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Zu Allerheiligen: Santo Subito — Aus dem Erdenleid zur Heiligkeit in zwei Stunden

01. November 2025

3 - Tradition

Die Aufnahme zeigt das Krankenbett mit der Frau von Kennedy Hall, die ihren sterbenden Neugeborenen im Arm hält, und am Fußende den Priester bei der Spendung der Sakramente

Nottaufe im Krankenhaus

Zusammen mit dem nebenstehenden Photo veröffentlichte der amerikanische katholische Autor und Youtuber Kennedy Hall in der vergangenen Woche folgende Mitteilung:

„Gabriel Augustin Hall wurde um 13 Uhr geboren und lebte bis 15:15. Ich ließ ihn im überlieferten Ritus taufen, und kurz darauf wurde er gefirmt. Mit dabei waren seine sechs Geschwister und die Großelten. Wir alle zusammen sangen für ihn „Happy Birthday“ mit einem kleinen Kuchen und einer Kerze.

Jetzt ist er ein Heiliger im Himmel.

Lieber Gabriel, bitte lege Fürsprache für uns ein, damit wir alle an dem Ort wieder vereint sein werden, wo es keine Tränen mehr gibt und wo wir Gott in alle Ewigkeit preisen können.“

Peter Kwasniewski veröffentlicht dazu auf Tradition and Sanity den folgenden Artikel mit lesenswerten liturgischen Anmerkungen:

In meinem alten St. Andrew’s Daily Missal - das ich sowohl wegen seiner hervorragenden Kommentare als auch wegen seines Kalenders und der Gestaltung der Karwoche, denen Bräuche immer mehr traditionelle Gemeinden aufnehmen, sehr schätze – findet sich auf Seite 1821 die Überschrift: „Die Beisetzung kleiner Kinder“. Der Kommentar lautet:

Wenn ein getauftes Kind stirbt, bevor es das Vernunftalter erreicht hat, geht es sofort in den Himmel, um Gott zu preisen und sich mit den Engeln an ihm zu erfreuen. Deshalb wird das Gloria Patri der Psalmen nicht durch „Requiem aeternam“ ersetzt, und die Messe ist die Votivmesse der Engel, mit weißen Gewändern und Gloria – es sei denn, die Rubriken schreiben die Messe des Tages vor. Findet die Feier am Nachmittag statt, kann auch die Votivvesper der Engel gesungen werden.

Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wann ich zum ersten Mal von diesem schönen Brauch hörte, für ein so kleines Kind keine Totenmesse oder Trauermesse, sondern eine Engelsmesse zu feiern; es ist wohl schon ein paar Jahrzehnte her. Da ich aber lange Zeit nur Universitätskapellen besuchte und nicht in der Nähe einer traditionellen Gemeinde wohnte, ergab sich nie eine solche Gelegenheit. Es blieb theoretisches Wissen.

2018 starb an meinem damaligen Wohnort ein kleines Kind, und der Rektor des nahe­gelegenen Oratoriums des Instituts Christus König zelebrierte die Messe genau so, wie oben beschrieben. Ich hatte das Privileg, im Chor mitzusingen und empfand diese Erfahrung als äußerst beeindruckend.

Dieser Brauch zeugt von einer entschlossenen und kühnen übernatürlichen Perspektive: Während alle den Verlust eines Erdenbürgers betrauern, freut sich die Kirche über die Aufnahme eines Heiligen in den Himmel. Der Introitus der Requiemmesse fleht: „Herr, gib ihnen die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihnen.“ Der Introitus der Engel­messe jubelt: „Lobt den Herrn, all ihr seine Engel, ihr Mächtigen an Kraft, die ihr sein Wort ausführt und auf die Stimme seiner Befehle hört.“ Dann fordert uns der Vers mit einem Imperativ heraus: „Lobe den Herrn, meine Seele, und alles, was in mir ist, lobe seinen heiligen Namen.“ Wir werden aufgefordert, genau das zu tun, was das verstorbene Kind jetzt tut, dessen Seele mit allem, was in ihr ist, den Herrn lobt. Die Heilige Mutter Kirche fordert uns auf, mit den Engeln zu singen und sie zu ehren, unter denen sich die Seele dieses kleinen Kindes befindet – eine Seele, die durch die Taufe und, möglicher­wei­se, die Firmung bereits in Christus gereift und mit allen eingegossenen Tugenden ge­schmückt ist.

Die Epistel führt uns in den Worten der Offenbarung die himmlischen Heerscharen die Geister und Seelen der Gerechten vor Augen und spricht: „Dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm sei Lob, Ehre, Herrlichkeit und Macht in alle Ewigkeit.“ Für das getaufte Kind besteht keine Gefahr der Hölle, noch irgendeine Verbannung in die Pein des Fege­feuers; die Tore des Himmels öffnen sich sofort, um dieses sündlose, schuldlose Adoptiv­kind Gottes aufzunehmen. Deshalb verkünden die Wechselgesänge: „Lobt den Herrn vom Himmel her: lobt ihn in den Höhen! … Halleluja, Halleluja. Ich will dir Lob singen vor den Engeln: Ich will anbeten vor deinem heiligen Tempel und deinem Namen Ehre erweisen. Halleluja.“

So wie die Kirche, mit scheinbar fanatischem Eifer (obwohl es in Wahrheit nur das nüch­ternste richtige Urteil ist), laut John Henry Newman sagen kann, es wäre besser, das ge­samte Universum ginge zugrunde, als daß eine einzige Sünde vorsätzlich begangen wür­de, so hält es die Kirche, mit dem Vertrauen, das aus der Barmherzigkeit des Königs geboren ist, laut dem Usus antiquior für besser, wahrhaftiger und dankbarer, weiße Ge­wän­der anzulegen und Halleluja für einen Christen zu singen, der vor dem Vernunftalter stirbt, als Schwarz zu tragen und die furchtbaren Worte des Dies Irae zu sprechen.

