Kardinal Roche und die Stimme
aus dem Grabe
21. Oktober 2025
Ernennung von Arthur Roche zum Kardinal
In der vergangenen Woche fand in den USA die Jahreshauptversammlung der Vereinigung der Liturgiekommissionen amerikanischer Diözesen statt. Diese „Federation of Diocesan Liturgical Commissions“ (FDLC) war 1969 von den amerikanischen Bischöfen gegründet worden, um die Umsetzung der liturgischen Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils zu fördern; seitdem bietet sie darauf gerichtete Bildungsveranstaltungen für Kleriker und Laien an. In diesem Oktober berieten nun an die 250 Mitglieder der Organisation drei Tage lang darüber, wo die Liturgie in den USA steht und wie es liturgisch in den USA weitergehen soll.
Wir hatten von dieser Vereinigung bisher noch nie etwas gehört, aber aus römischer Sicht war diese Versammlung wichtig genug, daß der formal nach dem Tod von Franziskus zurückgetretene und bisher noch nicht wieder offiziell bestätigte Präfekt des Gottesdienstdikasteriums Arthur Roche in die Staaten reiste, um an den Beratungen teilzunehmen. Im Folgenden referieren wir die wichtigsten Ausführungen des Präfekten nach dem Bericht in CatholicNewsReport vom 17. Oktober:
„Papst Franziskus hat keine systematische Darstellung der liturgischen Ausbildung gegeben ... Er wollte die Kirche an die Hand nehmen und sie zum Zentrum des Mysteriums führen, das wir feiern, zum Herzen Christi, das von seinem brennenden Wunsch erfüllt ist, daß wir uns ihm nähern, seinen Leib annehmen und sein Blut trinken, um den Vater mit erneuertem Herzen und Geist anzubeten, nachdem wir im Blut des Lammes gewaschen wurden“. sagte er. Deshalb müsse „die Feier der Messe zutiefst „im Paschamyterium Christi verwurzelt sein“. Weiterhin bekräftigte Roche Franziskus‘ Hinweis aus dem Jahr 2017, wonach „die Liturgiereform [des Zweiten Vatikanischen Konzils] unumkehrbar“ sei. Er zitierte aus dem Apostolischen Schreiben Desiderio Desideravi von Franziskus aus dem Jahr 2017 und forderte, das Dokument müsse „den Pfarrgemeinden stärker zugänglich gemacht“ werden, und es müsse mehr Hilfe bei der „Organisation angeleiteter Lesungen“ gegeben werden.
In diesem Dokument schrieb der Heilige Vater, daß „jeder Aspekt der Feier sorgfältig gepflegt werden muss“, einschließlich Raum, Zeit, Gesten, Worte, Gegenstände, Gewänder, Gesang und Musik. Diese Achtsamkeit würde ausreichen, um zu verhindern, daß der Gemeinde das genommen wird, was ihr zusteht: nämlich das Ostergeheimnis, das nach dem von der Kirche festgelegten Ritual gefeiert wird.“ Weiterhin führte Roche aus: „Die Tiefe und Breite seiner (Franziskus’) liturgischen Vision bietet uns unzählige Gelegenheiten zum Nachdenken, um das große Geschenk zu würdigen, das uns in den liturgischen Büchern überliefert wurde. (…) „Gerne ermutige ich Sie, kraftvoll, aber stets in der Nächstenliebe vorzugehen, um die einheitliche Lex orandi des römischen Ritus zu fördern. … Diskurse über die Liturgie, denen der Geist der Nächstenliebe fehlt, entspringen einem anderen Geist als dem Christi.“
Der Verweis auf „Desiderio Desideravi“ wurde nach dem Bericht im CatholicNewsReport von den Tagungsteilnehmern mit großer Aufmerksamkeit und Freude aufgenommen. FDLC-Geschäftsführerin Rita Thiron sagte gegenüber CNA, dieses Dokument sei ein „wunderschöner Text“, und die Vereinigung biete den Gemeinden einen Studienführer an, der Diskussionsfragen und Reflexionen zum Dokument enthalte. Besonders angetan zeigte sie sich davon, dass das Dokument erkläre, wie der moderne Mensch die Fähigkeit verloren habe, sich von Symbolen leiten zu lassen, und es die Kirche ermutige, die rituelle Verwendung von Symbolen zu intensivieren – zum Beispiel, so wörtlich, „mehr Wasser bei Taufen“ zu verwenden.
Auch der vielleicht dem einen oder anderen unserer Leser von gelegentlichen Besuchen auf dem Modernisten-Blog Pray Tell bekannte Hochschullehrer P. Anthony Ruff (OSB) konnte vor Begeisterung kaum an sich halten: „Desiderio Desideravi (DD) ist ein wunderschön geschriebenes und inspirierendes Dokument. Es hilft uns allen, die Vision der Kirche von der Liturgie zu verstehen, die auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil basiert – insbesondere, wie die reformierte Liturgie die lebendige Quelle für unser gesamtes Gebetsleben und unsere Gefolgschaft Christi sein kann.“ Denn bekanntlich – so wird Ruff nicht müde, uns immer und überall zu erklären – war das in den zweitausend Jahren vor Vatikan II nicht der Fall.
Allerdings sind wir uns da da mit der „lebendigen Quelle“ nicht so sicher. Zumindest den Zahlen nach sind das Gebetsleben der Kirche – nimmt man die Berufungen zum klösterlichen Leben zum Maßstab – und die Gefolgschaft Christi – wie sie sich etwa im Gottesdienstbesuch der Gläubigen manifestieren – in den Jahren nach der „Neubegründung der Liturgie“ durch das II. Vatikanum dramatisch zurückgegangen – auch in den USA, und trotz aller Anstrengungen der FDLC Wir sehen in der neuen Liturgie-Theologie, die auch und gerade in DD ihren Niederschlag gefunden hat, eher eine Anwendung der von der Vereinsfunktionärin Thiron für den Umgangs mit Symbolen empfohlenen Parole: „mehr Wasser“ – die Riten mit mehr schönen, aber inhaltsschwachen Worten zu verdünnen, bis Inhalt und Aussage keinen Anstoß mehr erregen und dem entsprechend kaum noch Wirkung entfalten.
Aber uns geht es hier nicht um die inhaltliche Auseinandersetzung mit DD als einem der zwiespältigen Dokumente aus der Erbschaft von Franziskus, sondern um die Selbstverständlichkeit, mit der der (amtierende) Präfekt des Liturgiedikasteriums sich hier auf die „Lehre“ von Franziskus und nur auf diese beruft und es anscheinend – wir kennen ja nicht die ganze Rede – gar nicht der Mühe wert findet, etwas aus Worten und Gesten des seit fast einem halben Jahr amtierenden Nachfolgers zu berufen. Offenbar geht er davon aus, daß der Geist des Vorgängers zumindest in liturgischer Hinsicht auch das Nachfolgepontifikat bestimmen wird – und daß er, Arthur Roche, diesen Geist auch in Zukunft als Liturgiepräfekt zur Geltung bringen kann.
Keine schönenen Aussichten.
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