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Die Beziehungen zwischen Staaten und Kirche werden immer komplizierter

17. April 2024

6 - Kirchenkrise

Schwester Marie Ferréol im Ordenskleid.

In Frankreich findet derzeit eine Auseinander­setzung zwischen Staat und Kirche statt, die beunruhigende Fragen für beide Seiten aufwirft – und das weit über Frankreich hinaus. Ausgangspunkt ist der Fall der französischen Ordensschwester Marie Ferréol, die 2022 nach über 34-jähriger Zugehörigkeit und nach einem von Unklarheiten überschatteten Verfahren aus ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen wurde. Ohne jede Rente oder sonstige soziale Absicherung, so daß sie zum Überleben auf die staatliche Sozialhilfe angewiesen war.

Die Hintergründe der Auseinandersetzung sind kompliziert. Die 1943 gegründete Gemeinschaft der „Dominikaner-Schwestern vom Heiligen Geist“ stand ursprünglich Erzbischof Lefebvre nahe und wurde 2014 nach einer ersten Visitation durch den Vatikan auf einen Rom gefälligeren Kurs gebracht – was allerdings schon früher aufgebrochene Auseinandersetzungen nicht beruhigte, sondern eher noch anstachelt. In diesem Zusammenhang kam es dann 2020 zu jener zweiten Visitation, in deren Folge die Ordensfrau dann ausgeschlossen wurde.

Ferréol ging vor Gericht und bekam im letzten Herbst Entschädigungen und Schmer­zensgeld im Umfang von 220 000 Euros zugesprochen – als zahlungspflichtig wurden ihre frühere Gemeinschaft und der für das Ausschlußverfahren federführende damalige Leiter der Bischofs- (Nicht der Ordens-)kongregation Marc Ouellet verurteilt. Das Gericht stützte sich bei seinem (noch nicht rechtskräftigen) Urteil sowohl auf allgemeine Grundsätze des französischen Arbeitsrechts als auch auf kirchenrechtliche Bestim­mun­gen, die beim Ausschlußverfahren nicht eingehalten worden seien.

Der Vatikan hat jetzt durch seine Nuntiatur bei der Regierung in Paris förmliche Beschwerde gegen dieses Urteil eingelegt und sich dabei auf die Grundsätze der inneren Autonomie der Kirche und ihrer Gemeinschaften sowie auf die allgemeine Religionsfreiheit berufen.

Zur Würdigung des Urteils des französischen Gerichts fehlt uns jede Kompetenz. Zur Würdigung der Schlüssigkeit des römischen Einspruchs letztlich ebenso – aber es wirkt doch reichlich irritierend, wenn die hehren Grundsätze der inneren Autonomie der Kirche und der Religionsfreiheit dazu herhalten sollen, den entschädigungslosen Herauswurf einer 57 Jahre alten Nonne zu begründen, die 3 Jahrzehnte lang im Dienste Gottes und der Nächstenliebe (die Dominikanerinnen vom hl. Geist betreiben mehrere Schulen) tätig war, zu rechtfertigen. Das sollte nicht nur nach dem französischen – oder jedem anderen staatlichen – Arbeitsrecht unmöglich sein, sondern auch nach der katholischen Auffassung von der Würde des Menschen und dem Wert der Arbeit.

Jedenfalls betreten wir hier ein sehr problematisches Gebiet, um nicht zu sagen: „vermintes Gelände“. Das Arbeitsrecht aller westlichen Länder wird zunehmend von Grundsätzen der postmodernen Ideologie des „Wokismus“ geprägt, die mit Gleichstel­lungsverpflichtungen und Minderheitenquoten nicht nur die Arbeitsfähigkeit jedes nicht von Staatssubventionen abhängigen Betriebs gefährden, sondern auch in immer stärkeren Gegensatz zu Glaubensgrundsätzen der Religion führen. In Deutschland wird in entsprechenden Kreisen immer intensiver darüber nachgedacht, ob man nicht per Gleichstellungsgesetz und Antidiskriminierungsgebot den Zugang zum Frauenpriester­tum ertrotzen könne – von Wegen „Autonomie“ der Religionsgemeinschaften.

Die Problematik der Berufung auf staatliche Rechtsvorschriften ist die eine Seite, auf der anderen Seite steht die gerade im bergoglianischen Pontifikat immer stärker sichtbar gewordene Tendenz, das Kirchenrecht immer stärker der Willkür kirchenpolitischer Entscheidungen zu unterwerfen. Franziskus macht ja nicht nur in der Liturgie und in der Lehre, was ihm gerade einfällt. Er ernennt und entlässt auch Bischöfe und andere Amts­trä­ger ohne Einhaltung der dafür vorgesehenen Regeln und hat auch seine Behörden so eingerichtet, daß sie nicht mehr nach Regeln, sondern nach dem Wink seiner Hand tätig werden. Und dann wird auch schon einmal der von Amts wegen unzuständige Bischofs­präfekt Ouellet zur Visitation in eine der Ordenkongregation unterstehende Schwestern­gemeinschaft geschickt. Staatlicher Regulierungswahn auf der einen, kirchliche Anarchie auf der anderen Seite.

Kann es unter diesen Umständen Aufgabe der weltlichen Gerichtsbarkeit sein, kirchliche Fehlleistungen zu korrigieren? Zumal das Vertrauen, das diese Gerichtsbarkeit dazu im Stande sein könnte, durch die fortschreitende „Wokisierung“ längst untergraben ist.

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