Zum Fest der Erscheinung des Herrn
06. Januar 2025
![Die Weisen der drei Kontinente erweisen dem kindlichen Gottmenschen ihre Reverenz <br>Bild: Edward Burne-Jones, 1904, Google-Art-Projet, Public Domain. Der in strengem Jugendsitl gefertigte Wandteppich zeigt die vielfach dargestellte Szene der drei Weisen vor dem Haus der heiligen Familie in Nazareth](../../../cont_img/25_a/adoration_of_the_magi..jpg)
Mit dem heutigen Fest der „Erscheinung des Herrn“ beginnt der zweite Teil des weihnachtlichen Festkreises, der dann mit dem Sonntag Septuagesima (in diesem Jahr 16. Februar) abschließt und mit den dann folgenden drei Sonntagen der Vorfastenzeit gleichsam einen „schonenden Übergang“ zur Buß- und Fastenzeit bietet. Der Inhalt dieses Festtages wird nach Ort und Zeit durchaus unterschiedlich aufgefasst. Ursprünglich umfasste er wohl alle Festgedanken, die mit der sichtbaren Erscheinung des Herrn im menschlichen Fleisch zusammenhängen – von der Geburt in Bethlehem über die Anbetung der Weisen bis zur Offenbarung der Gottessohnschaft bei der Taufe im Jordan und der Selbstoffenbarung als Herr der Schöpfung bei der Hochzeit von Kanaan. Bis ins 5. Jahrhundert war „Erscheinung“ im Osten wie im Westen der Feiertag der Geburt Christi schlechthin. Danach kam es in Folge gesellschaftlicher und theologischer Entwicklungen zu Ausdifferenzierungen, die jedoch zumindest im Grundsatz keine Gegensätze, sondern Bereicherungen darstellen.
Von all den mit diesem Gedanken zu verbindenden Ereignissen im Leben des Herrn trat in der Kirche des Westens schon früh die Anbetung des Kindes durch die als Könige gedeuteten Weisen aus dem Morgenland in den Vordergrund. Rupert von Deutz, der sich dabei auf keine geringere (und wesentlich frühere!) Quelle als Leo den Großen stützen kann, schreibt dazu in seinem Liber de officiis (3, 24) das Folgende:
„Den Vorrang aber hat (die Anbetung der Weisen), und das ist das Wichtigste, weil der Herr von diesen, die gewiß Heiden waren, angebetet worden ist, gewährt er den Herzen der erleuchteten Heiden auch eine reiche Quelle geistlicher Freuden, denn in ihnen sind ja schon damals die Erstlinge der Heiden aufgenommen worden“.
Hierzu also ist in würdiger Weise das ganze Offizium der Messe geschaffen worden, indem die aus den Heiden erwählte heilige Kirche zu Beginn ihrer Berufung eine Gott wohlgefällige Verkündigung des Lobes zu ihrem Heil darbringt. Der ganze Inhalt der Lobpreisungen aber sind die Geschenke der Könige, Gold, Weihrauch und Myrrhe. Diese Geschenke waren nämlich überreich durch den Glauben, angeordnet durch die Belehrung des Himmels, eingegeben durch den Heiligen Geist. Denn was ist der himmlischen Belehrung angemessener, als „mit Gold den König, mit Weihrauch den Gott und mit Myrrhe den Sterblichen zu preisen?“
Die deutsche Übersetzung des Rupert (Bd. 2, S. 488) zitiert als Beleg für diese Formel eine Schrift Gregors des Großen aus dem 6. Jahrhundert. Sie hätte mit gleichem oder noch größeren Recht einen Vers aus dem großen Epiphanie-Hymnus des Prudentius (4. Jahrhundert, Text im Hymnarium) anführen können, in dem der Dichter nicht nur die früheste außerbibliche Erwähnung der drei Weisen bietet, sondern auch gleich die bis heute gültige theologische Deutung mitliefert:
Kaum hatten sie ihn erblickt,
holten sie die Gaben des Ostens hervor,
und kniend unter Gebeten boten sie dar
königliche Gaben: Weihrauch, Myrrhe und Gold.
