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Erster Sonntag nach Ostern —
Fest der Göttlichen Barmherzigkeit

6. April 2024

1 - Liturgie und Theologie

Das Gemälde von Rembrandt zeigt den zerlumpten Rückkehrer, der vor dem Vater niederkniet und von diesem in die Armegeschlossen wird. Im Hintergrund der mißgünstige ältere Bruder.

Rembrandt: Die Rückkehr des Verlorenen Sohnes.

Am 1. Sonntag nach Ostern, der alter Tradition folgend als „Weißer Sonntag“ bezeichnet wird und vielerorts den Termin für die Erstkommunion der Kinder markiert, steht im aktuellen Festkalender der Kirche der Hinweis: Fest der göttlichen Barmherzigkeit. Zunächst kurz zu den tra­di­tionellen Benennungen. Das „Weißer Sonntag“ wird allgemein darauf zurückgeführt, daß in der Frühzeit der Kirche die in der Osternacht neu getauften Gläubigen an diesem Sonntag zum letzten Mal in ihren weißen Taufkleidern am Gottesdienst teilnahmen – danach waren sie keine „Neugetauften“ mehr, sondern gehörten dazu wie alle anderen auch.

Der weiße Sonntag als Tag der Erstkommunion steht ebenfalls in enger Beziehung zur in der Osternacht empfangenen oder neu bekräftigten Taufe: In der frühen Kirche emp­fingen die Neugetauften noch in der Osternacht auch das Sakrament der Firmung und zum ersten Mal den Leib des Herrn. Mit dem Aufkommen der Kindertaufe wurde dieser Brauch im Westen aufgegeben und kommt nur noch bei Erwachsenentaufen vor; in den Kirchen des Ostens werden diese „Sakramente der Initiation“ nach wie vor in zeitlicher und ritueller Einheit gespendet. Der Sonntag nach Ostern für die Erstkommunion bringt zum Ausdruck, daß dieses Bewußtsein von der Zusammengehörigkeit Von Taufe, Sündenvergebung und Kommunion auch im Westen nicht völlig verschwunden ist.

Das erst 2000 von Papst Johannes-Paul II. in den Festkalender eingeführte „Fest der Göttlichen Barmherzigkeit“ läßt sich zumindest auf den ersten Blick nicht in diesen Zusammenhang einordnen. Seinen Termin verdankt das Fest dem eher äußerlichen Umstand, daß Johannes-Paul II. an diesem Sonntag die Heiligsprechung der polnischen Ordensschwester Faustina Kowalska (1905 – 1938) verkündete. Die hl. Faustina wird wegen ihrer vielen als Privatoffenbarung empfangenen Visionen des Barmherzigen Jesus auch als Mystikerin oder Prophetin der Göttlichen Barmherzigkeit verehrt, insbesondere im Umfeld der sogenannten „Charismatischen Erneuerung“. Diese Bewegung wird von einer Spiritualität getragen, die denkbar weit von der Spiritualität traditionsorientierter Katholiken entfernt ist – aber dennoch (von wenigen Randerscheinungen abgesehen) im Glauben und in der Lehre der Kirche fest verwurzelt ist und daher als ein zulässiger Ausdruck des Katholischen anerkannt werden muß. Das gilt auch für sogenannte „Privatoffenbarungen“, wenn sie nichts enthalten, was der katholischen Lehre fremd oder gar entgegengesetzt ist.

Der damalige Glaubenspräfekt Joseph Ratzinger hat seinerzeit darauf aufmerksam gemacht, daß „Privatoffenbarungen“ durchaus organisch aus dem Glaubensleben der Kirche hervorgehen können und bereits in der Tradition liturgischen Ausdruck im Festkalender der Kirche gefunden haben:. Er betonte:

Es begint ein Zitat

„daß Privatoffenbarungen häufig primär aus der Volksfrömmigkeit kommen und auf sie zurückwirken, ihr neue Impulse geben und neue Formen eröffnen. Dies schließt nicht aus, daß sie auch in die Liturgie selbst hineinwirken, wie etwa Fronleichnam und das Herz-Jesu-Fest zeigen."

