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Sacrum versus Saeculum

15. November 2023

6. Krise von Kirche und Gesellschaft

Auschnitt aus dem 'Jüngsten Gericht' von Michelangelo

... solvet saeclum in favilla ...

Aktuelle Erwägungen zu einem bewusst definitionsschwach strapazierten Begriff von Dr. Franz N. Otterbeck, Köln-Deutz

Säkularisierung. Während der oft ziellos geführten Debatten des so gen. Synodalen Weges der deutschnationalen Separatkirche verwiesen manche Redner nicht selten auf die „Säkularisierung“, eher als Sündenbock. Die Säkularisierung habe ungefähr ebenso viel Schuld an der Religionslosigkeit der Massen in unseren Breiten wie die hausgemachten „Fehler“ der Kirche (konfessionspolitisch, je nachdem, eher „links“ oder eher „rechts“ verortet). Aber was meint das Wort Säkularisierung eigentlich?

Es hat seinen Ursprung, so viel ich sah, in den Akten des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803. Damals nahmen die Reichsfürsten, schon unter der Ägide Napoleons, „geistliche“ Besitztümer an sich, machten daraus zeitliche Güter, „Benefizien“ weltlicher Natur, sozusagen.

Was waren Benefizien? Einnahmequellen für Kleriker oder Klöster, die theologisch begründet wurden. Von „unten“, aus der anthropologischen Perspektive sozusagen, ließe sich sagen: ‚Die Furcht hat die Götter erzeugt‘ (Lukrez). Auch für die Welt-der-Ordnung, als die man das Goldene Mittelalter redlicherweise bezeichnen muss, ohne es zu sehr als „dunkle“ Epoche zu brandmarken, die der ‚Aufklärung‘, hin zum Licht, angeblich bedurfte, galt weiterhin: Man fürchtete ernstlich um das Seelenheil. Dem Austausch von Geldmitteln wird im Kontext des „sacrum commercium“, des Heiligen Tauschs von Ostern, eine Unstatthaftigkeit nahegelegt, die so nicht ganz ehrlich sein kann. Denn auch heute geben Menschen nicht ungern relativ viel Geld nur für ihr Wohlbefinden aus, „weltlich“ noch viel mehr als geistlich motiviert. Aber man kauft heute lieber Aktien oder Lebensversicherungen anstatt bspw. Ablässe (die schon seit 1522 nicht mehr käuflich zu haben sind). Also: unter vielerlei Aspekten darf im „milieu divin“, im göttlichen Bereich also, auch Geld fließen, muss es sogar. Aber: redlich. Unter dem ‚Primat des Geistes‘.

Hier geht es weiterDurch die vielen Gaben der Menschen, die ihr Geld dort zum Zwecke der Gnadenvermittlung gern ließen, sind vor allem die Klöster, aber auch die Herren- oder Damenstifte, schwer reich geworden. Dahinter steckte jedoch, wenngleich es heutzutage gern so insinuiert wird, kein kirchenamtlicher Zynismus. „Lasst die nur spenden, es nützt ja sowieso nichts.“ Beide Seiten, die Weltleute, die Fürbitte und Messopfer erflehten und dafür zahlten, glaubten an ihr Tun, aber auch die ‚geistlichen Empfänger‘ der Gaben waren Überzeugungstäter. Das Saeculum berührte das Sacrum noch hautnah, die Erde sah den Himmel offen.

Soviel zur Einstimmung auf unser Thema, das plausibel wohl nur dort zu kommunizieren sein wird, wo man die „Unterscheidung der Reiche“ noch beherzigt – oder zumindest doch der: beiden Bereiche. Hier Kaiser, dort Papst. Hier Reichstag, dort Synode(n). Hier Kirchenleute, Kleriker und Laien im „Gnadenstand“, dort der Weltstand mit den (in eigener Sache stets relativ autonomen) Laien des Volkes Gottes. Tertium non datur. Die im 20. Jh. recht populär gewordenen Experimente „in sacris“ – speziell so gen. ‚Neue Geistliche Bewegungen‘, ich schließe Neokatechumenat, Opus Dei und Schönstatt explizit da ein, die uns Mittelwege zwischen Ordensstand und Weltstand vorschlagen (namentlich die ‚Säkularinstitute‘) haben ihren eigenen Anspruch, aufs Ganze gesehen, im 20. Jh. noch nicht eingelöst. Die Welt ist nicht spirituell verwandelt, sondern eher weiter aus geistlichen Höhen abgesackt. Gelingt das ‚Neue Pfingsten‘ im 21. Jh.? Wir werden sehen. Kann sein: Neues Spiel, neues Glück.

