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Die Sieben Gaben des Heiligen Geistes

18. Mai 2024

2 Theologie

Dieses Kirchenfenster aus dem England des 19. Jh. zeigt die 7 Gaben des Geistes als Rosette, in der die Symbole für die Gaben mit der Weisheit im Zentrum kreisfürmig angeordnet sind

Tu septiformis munere...

Schon mehrfach haben wir hier beklagt, daß der Hl. Geist, die dritte Person der hochhei­ligen Dreifaltigkeit, für viele Katholiken so etwas wie der „Große Unbekannte“ in ihrem Glauben ist. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Der fleischgewordene Sohn läßt sich darstellen (und vermeintlich begreifen) wie jeder unserer menschlichen Mitbrüder; der „Vater unermeßli­cher Majestät“ (so im TeDeum) lädt ein zu einer freilich sehr unpassenden Abbildung als über den Wolken thronender (Groß-)Vater; und der „Geist von beiden“ (so im Veni Sancte Spiritus) bleibt abstrakt und wird bestenfalls versinnbildlicht durch das Bild der Taube oder der feurigen Zungen des ersten Pfingsten. Und öfter als an Pfingsten wird seiner auch nur selten gedacht – es sei denn mit dem „und des Heiligen Geistes“ in der für viele zur Formel erstarrten Doxologie unserer Gebete.

Das war nicht immer so. Bis ins 19. Jahrhundert war der Hl. Geist nicht nur im Katechismus in einiger Ausführlichkeit präsent, sondern auch in der Volksfrömmigkeit und deren Gebeten. Ein Ausdruck dieser Präsenz war die Anrufung und Verehrung der „Sieben Gaben des hl. Geistes“, in denen Lehre und Glauben unter Rückgriff auf den Propheten Jesaja (11,2) anhand ihrer Gaben und Auswirkungen ein spirituelles Bild der Dritten Person im Leben der Menschen zeichneten. Seit den frühesten Zeiten und bis ins 19. Jahrhundert waren derartige Ansätze, theologische Aussagen durch Nummernlisten leichter nachvollziehbar und memorierbar zu machen, äußerst beliebt und, wie man annehmen darf, auch fruchtbar. Inzwischen sind sie fast ganz verschwunden – und das in ihnen ausgedrückte Glaubenswissen ebenfalls.

Im reichen Fundus von Google Books fanden wir das PDF des 1845 erschienenen Buches „Die sieben Gaben des heiligen Geistes“ des Weltpriesters Anton Gundinger, das in 400 allerdings nicht sehr großformatigen Seiten das überlieferte Verständnis dieser Gaben und Wirkungen des Hl. Geistes darstellt. Das komplette Buch halten wir hier zum Download bereit. Im Folgenden zitieren wir zu jeder der sieben Geistesgaben die grundlegenden Abschnitte, mit denen Gundinger das entsprechende Kapitel seines Buches einleitet. Die Orthographie des Originals ist beibehalten.

I. Die Gabe der Weisheit

Die erste und vorzüglichste Gabe des heiligen Geistes ist die Gabe der Weisheit. Wir erstehen darunter jene Gabe des göttlichen Geistes, wodurch wir erleuchtet werden, Alles, was Gott und unsere Seligkeit betrifft, allezeit und vor allen Dingen zu suchen, zu erkennen, zu betrachten und zu lieben, um darin einen Beweggrund unsers Willens zu finden, alle Mittel, welche zur Verbreitung und Erhöhung der Ehre Gottes und zur Erlangung unserer einstigen Bestimmung beitragen, mit kluger Auswahl und Vorsicht zu gebrauchen. Der Geist der Weisheit nimmt demnach den ganzen Menschen in Anspruch; er leitet und regelt seine Gedanken, Neigungen, Begierden, mäßiget seine Leidenschaf­ten, legt ihm die Worte auf die Zunge und verleiht seinen Handlungen Vorsicht und Bedachtsamkeit, und dieß alles aus Liebe zu Gott. Die Weisheit ist darum die Grundlage aller übrigen Gaben des heiligen Geistes , und wo sie mangelt, ist eine andere kaum denkbar; alle andern stehen gleichsam in ihrem Solde; denn sie bedient sich der Erkenntniß, des Rathes und der Stärke, sie heiliget die Wissenschaft, reiniget die Andacht, leitet die Furcht Gottes; sie ist es, die den Menschen gut, gerecht, Gott angenehm und selig macht.