Dieses Ratzinger-Zitat hätten wir gerne schon bei der Abfassung unseres Beitrages Organisches Wachstum der Liturgie braucht fruchtbaren Boden im Februar gekannt...

Wer aus dem so gründlich mißglückten „Pontifikat der Barmherzigkeit“ des Jorge Maria Bergoglio gelernt hat, daß mit dem Begriff der Barmherzigkeit in der modernen Kirche viel Schindluder getrieben wird, hat zwar nicht unrecht, sollte sich aber dennoch nicht davon abbringen lassen, den morgigen Sonntag zum Anlaß zu nehmen, dem wahren Inhalt dieses Begriffes und seinem Zusammenhang mit Kreuzestod und Auferstehung nachzuspüren. Eine gute Hilfe dazu bietet der Psalm 24, der den Zusammenhang zwischen Gnade und Erbarmen, die der Herr den Seinen „gratis“ (ohne Gegenleistung) gewährt, und deren Voraussetzungen dazu, diese Gnade zu empfangen, von vielen Seiten beleuchtet. Am auch heute noch überzeugendsten vielleicht in den Versen 8 – 10:

Es begint ein Zitat

Milde und gerecht ist der Herr, daher gibt er denen, die auf dem Weg straucheln, sein Gesetz.
Er lenkt die Sanftmütigen nach seinem Recht und lehrt die Demütigen seine Wege.
Alle Wege des Herrn sind Barmherzigkeit und Wahrheit für die, die seinen Bund und sein Zeugnis bewahren.

Der hier in vielfältigen Wendungen umschriebene enge und anspruchsvolle Zusammen­hang zwischen Barmherzigkeit und Gnade auf der einen und Demut und Bundestreue („fest soll mein Taufbund immer stehen“) auf der anderen Seite war schon vor 25 Jahren zur Zeit der Einführung des Festtages nicht leicht zu vermitteln. Seitdem scheint er – Fiducia Supplicans ist nur eines der Symptome – als nachgerade unzumutbar empfunden zu werden. Nachdem, was so im eigenen Blickfeld (auch dem durch das Internet erweiter­ten) wahrnehmbar ist, ist der „Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit“ seit zwei oder drei Jahren in Pfarrbriefen oder Gottesdienstankündigungen immer weniger ein Thema.

Der uns als Seismograph für die Entwicklungen in Novus-Ordo-Land dienende Schott-Online verzichtet sogar ganz darauf, das erst vor so kurzer Zeit eingeführte Fest zu benennen. Das beim Schott für den deutschen Novus Ordo gebotene Messproprium beschränkt sich darauf, den Abschluß der Osteroktav und des Festes der Auferstehung zu thematisieren – theologisch und liturgisch durchaus gut und richtig, aber doch ein Ver­säum­nis, den von Joseph Ratzinger als Motiv für die Einführung des Festes genannten Impuls aus der Volksfrömmigkeit aufzugreifen. Das ist doppelt bedauerlich, weil die beiden Gedanken ja nicht miteinander konkurrieren, sondern aufs Engste miteinander zusammenhängen.

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Zum Bild von der Rückkehr des verlorenen Sohnes: ­Wo von der Barmherzigkeit Gottes die Rede ist, wird gerne des Gleichnis vom verlorenen Sohn angeführt und dahingehend „ausgewertet“, daß der Vater keine Vorbehalte hat und keine Vorbedingungen stellt, um den Verlorenen wieder in seine Arme zu schließen. Dabei fällt unter den Tisch, daß es sehr wohl Vorbedingungen gegeben hat: Der irdische Vater hat keine Suchexpedition ausgeschickt, um den Abgefallenen zur Rückkehr zu bewegen, und dieser mußte die Einsicht aufbringen, daß sein bisheriger Weg falsch war, und die Demut, das auch vor dem Vater zu bekennen. Und die Gnade Gottes, nebenbei bemerkt, äußerte sich darin, ihn so tief sinken zu lassen, daß er mit den Schweinen aus einem Trog fressen wollte.

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