Erfreuliches und Unerfreuliches aus dem Rom von Papst Leo
25. Juni 2025

Päpstlicher Unfall mit behebbarem Schaden
Die unerfreuliche Nachricht zuerst: Papst Leo hat eine Anzahl neuer Mitglieder für das Dikasterium der Institute und Gemeinschaften des geweihten Lebens ernannt, das derzeit noch mit unklarer Rechtsstellung von der unter Franziskus ernannten „Präfektin“ Brambilla geleitet wird. Die Mitglieder der Dikasterien bilden traditionell eine Art Aufsichtsrat, der Grundsatzfragen diskutiert und den Präfekten berät, während die eigentliche Tagesarbeit von festangestellten Mitarbeitern (Sekretär, Substituten usw.) geleistet wird.
Prominenteste Neuernennung im Kreis der Mitglieder ist Kardinal Arthur Roche, der seit seiner Ernennung durch Franziskus 2021 dem Dikasterium für den Gottesdienst als Präfekt vorsteht und sich nicht erst seit dieser Ernennung als einer der schärfsten Gegner der überlieferten Liturgie profiliert hat. Das Motu Proprio Traditionis Custodes ist unter seiner Mitarbeit entstanden und wurde von ihm in den sog. „Responsa ad Dubia“ weiter zugespitzt. Das Ordensdikasterium, zu dessen Mitglied Roche jetzt zusätzlich ernannt wurde, erhielt von Franziskus auch die Zuständigkeit für die Ex-Ecclesia-Dei-Gemeinschaften zur Pflege der überlieferten Liturgie. Von daher ist Roche jetzt in einer Position, die die Zukunft dieser Institute maßgeblich bestimmen wird. Das eröffnet höchst beunruhigende Perspektiven und muß ernste Fragen aufwerfen.
Die Motive für die Ernennung Roches in dieser Funktion durch Papst Leo sind unbekannt – eine sachliche Notwendigkeit oder auch nur Begründung dafür ist aus unserer Perspektive nicht erkennbar. Zur Rechtfertigung einiger fragwürdiger Personalentscheidungen Papst Leos (Beat Grögli als Bischof von St. Gallen, Shane Mackinlay als Erzbischof von Brisbane) wird darauf hingewiesen, daß damit lediglich Ernennungsprozesse abgeschlossen würden, die bereits seit längerem, teilweise seit Jahren, laufen. Das ist vermutlich korrekt und kann unter dem Aspekt nachvollzogen werden, daß der neugewählte Papst sein Pontifikat nicht mit einem Übermaß von ererbten Personalkontroversen beginnen will.
Als zusätzliche Rechtfertigung wird dann auch angeführt, es gelte, den Beteiligten zu helfen, das Gesicht zu wahren – und das erscheint weitaus weniger nachvollziehbar. Entschieden wichtiger als die Gesichtswahrung opportunistischer Kurialbeamter – und seien es auch Kardinäle – ist das Recht der Gläubigen auf Bischöfe, die keinen Anlaß zu Zweifeln an ihrer Glaubenstreue geben. Und angewandt auf die Ernennung des Traditionsfeindes Roche zu einem Mit-Aufseher über die Gemeinschaften der Tradition: Die Gläubigen, die der seit zwei Jahrtausenden bestehenden Liturgie und Lehre der Kirche treu bleiben wollen, haben einen Anspruch darauf, in dieser Treue unterstützt und nicht in Ängste und Zweifel gestürzt zu werden.
Wie hier im Einzelfall vorzugehen wäre, ist von außerhalb des Apparates schwer zu entscheiden: Jede Entscheidung stellt den Papst, der letzten Endes die höchste Autorität verkörpert, vor ein Dilemma.
Und damit kommen wir zu einer erfreulichen Nachricht: Es mehren sich die Anzeichen dafür, daß Papst Leo sich dieses Dilemmas bewußt ist und daran geht, diese Einsicht auch umzusetzen. Und das nicht allein in seinen Liturgien oder bei der Ermahnung an die Malteser, die Vermittlung und Förderung des Glaubens nicht hinter den weltlichen Werken der Caritas zurückstehen zu lassen, sondern auch durch administrative Maßnahmen gegen den unter Franziskus zwar nicht entstandenen, aber mächtig ausgewucherten Machtapparat der modernistischen Häresien in und hinter der Kurie.
