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Das Proprium des Novus Ordo zu Allerseelen kann den Reichtum der überlieferten Liturgie nicht ersetzen

03. November 2025

3 - Tradition

Bild Sefan Lochners mit der Vorstellung vom jüngsten Gericht, so wie sie das „Dies Irae“ beschreibt.

„Dies iræ, dies illa“

Im Anwendungsbereich des überlieferten Ritus wird der Allerseelentag in diesem Jahr am 3. November began­gen. Wenn der 2. November wie 2025 auf einen Sonn­tag fällt, muß das Totengedächtnis (Rang „duplex“ nach der traditionellen Ordnung der Festtage) dem Sonntag weichen und wird auf den folgenden Montag verlegt. Nach dem No­vus Ordo und dem mit ihm eingeführten Kalender ist Aller­seelen den Hochfesten gleichgestellt und verdrängt daher das Proprium des Sonntags, wenn dieser auf den 2. November fällt.

Das ist aber bei weitem nicht der einzige Unterschied in der Liturgie zu Allerseelen zwi­schen dem überlieferten und dem reformierten Ritus. Tatsächlich sind diese Unterschie­de so schwerwiegend, daß schon ihre Betrachtung alleine verdeutlichen kann, warum es unmöglich ist, die Zelebration nach dem NO als vollgültigen „Ersatz“ für das überlieferte Missale zu akzeptieren. Die beiden Liturgien stellen an diesem Tag völlig verschiedene Festgedanken ins Zentrum.

Zentraler Gedanke des Allerseelentages in der überlieferten Römischen Liturgie ist das fürbittende Gedenken der Seelen der Verstorbenen, von denen – im Allgemeinen sicher zu Recht – angenommen wird, daß sie zur Zeit ihres Todes noch mit vielerlei Schuld und Schlacken aus Erdentagen beladen waren und deshalb ohne einen besonderen Prozess der „Reinigung“ unwürdig, tatsächlich sogar unfähig, sind, an der „visio beatifica“, an der Anschauung und Gemeinschaft des Herrn und seiner gerechten Diener und Diener­in­en, teilzuhaben. Dieser nicht ohne tiefe Reue und Schmerzen verlaufende Reinigungsprozess wird im populären Glaubensverständnis durchaus passend in das Bild des „Fegefeuers“ geklei­det, und ihn mit der Gnade Gottes abzukürzen, zu erleichtern und zu beschleu­nigen ist zentraler Inhalt der Fürbittengebete dieses Tages. Dieses Verständnis bildete sich bereits in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten des Judentums heraus und gehört nach der von den Aposteln empfangenen und überlieferten Offenbarung durch das menschgewordene Wort Gottes seit der frühesten Zeit zum Glaubensgut der Kirche. Die Seelen auch der „in der Gnade Gottes“ Verstorbenen bedürfen einer „Läuterung“, die durch das Gebet der Lebenden unterstützt werden kann.

So bekräftigt es auch noch der „nachkonziliare“ Katechismus in den Abschnitten 1030 – 1032, aber der Katechismus ist – wenn er nicht vom Papst direkt mit einem Federstrich geändert wird – bestenfalls noch eine unverbindliche „Einladung“. Dem von den Ungei­stern des Konzils nicht zuletzt durch die „lex orandi“ des Novus Ordo propagierten und popularisierten neuen Glauben ist alles, was mit Sünde, Schuld und Gericht zusammen­hängt, unerträglich – und folglich haben sie im Novus Ordo den Charakter des Allersee­lentages grundlegend verändert. Jetzt ist vom Gebet für die noch nicht zur Anschauung Got­tes zugelassenen Seelen so gut wie keine Rede mehr, statt dessen machen die Gebets­texte den Tag zu einem Feiertag der Auferstehung, der die Vorstellung verbreitet, durch die Auferstehung Christi hätten auch mehr oder weniger alle Menschen ein verbrieftes Anrecht auf Zugang zur ewigen Seligkeit erhalten.

Ein Vergleich der Propriumstexte für die erste Messe von Allerseelen soll das hier wenn nicht beweisen, so doch illu­strie­ren:

Missa prima Introitus: Herr, gib ihnen die ewige Ruhe, und das ewige Licht leuchte ihnen. — O Gott: Dir gebührt ein Loblied auf Sion, Dir erfülle man sein Gelübde in Jerusalem, zu Dir kommt alles Fleisch.

Erste Messe Eingangsvers: Wie Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird Gott auch die in Jesus Entschlafenen mit ihm vereinen. Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus einst alle lebendig gemacht.

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Missa prima Oratio: Gott, Schöpfer und Erlöser aller Gläubigen, schenke den Seelen Deiner Diener und Dienerinnen Nachlaß aller Sünden, damit sie die stets ersehnte Verzeihung durch fromme Fürbitten erlangen.

Erste Messe Tagesgebet: Allmächtiger Gott, wir glauben und bekennen, daß du deinen Sohn als Ersten von den Toten auferweckt hast. Stärke unsere Hoffnung, daß du auch unsere Brüder und Schwestern auferwecken wirst zum ewigen Leben.

