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Drei Sequenzen des Adam v. St. Viktor

24. Januar 2024

3 - Tradition - Kunst und Kultur

Die Abteikirche in einem Holzschnitt des 17. Jahrhunderts

Die Abteikirche von St. Viiktor um 1655.

Im Zentrum des Sequenzenwerkes, das der Augustiner-Chorherr Adam von St. Viktor       (* um 1100 – † 1192) hinterlassen hat, stehen die großen Hymnen zu den Herrenfesten, zu den Schlüsselmomenten der Heilsgeschichte und natürlich zur Gottesmutter Maria. Wie es der Zufall und das Kalendarium wollen, haben wir auf dem Hymnarium in den letzten Tagen drei der eher seltenen Sequenzen Adams zu Heiigenfesten eingestellt – „selten“ wohl nicht deshalb, weil es so wenige davon gegeben hätte, sondern eher deshalb, weil man sie als theologisch weniger schwergewichtig betrachtete und sie deshalb in den Sammlungen weniger beachtet worden sind.

Unsere drei Hymnen der letzten Tage sind Animemur ad agonem für das Fest der hl. Agnes am 21. Januar, Ecce dies praeoptata für den Tag des hl. Vicentius am 22. Januar und schließlich Iubilemus Salvatori für das Fest der Bekehrung des hl. Paulus am 25. des Monats.

Alle drei sind jedenfalls von höherem Rang als die „Gelegenheitsdichtungen“, die des öfteren von anderen Autoren zu anderen Heiligenfesten verfaßt worden sind – besonders wenn man über die zu preisenden Heiligen nicht allzuviel wusste und die Dichter sich mit einigen Versatzstücken aus der Reimeschmiede zufrieden gaben. Adam erzählt die Geschichte der keuschen Agnes in dynamischen Versen und gleichsam aus verschiedenen Perspektiven, als deren Zentrum immer wieder die höhere Liebe erkennbar wird, in der sich die dreizehnjährige ihrem Heiland versprochen hat. Gegenläufig dazu verläuft dann der Bericht über den liebestollen Möchtegern-Bräutigam und dessen seine Beamtengewalt mißbrauchenden Vater, der die Hinrichtung der Widersetzlichen anordnet. Beides (zumindest im lateinischen Original) ohne Kitsch auf der einen und Dämonisierung auf der anderen Seite, gesehen mit den Augen des Glaubens, die das Wesentliche wahrnehmen.

Noch stärker dynamisch und emotional ist die Sprache des zweiten Märtyrergedichts auf den Diakon Vicentius, das sich am Anfang so liest, als ob Adam einen spirituellen Zweikampf zwischen dem auf die Talente des jungen Christen neidischen Präfekten und dessen Opfer schildern wolle. Aber dann ist da gar nichts mehr spirituell, wenn die Folterwerkzeuge und glühenden Eisen ihr grausiges Werk verrichten, - oder doch: denn „Flammen können ihn nicht brennen / Christus will er treu bekennen / nicht dem Vogt die Ehre gönnen. Diese Personen erscheinen stellenweise nicht nur als „Personas“, als Träger einer Rolle, sondern wie beobachtete lebendige Menschen – da wir hier vom 12. Jahrhundert sprechen, vermutlich eine anachronistische Interpretation aus der Perspektive des 21. Jahrhunderts.

Der dritte Hymnus zum Fest der Bekehrung Pauli am 25. Januar schlägt einen gegenüber den Märtyrer-Hymnen sehr verschiedenen Ton an. Das beginnt schon mit der ersten Zeile, die traditionsgemäß auch als Überschrift der Hymnen und Sequenzen verwandt wird: „Jubilemus Salvatori“ – „laßt des Heilands Lob uns künden“. Von Paulus und auch von seinem Bekehrungserlebenis erfahren wir wenig, alles dreht sich um Christus, der ausgerechnet den wütenden Christenverfolger Saulus wie ein Wegelagerer auf der Straße nach Damaskus auflauert und ihn mit Blitz und Donner „umdreht“ – eine Geschichte, die niemand erfinden könnte und weitererzählen wollte, hätte sie sich nicht wirklich ereignet.

Im weitere Verlauf „verdichtet“ Adamus dieses Geschehen dann in drei Verszeilen in einer Weise, die wohl nur in der lateinischen Sprache möglich ist:
      „Saulus, prædo nostri gregis
      Paulus, præco nostræ legis
      Sic in paulum vertitur.“
„Saulus, der reißende Wolf unserer Herde / wird zu Paulus, dem Ausrufer des Heilsgesetzes / umgewandelt in einem Augenblick“. (paulum als Adverb heißt „in kurzer Zeit, im Nu“).

Die Martyriumsberichte, auf deren Grundlage Adam von St. Viktor und andere ihre Hymnen und Sequenzen verfassten, erscheinen uns heute meistens wie Botschaften aus einer anderen Welt, zu der die Menschen des 21. Jahrhunderts nur schwer Zugang finden und meistens auch gar keinen Zugang suchen. Und außerdem ist das ja alles schon so lange her, wir heutigen sind eben ganz anders. Das stimmt schon – aber vielleicht müßten wir ja gar nicht so „ganz anders“, so glaubensschwach sein. Der Sequenzendichter Adam gibt dazu Hinweise.

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