Das stets gut informierte (und nebenbei bemerkt traditionalistischer Neigungen durchaus unverdächtige, aber unbezweifelbar katholische) Web-Magazin The Pillar hat unter Datum vom 24. Juni einen aufsehenerregenden Artikel veröffentlicht, in dem detailliert beschrieben wird, wie „progressive Kräfte“ in der spanischen Bischofskonferenz mit Unterstützung (oder im Auftrag?) von Franziskus die nach dem Recht vorgeschrieben Verfahren zur Ernennung neuer Bischöfe aushebelten, den Nuntius marginalisierten und in Rom die Ernennung von Personen erwirkten, die den spanischen Episkopat innerhalb weniger Jahre auf strammen Linkskurs brachten.
Papst Leo weiß in diesem Fall – vielleicht im Unterschied zu einigen anderen Problemzonen – ganz genau, wovon die Rede ist: Robert Prevost war 2023 von Franziskus zum Präfekten der Bischofskongregation gemacht worden, mußte aber – so deutet es The Pillar an – mit ansehen, wie wichtige Ernennungen gerade, aber nicht ausschließlich, in Spanien, hinter seinem Rücken oder gegen seinen Willen durchgezogen wurden. Nun hat er Maßnahmen angeordnet und Personalentscheidungen getroffen, die – so sieht es The Pillar – nicht nur darauf abzielen, die spanische Bischofskonferenz wieder auf die Einhaltung des geltenden Rechts zu ermahnen, sondern die auch geeignet sind, dieses Ziel tatsächlich zu erreichen. Ein wichtiger Unterschied, wie Papst Benedikt mehrfach zu seinem Leidwesen erfahren mußte.
Die Wiederherstellung der Integrität des Prozesses der Bischofsernennungen in Spanien und weltweit ist freilich nur eine von vielen Baustellen, denen sich Papst Leo widmen müßte, um den Hoffnungen derer gerecht zu werden, die unter der aktuellen Krise leiden. Sie alle gleichzeitig anzugehen, ist völlig unmöglich, und wahrscheinlich hat sich Leo für den Anfang einen Bereich vorgenommen, in dem er sich besonders gut auskennt und der ihm besonders am Herzen liegt: Denn wer wollte bestreiten, daß die Sicherstellung des Nachwuchses an guten Bischöfen tatsächlich eine erstrangige Zukunftsfrage für die Kirche darstellt – wohin man mit schlechten Bischöfen kommt (und woher diese selbst kommen), ist gerade in Deutschland wie unter einem Vergrößerungsglas zu besichtigen.
Die Frage der überlieferten Liturgie scheint demgegenüber für ihn nicht von höchster Bedeutung zu sein. Das können wir beklagen und kritisieren – müssen aber gleichzeitig einräumen, daß diese Frage in dem amerikanischen kirchlichen Milieu, dem Robert Prevost entstammt, in der Praxis oft nicht so scharf in Erscheinung tritt, wie in Europa. Sie ist dort vielfach auch nicht so ideologisch überdeterminiert, wie im Umfeld von St. Anselmo. Von daher ist es vielleicht ein Ausdruck kluger Zurückhaltung, daß die Ex-Ecclesia-Dei-Gemeinschaften, aber auch die Piusbruderschaft, sich bisher mit der Formu-lierung von Wünschen an Papst Leo sehr zurückgehalten haben.
Vielleicht.
Auf Dauer ruhigstellen lassen wird sich dieses Problem nicht – und die Ernennung von Arthur Roche zu einem der Oberaufseher über die Angelegenheiten der traditionellen Gemeinschaften erscheint geeignet, eher Zuspitzung zu bewirken als Entspannung. Und was die Bischofsernennungen betrifft: Da liegt nicht nur in Spanien vieles im Argen. Tatsächlich sind beide hier angesprochenen Problemfelder auf kaum entwirrbare Weise miteinander verknüpft. Zum einen durch die in jeder Diözese unterschiedlich ausfallende Anwendung von Traditionis Custodes, und dann auch noch durch die täglich näher rückende Notwendigkeit, Nachfolger für die beiden alten und kranken Bischöfe der Piusbruderschaft zu finden. Da stößt das Spiel auf Zeit an seine natürlichen Grenzen.
Papst Benedikt hat uns vor ziemlich genau 20 Jahren in seiner Inaugurationsmesse darum gebeten: „Betet für mich, daß ich nicht furchtsam vor den Wölfen fliehe.“ Wie der Ablauf der Dinge vermuten läßt, sind wir dieser Bitte nicht in erforderlichem Maße nachgekommen. Nutzen wir die zweite Chance, die sich uns ganz ohne eigenes Verdienst nun unter Leo XIV bietet.
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