Warum nicht lateinischer Novus Ordo mit allem Drum und Dran?
20. Oktober 2025
Paul VI. zelebriert 1965 erstmals „ad populum“
Wenn die Liturgie nach dem Novus Ordo ehrfürchtig und sakramental wirksam gefeiert werden kann und auch (zumindest punktuell so) gefeiert wird – warum springen wir sturen Tradis dann nicht endlich über unseren Schatten und akzeptieren die „Liturgie des Konzils“? Warum akzeptieren wir nicht das neuerdings signalisierte Entgegenkommen, die Messe nach dem Missale Pauls VI. zu feiern, auf Latein, ad Dominum und mit allen smells and bells, die wir aus der Tradition geerbt haben, so daß man schon genau hinschauen müsste, um die Unterschiede zur überlieferten Form wahrzunehmen? Warum widersetzen wir uns der päpstlichen Autorität und bleiben verstockt bei einer Form der Liturgie, von der doch das Lehramt der Kirche verkündet, sie sei den „Menschen von heute“ nicht mehr zeitgemäß? Warum riskieren wir über eine Frage der äußeren Form die innere Einheit der Kirche und lassen uns, wenn es denn hart auf hart kommt, sogar als „Schismatiker“ an den Rand oder ganz heraus drängen?
Mit der Langfassung der Antwort auf diese Fragen werden wir uns in den kommenden Monaten und wohl auch Jahren immer wieder und intensiver als bisher beschäftigen müssen. Daher hier zunächst in Kurzfassung die Replik auf die Prämissen, die den oben wiedergegebenen Fragen zugrunde liegen. Denn das Missale Pauls VI. ist eben nicht die von „dem Konzil“ gewollte und beschlossene Neue Liturgie, sondern enthält zahllose theologisch problematische Elemente, die auf die Entstellungen durch den Konzilsgeist zurückgehen.. „Ad Dominum“ und mit Weihrauch auf Latein ist quasi eine optische Täuschung, die die von Franziskus in TC durchaus zutreffend festgestellte Inkompatibilitäten des überlieferten Glaubens mit dem Irrglauben des Konzilsgeistes überdecken soll. Seit wann ist „zeitgemäß“ ein Kriterium für die Wahrheit – und kann die Behauptung der „Zeitgemäßheit“ vor dem empirischen Befund bestehen, daß die Reformliturgie in weiten Bereichen der Welt den „Menschen von heute“ so wenig zu sagen hat, daß sie sich uninteressiert davon abwenden – seit Jahrzehnten, in in immer größer werdender Zahl? Und die Einheit der Kirche kann doch nicht auf Fiktionen gegründet werden, die weder mit der tausendjährigen Tradition der Kirche – also ihrer überzeitlichen Einheit – noch mit dem empirischen Befund ihrer Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten überein stimmen.