II. Die Gabe des Verstandes

Die Gabe der Weisheit steht mit jener des Verstandes oder der Erkenntniß in so enger und wechselseitiger Verbindung , daß sie kaum als getrennt gedacht werden können. Diese innige Verbindung , gegründet in der Natur der Sache , bezeuget auch die heilige Schrift. So ruft nämlich der König Salomon zum Herrn: „Gib mir Weisheit und Erkenntniß." So spricht auch der weise Syrach von dem Gerechten: „Die Gerechtigkeit wird ihm entgegenkommen , mitten in der Versammlung wird sie ihm den Mund öffnen , und ihn mit dem Geiste der Weisheit und des Verstandes erfüllen. So schreibt auch der heilige Paulus an die Kolosser, daß er fortan zu Gott bete, er möge sie erfüllen mit der Erkenntniß seines Willens mit aller Weisheit und geistlichen Verständniß, d. i. mit der nothwendigen Verstandesfülle.Der Verstand trägt der Weisheit gleichsam die Lichtfackel vor, daß sie auf ihren Wegen sicheren Schrittes wandle und nicht strauchle.

Die Gabe des Verstandes ist jenes übernatürliche Licht, welches die Finsternisse unseres Geistes zerstreut, das wahre von dem Falschen unterscheiden lehrt, den göttlichen, uns bekannt gewordenen Willen verdeutlichet, die Subsummirung der sich ergebenden Fälle unsers Lebens zeigt, und die Anwendung des göttlichen Willens auf unsere Verhältnisse und Umstände lehrt. Nebstbei benützt der Verstand die selbst gemachte, oder von Andern bekannt gewordene Erfahrung, die sofort zum Leitsterne der künftigen Handlungsweise dient, macht uns dabei auf die allenfalls möglichen Gefahren, auf die verborgenen Fallstricke, welche die Welt und der alte Erzfeind des Menschengeschlech­tes oft mit aller Schlauheit legen, aufmerksam, berechnet die daraus entstehenden wahrscheinlichen oder möglichen Folgen, steht uns bei den betrügerischen Lockungen unserer Feinde gewöhnlich als ein warnender und schützender Engel zur Seite, und bewahrt uns vor dem Falle.

III. Die Gabe des Rathes

In schöner Entfaltung der Gaben des heiligen Geistes, deren wir im Sakramente der Firmung theilhaftig werden, reiht sich naturgemäß an die Gabe des Verstandes oder der Erkenntniß die des Rathes, welche mit den beiden vorhergehenden in wunderbarer Verbindung steht. Wer die Gabe der Weisheit und des Verstandes besitzt, dem fehlt es zwar an der höheren Erleuchtung vom heiligen Geiste nicht, wodurch der Christ sein höchstes Gut auf Erden erkennet, von allen Scheingütern richtig unterscheidet, die Mittel zur Erreichung desselben mit Vorsicht und Klugheit wählet, nach dem Gesetze des Herrn strebt und an dessen Vollziehung seine einzige Freude und sein Wohlgefallen hat; aber der Mensch geräth bisweilen in eine geistige und sittliche Verlegenheit, in der er gleichsam wie auf einem Scheidewege steht, nicht wissend, ob er den Pfad zur Rechten oder Linken einschlagen soll. Es gibt gewisse Augenblicke des Lebens, in denen die Weisheit und Klugheit des Menschen in den Hintergrund treten, und ihn völlig isolirt lassen, gleichsam als wollten sie ihn auf die Probe stellen, wie er seine Sache bestehen werde. Die Umstände im Leben sind gar oft so gestaltet, daß der Mensch nicht erst Zeit sich nehmen oder allenfalls die Gelegenheit abwarten könne, die Erfahrung und Klugheit, das Talent oder den Rath eines Andern auszuforschen, und dessen Meinung als Norm seines Benehmens sich vorzuhalten, sondern er muß einen entscheidenden Entschluß fassen und zur Vollziehung desselben ungesäumt schreiten.

