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Der Quatembermittwoch im Advent — Geschichte und Liturgie

17. Dezember 2025

1 - Liturgie

Darstellung des Propheten im typischen Stil neuzeitlicher orthodoxer Ikonenmalerei

Jesaias – der Prophet der Menschwerdung

Für die Gläubigen, die an der überlieferten Lehre und Liturgie festhalten, beginnen mit dem heutigen Mittwoch nach dem 3. Adventssonntag die Quatembertage im Advent. Für uns persönlich besteht die besondere Faszi­nation dieser Tage neben den mit ihnen verbun­denen theologischen Aussagen darin, daß sie weit in die Vergangenheit des menschlichen Lebens zurückreichen und dieses mit der natür­lichen wie der übernatürlichen Ordnung der Dinge verbinden.

Papst Leo I (Mitte des 5. Jh.) hat den Quatember­tagen, die zu seiner Zeit in der Hauptsache als Gebets- und Fastentage begangen wurden, um Gott für seine Wohltaten zu danken, eine eigene Predigtreihe gewidmet. Dabei stellt er die Verbindung zu den alten römischen Festen (feriae messis, feriae vindemiales, feriae sementivae von Aussaat und Ernte des Getreides, Weinlese und Olivenernte) und betont, daß die Feiertage der Kirche die heidnischen Bräuche ersetzen und reinigen. Schon immer hat die Kirche das anerkannt, was an den Gebräuchen anderer Religionen „gut und wahr“ war.

In diesem Sinne greift Leo der Große auch auf die jahreszeitlichen Feste des alten Bun­des zurück, die sich allerdings nicht ohne weiteres mit den vier Jahreszeiten des Westens synchronisieren lassen: Der alte Orient kennt im Prinzip nur zwei Jahreszeiten: Ein kalte, regenreiche Zeit (ungefähr Spätherbst bis Frühling), in der gepflügt und gesät wird und eine heiße, trockene Zeit (spätes Frühjahrs- bis in den Herbst) der, Reife und Ernte. Daher lassen sich die vier vom Propheten Sacharja angeordneten Fast- und Gebetstage des vierten, fünften, siebten und 10. Monats nicht ohne weiteres dem römisch-christ­lichen Schema zuordnen. Statt dessen beruft Leo sich darauf, daß diese diese über das Jahr verteilten Fastentage durch die „Lehre des Heiligen Geistes“ eingerichtet wurden, um alle Jahreszeiten durch die Übung von Enthaltsamkeit zu heiligen. Von daher stellen sie eine auch für den neuen Bund gültige Verpflichtung dar.

In der lateinischen Kirche haben die Quatember ihren Charakter als Fastentage weitge­hend verloren, bei der Adventsquatember ist auch der alte Bezug zu den Jahreszeiten und zum Erntejahr nicht mehr zu erkennen: Die Liturgie dieser Tage steht ganz im Zeichen der erwarteten Ankunft des Herrn.

Der Introitus vom Mittwoch zitiert Is. 45, 8 mit den emblematischen Zeilen: „Tauet Himmel, von oben! Ihr Wolken, regnet den Gerechten! Es öffne sich die Erde und sprosse den Heiland hervor.“

Das Tagesgebet bringt mit typisch römischer Schlichtheit auf den Punkt, worum es geht: „Wir bitten Dich, allmächtiger Gott, gib, daß das kommende Fest unserer Erlösung uns für das gegenwärtige Leben Hilfe bringe und uns mit den Gütern der ewigen Seligkeit bereichere.“

Die erste Lesung eröffnet mit einem weiteren Zitat aus Jesaias (Is. 2, 2-5) bereits eine endzeitliche Perspektive, in der das Heil von allen erkannt wird und alle sich ihm unter­werfen: „Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg mit dem Haus des Herrn / steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel. / Zu ihm strömen alle Völ­ker. Viele Nationen machen sich auf den Weg.“

Die Oraion stellt dieser Bewegung „von unten“ die korrespondierende Bewegung „von oben“ gegenüber (Ps. 234,7):Ihr Tore, streckt euch nach oben, werdet weit, ihr ewigen Pforten: Einzug will halten der König der Herrlichkeit.“

Die zweite Lesung kehrt wieder zu Jesaja zurück – es ist die gleiche, die auch am Fest Marä Verkündigung vorgetragen wird: „Der Herr selbst wird euch ein Zeichen geben. Seht, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären, sein Name wird sein: Emmanuel“.

Auch das Evangelium greift mit dem Bericht des Evangelisten Lucas (1, 26-38) auf das Thema der Verkündigung zurück. Es bietet die vollständigen Wiedergabe des Dialogs zwischen dem Boten des Herrn und der von ihm auserwählten Gottesgebärerin und deren Bekenntnis: „Siehe, ich bin eine Magd des Herrn, mir geschehe nach Deinem Wort“.

Das folgende Offertorium zitiert wieder Jesaia mit einem Vers (35, 4), der aufgrund eines Übersetzungsproblems oft nicht in seinem ganzen Umfang verstanden wird. Weit ver­brei­tet ist die deutsche Version: Seid getrost und fürchtet euch nicht mehr; denn seht, unser Gott wird Gericht halten; Er selbst kommt und erlöst uns.

Bei „Gericht“ (mishpat, מִשְׁפָּט ) hören unsere Ohren allzuoft etwas ähnliches wie „letztes Gericht“ – aber das ist nur eine Hälfte. „Mishpat“ bedeutet eher etwas wie „Richtigma­chung“ – der Herr stellt die verletzte göttliche Ordnung durch seinen Machtspruch wieder her, aber damit kommt nicht das Ende der Welt, sondern es geht weiter – nur diesmal richtig.

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Die möglicherweise sehr alte Secreta erinnert als einziger Text dieses Propriums dann doch an den Grundgedanken aller Quatembertage: „Wir bitten Dich, o Herr, mögest Du Gefallen finden an unserem Fasten; seine sühnende Kraft mache uns Deiner Gnade würdig und führe uns zu den verheißenen ewigen Gütern.“

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Der folgende Donnerstag hat wie alle Donnerstage im Quatember keine besondere Liturgie, weil der Donnerstag zur Zeit der Entstehung der Quatember-Liturgien noch „liturgie­freier Tag“ war. Vermutlich war er aber dennoch Fasttag.

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