Peter Kwasniewski zitiert in seinem letzten Wochenrückblick die Zuschrift eines Lesers, der diese hier eher abstrakt aufgezählten Gesichtspunkte in einer sehr überzeugenden konkreten Form zusammenfasst:
Ich befürchte, dieser jüngste Schachzug des Vatikans könnte das „Schach“ oder sogar „Schachmatt“ im Endspiel zwischen TLM und Novus Ordo sein. Warum? Meiner Erfahrung nach benutzt über die Hälfte unserer TLM-Gemeinde kein Messbuch. Und wer kein Messbuch besitzt, hat keine Ahnung, wie unterschiedlich die Gebete beider sind; und wenn die Heilige Schrift gelesen wird, ist es immer noch dieselbe Heilige Schrift – denken sie. Wenn Priester anfangen, den Novus Ordo ad orientem zu beten, etwas Latein zu verwenden, Gesang und Weihrauch zu gebrauchen, werden dann alle TLM-Anhänger merken, wie unterschiedlich das immer noch ist? Ich befürchte auch, daß dies die Spaltung der Traditionalisten sein könnte und deshalb geschehen wird. Die Modernisten und ihre Lakaien werden die Messe Pauls VI. nicht aufgeben. Sie denken also: „Wenn die Menschen Gesang, Weihrauch und Ehrfurcht wollen, können wir das tun – wenn es nötig ist, um die TLM ein für alle Mal loszuwerden.“ Diejenigen, die den Unterschied wirklich erkennen, sind eine kleinere Minderheit innerhalb einer ohnehin schon kleinen Minderheit von Katholiken. Wie Jesus sagte: „Ein gespaltenes Haus kann nicht bestehen.“
Wenn aber selbst viele Traditionalisten den Unterschied nicht erkennen – warum ist er dann so wichtig? Zum einen natürlich, wegen der Wahrheit. Die „im alten Stil“ verkleidete „Neue Messe“ ist in sich unstimmig und damit auch unaufrichtig.. Eine Besprechung des Unterschieds der alten Gebete zum Offertorium gegenüber den neuen zur „Gabenbereitung“ wird Gelegenheit bieten, das näher zu erläutern. Aber zusätzlich gibt es noch einen eminent praktischen Gesichtspunkt: Wer mit der überlieferten Liturgie auch den überlieferten Glauben geerbt hat und dazu nur sehr begrenzt Latein versteht, wird bei der ehrfürchtig gefeierten „Neuen Lateinischen Messe“ kaum Gefahr laufen, seinen Glauben nach modernistischen Vorgaben zu verwässern, von der „Vergegenwärtigung des Erlösungsopfers“ in eine „Feier der Gemeinschaft“ abzugleiten. Der darf in Ruhe aussterben – miserable Katechese sorgt schon dafür, daß da nichts nachwächst.
Doch wer angezogen von der ehrfürchtigen Form und dem Mysterium einer (zunächst) unverständlichen Sprache aus einem seichten Protestantismus, dem modernen Agnostizismus oder gar aus dem Islam neu hinzukommt, läuft Gefahr, bei näherer Beschäftigung mit den modernen Texten kaum die Tiefe der ursprünglich hinter der Liturgie waltenden Wahrheit zu erkennen und früher oder später wieder enttäuscht wegzubleiben: Gemeinschaft im Dienst hehrer Ziele findet er in jeder anderen NGO auch.
Mit der unter dem zersetzenden Einfluß des Modernismus über weite Strecken säkularisierten Liturgie verhält es sich ganz ähnlich wie mit dem von allen transzendenten Bezügen befreiten modernen Gemeinwesen, von dem Ernst Wolfgang Böckenförde in seinem berühmten Satz festgestellt hat: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Auf anderer Ebene gilt das auch für die moderne selbstsäkularisierte Kirche: Sie kann nur dann gläubig bleiben, wenn sie den ihr offenbarten Glauben ganz, ohne Entstellung und ohne wohltuend-rücksichtsvolle Verkleidung weitergibt.
Dieser Glaube ist nur ein mehr oder weniger unverbindliches Angebot, sondern hat einen zentralen und jeder Infrage-Stellung entzogenen Wesenskern. Der heißt „Katechismus“ oder für Fortgeschrittene „Denzinger“ und kann auch von einem Papst nicht einfach so verändert werden. NGO sind da flexibler: Ihr Zentrum liegt gestern beim Schutz der Umwelt, insbesondere der Gelbbauch-Unke, heute beim Mitleid mit Migranten und morgen beim Kampf gegen Rechts. Oder noch besser alles gleichzeitig. Die Kirche und ihre Liturgie können in einem solchen Popularitätswettbewerb nicht mithalten. Müssen sie auch nicht: Ihre zentrale und letztlich einzige Aufgabe besteht seit zweitausend Jahren darin, so viele Menschen wie möglich auf den von Christus eröffneten und gewiesenen Weg zum ewigen Heil zu bringen und dabei zu unterstützen, ihn erfolgreich zu Ende zu gehen. Die vereinfachte und protestantisierte Liturgie von Bugnini und Paul VI. kann sie darin nur unzureichend unterstützen.
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