IV. Die Gabe der Stärke

Hat der Christ, ausgerüstet mit dem Geiste der Weisheit und Kraft der inneren Erleuch­tung, seine höchste Lebensaufgabe erkannt, und sofort den Weg, der zur glücklichen Lösung derselben ihn führt, angetreten : so wird er gar bald die Erfahrung machen, wie wahr ein großer Lehrer der Kirche sagt, daß der Weg zum Heile zwar stets mühsam und beschwerlich, besonders aber am Eingange mit vielen und scharfen Dornen besetzt sey," wodurch so mancher abgeschreckt wird, ihn zu betreten. Wenn es uns Menschen schon einige Überwindung kostet, auch nur ein geringes Opfer der Tugend zu bringen; wenn sich den heilsamen Anforderungen des Sittengesetzes gewöhnlich, wie jeder erfährt, die Sinnlichkeit des Menschen widersetzt, was eine Folge unserer verderbten Natur ist ; wenn weiter die Welt durch ihre Reize und verführerischen Beispiele, und endlich sogar der böse Feind, der mit aller Arglist sich nicht selten in der Gestalt eines Lichtengels uns nähert, fortwährend bemüht sind, den schwachen hilfsbedürftigen Menschen unter ihre Fahne zu ziehen, auf daß er dem Gesetze des Geistes sich nicht mehr unterwerfe , und den Willen des Herrn, seines Gottes, nicht beobachte : so sehen wir daraus, wie sehr der Mensch einer Nachhilfe bedürfe, um gegen alle diese Versuchungen und Gefahren den Weg zu seinem Heile mit Muth und Ausdauer zu verfolgen.

V. Die Gabe der Wissenschaft

Wenn nach Schrift und richtiger Erfahrung die Weisheit der Menschen nur Thorheit, unsere Erkenntniß nur Verwirrung und Finsterniß, unser Rath nur Täuschung, unsere Stärke nur Schwäche ist ; wenn die erste Gabe des heiligen Geistes uns das wahre Gut erkennen, die andere die geistigen Finsternisse zerstreuend in der Erlangung des höchsten Zieles alle Vorsicht und Behutsamkeit lehret, die dritte, als die edelste Frucht der Weisheit und des Verstandes, in gewissen Augenblicken des Lebens , wo es sich um Entschluß und Ausführung handelt uns gleichsam als rathender Engel zur Seite steht, die vierte endlich dort und immer Hülfe gegen unsere Feinde zu suchen anweiset, wo die Anfälle derselben und die Versuchungen am stärksten und gefährlichsten sind, so begegnen uns im Erdenleben noch manche andere Umstände, welche eine neuerliche Hilfe von oben erheischen. Wir Menschen sehen die Welt mit all ihren Reizen und Annehmlichkeiten an, hängen nicht selten unser Herz an diese Vergänglichkeit, und fallen , führt uns nicht ein höheres Licht, sodann der Macht der Sinne anheim.

Ist aber der Mensch einmal von den Banden der Sinnlichkeit gefesselt, so wird sein geistiges Auge immer trüber und trüber, verliert seine Sehkraft und erschaut nimmer­mehr das geistige Gepräge des edleren Menschen, der für eine andere, bessere Welt geschaffen ist. Das Herz wird unter der Macht böser Neigungen, Begierden und Leidenschaften, welche mit der Aufregung der Sinnlichkeit des Menschen gewöhnlich auftauchen, vom Gefühle des Wahren und Edlen abgeführt, und verlangt nach dem Verbotenen, nach dem, was dem Willen des Herrn zuwider ist. So sinkt der Mensch von seiner geistigen Höhe herab gleichsam zur Tiefe des Heiden, der dem natürlichen Triebe seiner Sinne folgt, genießt, was ihm schmeichelt, thut, was ihm angenehm ist, und unterläßt, was ihm beschwerlich scheint. Denn da er keine Kenntniß von Gott hat, folglich die Welt und ihre Dinge, so wie den Grund und das Verhältniß seines Daseyns zu denselben nicht einsieht, so wird er ganz im Dienste seiner Sinne und der Welt alles nur auf sich beziehen, nach Wohlgefallen genießen oder entbehren, und sich ganz und gar in den Schlamm dieser Zeitlichkeit untertauchen. Dieß ist eine Wahrheit, welche die Geschichte aller heidnischen Völker bestätiget.

VI. Die Gabe der Gottseligkeit

Die Gabe der Wissenschaft und der Gottseligkeit, oder der Frömmigkeit werden beim Propheten nicht ohne Ursache mitsammen verbunden. Denn wenn die Gabe der Wissenschaft, wie bereits gesagt worden ist, den Geist des Menschen mit himmlischen Kenntnissen auszieret, und diese in seinem Inneren nicht todt bleiben, sondern Früchte hervorbringen sollen, wie denn der heilige Geist darum auch der belebende, lebendig machende Geist genannt wird: so bedarf der Mensch einer neuerlichen Gabe des Himmels, welche sein Herz beweget, aneifert, anfeuert , mit heiliger Begierde zu verlangen, und mit freudigem, unablässigem Streben zu suchen nach dem, was Gottes ist. Denn Feuer zu senden auf die Erde, bin ich gekommen," sagt Jesus, und was will ich anders, als daß es brenne.