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Missa prima Epistola: Passage aus dem 1. Brief an die Korinther mit dem Schlußsatz: Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel? Der Stachel des Todes ist die Sünde, die Macht der Sünde ist das Gesetz. Gott aber sei Dank, der uns den Sieg verleiht durch unsern Herrn Jesus Christus.

Erste Messe (zweite) Lesung: Verse 13 – 18 aus 1 Thess 4, mit dem Schlußsatz: Der Erzengel ruft und die Posaune Gottes erschallt. Zuerst werden die in Christus Verstor­benen auferstehen; dann werden wir, die Lebenden, die noch übrig sind, zugleich mit ihnen auf den Wolken in die Luft entrückt zur Begegnung mit dem Herrn. (Die in den vorangehenden Versen als Voraussetzung zu einem guten Ende erteilte Mahnung des Apostels zu einem Lebenswandel nach Gottes Geboten bleibt unerwähnt.)

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Missa prima Tractus: Befreie, o Herr, die Seelen aller verstorbenen Gläubigen von jeder Fessel der Schuld. Deine Gnade komme ihnen zur Hilfe, auf daß sie der Bestrafung entrinnen.

Erste Messe Ruf vor dem Evangelium: (So spricht der Herr:) Ich bin die Auferstehung und das Leben. Jeder, der an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Christus Sieger, Christus König, Christus Herr in Ewigkeit!

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Missa prima Sequentia: Dies irae, dies illa… (S. mehr zu dieser Sequenz hier)

Erste Messe Sequenz: abgeschafft

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Missa prima Evangelium: (Joh 5, 25-29 mit dem Schlußsatz:) Es kommt die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, die Stimme des Sohnes Gottes hören werden. Und es werden hervorgehen, die Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber Böses verübten, zur Auferstehung des Gerichts.

Erste Messe Evangelium: (Joh 11, 17–27, Bericht von der Auferweckung des Lazarus, mit der Zentralaussage in 25+26:) Jesus sagte zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben.

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Missa Prima Offertorium: Herr Jesus Christus, König der Herrlichkeit, bewahre die Seelen aller verstorbenen Gläubigen vor den Qualen der Hölle und vor den Tiefen der Unterwelt. Bewahre sie vor dem Rachen des Löwen, daß die Hölle sie nicht verschlinge, daß sie nicht hinabstürzen in die Finsternis. Vielmehr geleite sie St. Michael, der Banner­träger, in das heilige Licht, das Du einstens dem Abraham und seinen Nachkommen verheißen hast. – Opfergaben und Gebete bringen wir zum Lobe Dir dar, o Herr, nimm sie an für jene Seelen, deren wir heute gedenken. Herr, laß sie vom Tode hinübergehen zu Leben.

Erste Messe Gabengebet: Herr, unser Gott, schau gütig auf unsere Gaben. Nimm deine Diener und Die­nerinnen auf in die Herrlichkeit deines Sohnes, mit dem auch wir durch das große Sakrament der Liebe verbunden sind.

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Missa Prima Postcommunio: Wir bitten, o Herr, den Seelen Deiner Diener und Die­nerinnen möge unser demütiges Flehen nützen; befreie sie von allen Sünden und mache Sie Deiner Erlösung teilhaftig.

Erste Messe Schlußgebet: Barmherziger Gott, wir haben das Gedächtnis des Todes und der Auferstehung Christi gefeiert für unsere Brüder und Schwestern. Führe sie vom Tod zum Leben, aus dem Dunkel zum Licht, aus der Bedrängnis in deinen Frieden.

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Soviel zu den Formularen für die erste Messe des Tages. Die an diesem Tage ausnahms­weise gestattete zweite und dritte Messe sind im Vetus Ordo nicht ganz so theologisch schwergewichtig – die Tendenz im Vergleich mit den theologischen Leichtgewichten des Novus Ordo bleibt die gleich: Aus dem flehenden Gebet, den im (unvollkommenen) Glauben an Christus und in (unvollkommener) Befolgung seiner Gebote Verstorbenen gnädige Verzeihung ihrer Sünden zu gewähren und sie in die ewige Herrlichkeit aufzu­nehmen, wird ein allgemeines Loblied auf eine Art „Prinzip Auferstehung“.

Wenn es wirklich die Absicht der Reformatoren von 1969 war, den Gottes­dienstteil­neh­mern den Sinn der Schrift und die Inhalte des Glaubens vollkommener zu erschließen, hätten sie bei den Messtexten zu Allerseelen jämmerlich versagt. Aber vielleicht war das ja gar nicht ihre Absicht – vielleicht wollten sie, zumindest einige unter ihnen, ganz be­wußt die liturgische Grundlage für einen neuen, reduzierten, protestantisierten und sä­ku­larsierten Glauben verbreiten.

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- Alle Zitate und Anmerkungen zum Proprium des NO nach Schott Online.
- Einen stärker den Festgedanken berücksichtigenden Beitrag haben wir bereits vor drei Jahren gebracht.
- Korrekturen und Ergänzungen dazu ließ uns Hw. Herr Marc Hausmann zukommen.

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