Erkenne darin die deutlichen Zeichen
Deiner Wesenheit und Deines Königtums,
oh
Kind, die Dir der Vater
als dreifaches Erbe bestimmt hat:
Den König und den Gott künden
der Goldschatz und der wohlriechende Duft
des
Weihrauchs von Saba – doch das Pulver der
Myrrhe / sagt schon das Grab voraus.
Das ist das Grab, durch das der Gott
indem er das Sterben des Körpers erduldete,
und dann den Begrabenen wieder auferweckte,
den Kerker des Todes aufbrach.
In dieser Deutung kommt übrigens der von Rupert unter Berufung auf Papst Leo zitierte Gedanke der „Berufung der Erstlinge aus der Heidenwelt“ nicht vor, und diese dem Dichter leicht zu verzeihende Auslassung bestimmt bis heute das populäre Verständnis des Festgedankens: Der Glanz der Kronen der zu „Königen“ umgedeuteten Weisen und der materiell Wert ihrer Geschenke lassen in den Hintergrund treten, daß gleich nach den gottesfürchtigen Hirten von Bethlehem heidnischen Sterndeutern, Wahrsagern und Geomanten den Ruf des Herrn erhielten und ihm bis zum Ende folgten.
Indirekt ist freilich auch in der Umdeutung der Weisen zu „Königen“ noch ein Bezug zur Heidenwelt erkennbar: Israel hatte sein Königtum schon lange verloren, aber aus den Psalmen (z.B. Ps. 71) war auch jedem christlichen Beter geläufig, daß die Könige der Heidenwelt vor dem wahren Gott das Kniebeugen würden – spätestens am Ende der Zeit. Früh schon wurde dieser Gedanke auch „universalistisch“ interpretiert: Es waren nicht nur einfach „drei Könige“, die vor dem Kind in der Krippe niederknieten, sondern entsprechend den damals bekannten drei Weltteilen Europa, Asien und Afrika, war einer davon nordisch-weiß, einer davon asiatisch-braun, und einer äquatorial-schwarz: Alle sind gemeint, welcher Rasse und Farbe auch immer. Nur geistlosen Zeitgeistern kann es einfallen, auf daraus entstandener Volksfrömmigkeit einen Verdacht auf „rassistische Diskriminierung“ abzuleiten.
Im lateinischen Ritus war die Messe zum Fest der Erscheinung des Herrn schon lange vor der Zeit des Rupert von Deutz (12. Jh.) fast ausschließlich von Lesungen und Gebeten mit Bezug zu den drei Weisen bestimmt. Von daher ist es leicht verständlich, daß im frommen Volk der Westkirche der heutige Festtag weniger unter dem Aspekt der „Erscheinung/Offenbarung des Herrn“ (unter welchem Bezug auch immer) gefeiert wurde, sondern als „Dreikönigstag“ eher in einer Art „Heiligengedenken“ verstanden wurde.
Die Kirchen des Ostens entwickelten ein davon abweichendes Verständnis. Hier rückte die Taufe Jesu im Jordan in den Vordergrund. Theologisch geht es dabei um die am Jordan erfolgte Offenbarung der allerheiligsten Dreifaltigkeit, wie sie in Lukas 3, 21 überliefert ist. In der Praxis von Pastoral und Volksfrömmigkeit wurde dabei vor allem der Gedanken der Taufe im fließenden Wasser aufgegriffen und daraus eine Fülle von Riten und Gewohnheiten abgeleitet, die von der an diesem Tage vom Ortspriester vorzunehmenden Gewässersegnung bis zum eher als Volkssport verstandenen Bad in eiskaltem Wasser reichen – vielfach in einer in Kreuzesform ausgeschnittenen Öffnung in der Eisdecke eines zuverlässig zugefrorenen Gewässers.
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Deutsche Passage aus Ruppert von Deutz zitiert nach der Ausgabe Fontes Christiani, Ruppert von Deutz. De divinis offizciis II, Herder 1999*