So erleuchtet und erwärmet der heil. Geist unsere Seele als die wahre Sonne des geistlichen Lebens. Denn so wie die Sonne ihr Licht über die Körperwelt ausgießt, und uns in den Stand setzt, die Werke der göttlichen Allmacht mit körperlichen Augen zu sehen: so ist der heil. Geist das Licht unserer Seele, das uns hinschauen läßt in eine höhere Welt, und uns mit den erhabensten Wahrheiten bekannt macht, die von Ewigkeit her in Gott verborgen waren. Allein, gleichwie die sichtbare Sonne mit dem Lichte auch eine wohlthätige Wärme verbreitet, die das körperliche Leben erhält, der Erde den befruchtenden Keim und die Triebkraft verleiht, auf daß sie jene unzählige Menge von Gewächsen hervorbringt, die den Erdboden bedecken : so ist es auch wieder der heilige Geist, welcher mittelst seiner Gnaden unserem Herzen die Gedeihen spendende Kraft gibt, um Früchte des Heils hervorzubringen. Nicht also der Mensch vermag Gutes, Gott Wohlgefälliges zu thun. So wenig die erstarrte Erde ihren Fruchtschoß öffnen und Pflanzen oder Kräuter hervorbringen kann, wenn nicht der wärmende und lebendig machende Sonnenstrahl hinzutritt: eben so wenig vermag der innerlich erstarrte Mensch Früchte des Heiles ohne Einwirkung des heiligen Geistes zu erzeugen. Dieser allein gießt jene Wärme, jenes heilige Feuer in unser Inneres, wodurch es fruchtbar wird zu allem Guten. Wo dieses himmlische Feuer das Herz erwärmt, da ist Leben in Gott, da ist Freude an Gott, da ist Begierde nach Gott, da jenes unausgesetzte, liebevolle Streben, Gott dem Herrn, in jeder Lage des Lebens zu dienen, und seines Wohlgefallens sich würdig zu machen. — Und das ist eben, was wir die Gabe der Frömmigkeit nennen.

VII. Die Gabe der Furcht des Herrn

„Die Gabe der Furcht des Herrn," sagt Liebermann, „wird unter den sieben Gaben des heiligen Geistes die letzte genannt, nicht als wäre sie geringer als die übrigen, sondern weil sie alle in sich fasset, und gleichsam die Frucht der übrigen ist."

Es ist zwar schon erwähnt worden, daß, so wenig der heilige Geist theilbar ist, auch seine Gaben nicht getrennt werden können. Alle sind so enge miteinander verbunden, daß eine die andere gleichsam bei der Hand hereinführt, eine die andere unterstützt, hebt, größer und herrlicher macht. Als der heilige Seher Isaias diese sieben Gaben des Geistes Gottes, welche nach dem Glauben der alten Juden und nach der beständigen Überlieferung der Kirche über den künftigen Messias ausgegossen werden sollten, aufzählet, ist bemerkenswerth, daß, nachdem er die ersten sechs Gaben in einen Satz zusammengefaßt hatte, er die Rede neuerdings anfängt, und mit besonderem Nachdrucke hinzusetzt: „Und der Geist der Furcht des Herrn wird ihn erfüllen.“

Nach dem Begriffe, welchen die heilige Schrift gibt, versteht man unter Gottesfurcht alles, was den Menschen vor dem Angesichte des Herrn gerecht und gefällig machen kann. Denn, der königliche Prophet in seinem heiligen Eifer, die Menschen zu Gott zu führen, und sie den sicheren Weg zur wahren Glückseligkeit zu lehren, ruft ihnen zu: „Kommet Kinder ! ich will euch Gottesfurcht lehren." Wenn von dem alten Tobias erzählet wird, wie er seinen Sohn in allen Lehren des Gesetzes und in allen Tugenden eines wahren Israeliten, der Gott gefällig seyn sollte, erzogen hat, so heißt es: „er habe ihn von Jugend auf Gottesfurcht gelehrt.“ Job wird von Gott selber gerühmt, als ein Mann, der auf Erden seines Gleichen nicht hat, denn er war, um das Wort des Herrn zu wiederholen, „ein gerader, ein gottesfürchtiger Mann.“ So auch im neuen Bunde : Von dem Hauptmanne Cornelius, der auf wunderbare Weise zur Erkenntniß Gottes und Annahme des wahren Glaubens geführt worden war, steht geschrieben : „Es war zu Cäsarea ein Mann mit Namen Cornelius, ein Hauptmann in der Heerschaar, ... der war fromm und fürchtete Gott mit seinem ganzen Hause." Jeder dieser genannten Männer also fürchtete Gott, und ward darin seinem Herrn angenehm und wohlgefällig.

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