Das Wort „sakulär“ ist proper nur zu verstehen, wo seine Herkunft aus dem Spirituellen noch einigermaßen mitbewusst blieb. „Säkularisierung“ um ihrer selbst willen ist eine keinesfalls plausible Forderung, sondern selbst wiederum unter denselben Ideologieverdacht zu setzen, der „römische Katholiken“ in Deutschland seit jeher – und verschärft seit 1968 resp. 1990 noch heftig ansteigend – argwöhnisch trifft. Säkularisierung, nicht nur der „geistlichen“ Besitztümer, auch des ‚geistlichen Geistes‘, bedarf einer Zielführung, die grundsätzlich der Religion gegenüber wohlwollend geprägt bleiben sollte.

Säkularismus im weitesten Wortsinn ist der Trend, der einen Blickwinkel einnimmt, aus dem die Dinge dieser Welt „ohne Gott“ und ohne Gottsucher, Gottespartei oder Gotteskrieger zu bewerten seien. Dieser Trend stößt an Grenzen, die nicht nur der „links und frei“ beheimatete Geistestitan Jürgen Habermas im Ratzinger-Gespräch formulierte, sondern die auch, mit viel Schmalz in der Stimme, von Kirchenleuten deutscher Provenienz mit dem so gen. „Böckenförde-Diktum“ der staunenden Noch-Kirchen-Mitwelt um die Ohren gehauen werden, oft in einem reduzierten Verständnis, als habe der namhafte Staatsrechtslehrer (für die SPD, sozusagen ‚Bonapartist‘) nur festgehalten, dass „Wir“ (die Bundesrepublik) die etablierten Großkirchen, auch schrumpfend – noch als Lieferanten für „Werte“ nötig haben. Pustekuchen. Das „Diktum“ führt etwas resigniert an, dass der säkulare Staat sich die Grundlagen, auf die er aufbaut, nicht aus eigenem Recht selber ‚kre-ieren‘ kann. Wo er es versucht hat (cfr. DDR), da bleibt, auf dem Ex-Territorium, vielleicht eine „Jugendweihe“ übrig, aber die Seelen hat der Sozialismus auf Dauer versehrt. Und “die Kirchen“ haben es seit 1990, nicht zuletzt aus Geldgier, schlicht versäumt, auf den am meisten „verweltlichten“ Territorien im lieben Vaterland, ob gelegen oder ungelegen, „das Evangelium“ zu verkünden. Man erinnere sich: Das ist die Siegesnachricht von Ostern, von einem Ereignis also, nicht aber ein Katalog wohlfeiler „Werte“, für die „die Guten“ nunmal einstehen müssen (oder auch nicht, aber auch das So-tun-als-ob wird im kirchlichen Dienst fett vergütet).

Bätzing, Marx, Overbeck et al. haben die „Deutsche Kirche“ mittels des so gen ‚Synodalen Wegs‘ endgültig platt gemacht. Sie hat – außerhalb ihrer feist „weltlich“ bezahlten Apparate - also keinerlei Resonanzraum mehr, am wenigsten im Dunstkreis der KFD (Frauen über 80 zumeist), etwas weniger wenig bei BDKJ und Konsorten (die adipöse vielmehr als etwa noch ‚katholische‘ Jugend). Die deutschen Diözesen sind heute per definitionem ein Säkulum ‚sui generis‘ (siehe: Beschlusslage des Syn. W.). Nicht zuletzt wird in der Liturgie heute vielmehr ‚die Abwesenheit Gottes umspielt‘, als dass seine Präsenz noch real gefeiert würde.

Womit wir beim Punkt sind: „alte Messe“. Sie wird siegen. Das habe ich selber um 2007, als ‚das‘ Motu proprio kam, noch für ausgeschlossen gehalten. Aber die letzten Freunde der deutschen „Gemeindemesse“ (Lektorinnen und Ministrantinnen inbegriffen ) haben in den Jahren seither „pastoralliturgisch“ keinen Stein mehr auf dem anderen gelassen. Das Missale des hl. Papstes Paul VI., auf Latein weit besser als sein Ruf in Kreisen der Tradition, ist an sich hierzulande nirgends in Geltung, das 1962er immerhin in den bewussten Oasen. Fazit: „it‘s the liturgy, stupid“. Die segensreiche Unterscheidung zwischen Saeculum und Sacrum wird seine Regeneration und Rehabilitation aus der Sphäre des „opus Dei“ empfangen, gern auch aus Quellen nicht lateinischer Riten der Una Sancta, des Gottesdienstes also, dem nach dem unübertroffenen Urteil des hl. Benedikt, Patrons von Europa, ‚nichts vorgezogen‘ werden soll. So sei es.

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