehe“ widerspricht den Inhalt des Ehesakraments und ist geeignet, es zu zerstören. Oder verallgemeinert: Es gibt inhaltliche Elemente der Lehre Christi, die durch Menschen in keiner Weise geändert oder auch nur relativiert werden können, und es gibt formale, historische, kulturell bedingte Elemente, über die man diskutieren kann und die veränderbar sind. Abstrakt gesehen können dem alle zustimmen, doch sobald es konkret wird, entstehen Unklar­heiten und Konflikte

Ein breites Feld von Beispielen für solche Unklarheiten bietet der von Koch betreute ökumenische Raum, und da vor allem die Beziehungen mit den „echten“ Kirchen, die die von Christus gestiftete Sakramentale Struktur seines Heilswerkes bewahrt haben. Wobei sich diese Struktur, nebenbei bemerkt, am deutlichsten sichtbar in der Liturgie ausdrückt und dort auch praktisch gelebt oder eben nicht gelebt wird. Jedenfalls gibt es hier nicht nur Spielräume für den Austausch von Erfahrungen und den Abbau von Differenzen, sondern auch für tatsächlichen Brückenbau mit dem Ziel, mehr und tiefere Einheit zu erreichen. Dabei darf der realistische Blick auf die Welt freilich nicht übersehen, daß es letzten Endes nur der Gute Hirte selbst ist, der alle Schafe auf der Einen Weide versam­melt.

In den ökumenischen Bestrebungen, die die Kirche mit Recht seit bald einem Jahrhun­dert als eine ihrer größten Aufgaben betrachtet, ist dieser realistische Blick allerdings stark gefährdet und droht vor dem Hintergrund der Illusion „Bei gutem Willen ist alles möglich“ ganz verloren zu gehen. Einigungsbestrebungen, die die Schlüsselfunktion und die zentrale Rolle Christi und seines Erlösungswerkes nicht zur Grundlage haben, mögen gewisse erfreuliche Auswirkungen auf das irdische Zusammenleben der Menschen haben – aber die Einheit, auf die es wirklich ankommt, können sie nicht erreichen. Und wo sich Träger des Lehramtes rückhaltlos hinter solche Bestrebungen stellen wie in der Erklärung von Abu Dhabi, wird unter dem Vorwand des Brückenbaus eine Grenze negiert, die durch keine Brücke zu überwinden ist: Ohne Christus wird in der Welt nichts von dem verbessert, auf das es wirklich ankommt..

Vor diesem Hintergrund und in diesen Grenzen muß man auch die Arbeit von Kardinal Kurt Koch betrachten, der als langjähriger Vorsitzender des Päpstlichen Rates (seit 2022 „Dikasterium“) zur Förderung der Einheit der Christen quasi hauptberuflich und jeden­falls aus tiefster Seele als „Brückenbauer“ tätig ist – und dabei gelegentlich in die Versu­chung gerät, auch da Bauplatz für Brücken zu sehen, wo die Ufer so weit entfernt sind, daß es unmöglich ist, von der einen Seite aus das Ufer auf der anderen Seite auszu­ma­chen. Und so wie die Dinge sich in den beiden letzten Jahrzehnten entwickelt haben, zeigt sich diese Unmöglichkeit nicht nur immer öfter im „Dialog“ mit nichtchristlichen Gemeinschaften, sondern auch zwischen christlichen Konfessionen und ganz besonders verhängnisvoll sogar innerhalb der einen katholischen Kirche, deren Theologen, Bischöfe und vor allem dem Papst doch die Aufgabe zukäme, die großen und kleinen Inseln des Archipels „Kirche Christi“ so beeinander zu halten, daß sie zwanglos mit Brücken verbunden bleiben.

In seiner Dankesrede zur Verleihung eines Ehrendoktorats der katholischen Universität Valencia hat Kardinal Koch dieser Tage (sicher ungewollt) ein Beispiel dafür gegeben, wie groß die inzwischen aufgetretenen Distanzen geworden sind – und wie untauglich die Mittel,die amtlicherseits als Werkzeuge des Brückenbaus empfohlen werden.

Der Dialog zwischen Kirche und heutiger Welt, so der Kardinal, darf „nicht dazu führen (...), daß sich der Glaube und die Kirche auf säkulare Weise an die Welt anpassen und damit ihre Identität auf gefährliche Weise aufgeben“. Und dann fährt er fort, die Reform der Kirche könne keine „Wesensänderung“ bedeuten, sondern bestehe in der „Beseiti­gung dessen, was nicht authentisch ist“ – durch einen Prozess der Reinigung der Kirche „ausgehend von ihren Ursprüngen“, damit „die von Christus gewollte Form der einen Kirche wieder sichtbar werden kann“. Und weiter: „Für das Konzil waren die Treue zu den Ursprüngen und die Anpassung an die Zeit keine Gegensätze. Vielmehr wollte das Konzil den katholischen Glauben in einer Weise verkünden, die sowohl den Ursprüngen treu als auch zeitgemäß ist, um den Menschen von heute die Wahrheit und Schönheit des Glaubens zu vermitteln, damit sie ihn verstehen und als Hilfe für ihr Leben annehmen können“, betonte er.

Was die Sichtweise des Konzils war, ist nicht immer leicht zu erkennen – zu unent­schie­den und doppeldeutig sind viele seiner Formulierungen, gerade auch in so wichtigen Texten wie Sacrosanctum Concilium oder Lumen Gentium. Es hatte schon seinen Grund, daß frühere Konzile ihre Lehre in sogenannten „Anathemas“ präzisierten, die ganz eindeutig sagten, was gemeint und was nicht gemeint war. Und ebenso hatte es seinen Grund, daß das vergangene Konzil auf solche Vereindeutigungen verzichtet hat.

Umso eindeutiger sind hingegen die Dokumente und Aussagen der Bergoglianer, die gegenwärtig behaupten, das Lehramt der Kirche zu repräsentieren: Unter Berufung auf die Erfordernisse der „modernen Welt“ erlauben sie – z.B. hinsichtlich der Sexualmoral – was seit den Ursprüngen und bis gestern verboten war, und verbieten sie – etwa in der Liturgie – was seit den frühesten Zeiten selbstverständlich als von Christus eingesetzt und den Aposteln überliefert praktiziert worden ist. Noch deutlicher kann man den Gegensatz zu den Ursprüngen nicht markieren.

Das ist nicht mehr der wohlgeordnete und mit schützenden Mauern umgeben Weinberg, in den der Herr nach dem heutigen Evangelium alle schicken will, die bereit sind, an seinem Werk mitzuarbeiten. Das ist eher der Weinberg, von dem es in Psalm 79 heißt

Du hobst in Ägypten einen Weinstock aus,
/ du hast Völker vertrieben, ihn aber eingepflanzt.
Du schufst ihm weiten Raum;
/ er hat Wurzeln geschlagen / und das ganze Land erfüllt. (...)
Warum rissest du seine Mauern ein?
/ Alle, die des Weges kommen, plündern ihn aus.
Der Eber aus dem Wald wühlt ihn um,
/ die Tiere des Feldes fressen ihn ab.
Gott der Heerscharen, wende dich uns wieder zu!
/ Blick vom Himmel herab, und sieh auf uns!
(Einheitsübersetzung 1983, dort Psalm 80.)

In solche Verwüstung Arbeiter zu schicken, womöglich noch ungelernte Eckensteher, wird wenig bewirken. Da muß schon der Hausherr selbst mit Hand anlegen, und wer wähnt, ohne IHN auskommen zu können, wird sich wundern.

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