Die liturgische Reform – monströs in ihrer rationalistischen Nivellierung jeder Unre­gel­mäßigkeit – konnte diese scharfe Unterscheidung zwischen der lichten Engelsmesse für den kindlichen Heiligen und der dunklen Requiemmesse für den erwachsenen Sünder nicht ertragen. In ihrer verwirrenden Herzlosigkeit war die Reform blind für übernatür­li­che wie auch für natürliche Realitäten. Auf der einen Seite die tiefe Trauer um den unter der Last der Jahre gebeugten Verstorbenen, die dringende Aufforderung, für die Ruhe seiner Seele zu beten, auf der anderen die übernatürliche Herrlichkeit, die ein wenige Tage altes Kind umgibt, das dieser Welt entrissen und so vor der Geißel der Sünde, der Versuchung, des Lasters, der Qual und all den Übeln bewahrt wurde, die am gefallenen menschlichen Leben haften – solche Horizonte des Lebens und des Glaubens blieben utilitaristischen Geistern verschlossen.

Die Reform Montinis hat alles auf den Kopf gestellt. Sie verwandelte Requien in in­for­melle Seligsprechungen, gekleidet in das Weiß eines vermeintlich bereits errungenen Ostertriumphs, während sie den einzigen Anlass unterdrückte, bei dem weiße Gewänder getragen und Alleluja und Gloria Patri gesungen werden sollten – den einzigen Anlass, bei dem die himmlische Herrlichkeit freudig, wenn auch durch einen Schleier der Trä­nen, als vollendet anerkannt werden darf. Die Reform nahm dem kleinen Kind die zu ihm passende Messe der Engel und verlieh die Ehren des Altars dem alten Mann, dem sie unangemessen waren, demjenigen, der ernsthafte Fürbitten für Vergebung und Erlösung benötigt. „Salva me, fons pietatis!“ Sie nahm dieses großartige Glaubenszeugnis an einem Sieg, der nur wenigen zuteil wird, und ersetzte es durch einen Schein-Sieg, der vergeblich auf alle ausgedehnt wurde.

Und warum ermahnt uns die alte Liturgie, gerade in Anwesenheit des toten Körpers des Kindes, den Herrn zu preisen – ein Gefühl, das, gelinde gesagt, unangebracht erscheinen mag? Hier ist der Blick des Glaubens ganz besonders notwendig, um zu sehen, was ge­sehen – und nicht von unserer schwachen menschlichen Natur verschleiert werden sollte. Das einzige und letztendliche Ziel des Menschen ist die selige Gottesschau. Wer diese erreicht, hat den Zweck erfüllt, zu dem er geschaffen und erlöst wurde. Wer diese nicht erreicht, hat als Mensch und als Christ versagt. Unser endgültiger Zustand ist ent­weder totaler Sieg oder totale Niederlage: Wir haben alles gewonnen oder alles verloren. Es gibt nichts dazwischen. Das einzige „Happy End“ ist der Himmel, und die einzige „Tragödie“ ist die Hölle. Der Rest ist relativ. Dem getauften Kind, dem die göttliche Vor­se­hung zwar nicht das relative Gut des Lebens in dieser Welt gewährt hat, wurde das absolute Gut des ewigen Lebens in der kommenden Welt geschenkt.

Alle Christen sagen, daß sie das ewige Leben in Gott begehren, daß dies das Ziel unserer Pilgerreise ist. Aber meinen sie es immer ernst? Die Heilige Mutter Kirche kleidet sich mit der erhabenen und absolut realistischen Weisheit der Tradition voller Zuversicht in Weiß und singt die Messe der Engel für den kleinen getauften Heiligen, der diese Welt verlässt. Die Heilige Mutter Kirche singt mit nicht weniger Inbrunst, in Schwarz geklei­det, die Requiemmesse für die Sünder. Das Alleluja ist das Lied des Liebenden und des Visionärs; das Dies Irae ist die Sequenz des Weltlichen und des vom Kampf Gezeich­ne­ten. daß solche Bräuche jemals abgeschafft werden mussten, ist Teil des „mysterium inequitatis“, das die moderne katholische Kirche umgibt, die auf Erden die schlimmste „babylonische Gefangenschaft“ ihrer gesamten Geschichte durchleidet. daß solche Bräuche nun wieder aufleben, ist Teil des Geheimnisses der göttlichen Vorsehung, das die heutige Kirche überrascht, in der zeitloses Ritual und jugendliche Energie wieder zusammenfinden.

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Zwei kurze Anmerkungen:

– Es ist ein im Volksglauben verbreitetes Mißverständnis, daß die verstorbenen kleinen Kinder zu Engeln würden. Das werden sie nicht – ihre Seelen bleiben Menschenseelen. Aber sie singen mit den Engeln das Lob des Herrn – und spielen dabei, wie Prudentius dichtet, „in kindlicher Einfalt mit Palmen und Kronen an den Stufen seines Thrones“. Quicumque Christum quæritis, 33. Strophe)

– Die Rubriken des NO sehen schwarz oder violett als Farbe der Totenmesse vor, erlauben aber ausdrücklich auch den Gebrauch von Weiß. Während der Gebrauch der weißen Farbe hierzulande eher selten ist, sind in den USA sind solche auch als „Auferstehungsmesse“ bezeichneten Toten­äm­ter in vielen Gemeinden die Regel. Schwarz wird dort oft empört abgelehnt.

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