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Ein überraschender Zug im syro-malabarischen Liturgiestreit

26. April 2024

Kommentar und Kategorisierung

Das Photo zeigt eine feierliche Liturgie im syro-malabarischen Ritus an Altar von St. Ulrich in Augsburg

Syro-malabarisches Hochamt in St. Ulrich, Augsburg

Im seit Jahren anhaltenden Streit der Syro-Malabarischen Katholiken ist eine unerwartete Wendung zu verzeich­nen: Die Gegner der vor drei Jahren verfügten Reform, die eine teilweise Rückkehr zur traditionellen Zelebrationsrich­tung „ad Dominum“ anordnete, bleiben bei der 1970 nach römischem Vorbild übernommenen Feier „ad populum“ und haben nun beim Vatikan beantragt, eine eigenständige Kirche für ihre Priester und Gläubigen zu errichten. Sie wollen also kein Schisma mit Rom – das die teilweise Rückkehr „ad Dominum“ abgesegnet und für verbindlich erklärt hat, aber sie wollen mit römischer Genehmigung bei ihrer nunmehr fünf Jahrzehnte dauernden „Tradition“ der Feier zum Volk hin bleiben und streben daher die kirchenrechtliche Trennung von der ebenfalls mit römischer Genehmigung zur viele Jahrhunderte älteren Tradition zurückkehrenden Mehrheitsfraktion an.

Die Auseinandersetzung im fernen Kerala ist aus unserer Sicht deshalb von besonderem Interesse, weil mit der Zelebrationsrichtung ein Element der „neuen Liturgie“ angesprochen ist, das sich – obwohl es in der Reform Pauls VI. von 1969/70 in keiner Weise vorgeschrieben worden war – inzwischen zu einem Hauptkennzeichen der „real existierenden Liturgiereform“, ja geradezu zu einem Prüfstein nachkonziliarer Gesinnung entwickelt hat. Kardinal Sarah mußte das schmerzlich erfahren, als er 2016 versuchte, dieser alten Tradition auch des Westens wieder zu ihrem Recht zu verhelfen.

Es ist durchaus verwirrend und auch etwas erklärungsbedürftig (wir haben dazu bereits mehrfach angesetzt (Quelle), daß der Vatikan im Fall der Syro-Malabaren eine solche Rückkehr zur Tradition befürwortet und gegen diejenigen, die an der „Reform“ von 1970 festhalten wollen, mit scharfen disziplinarischen Mitteln vorgeht .

Die Verwirrung wird dadurch noch gesteigert, daß die Berichterstattung über die Auseinandersetzung bei den Syro-Malabaren durchgängig an der Oberfläche bleibt, immer nur von der Zelebrationsrichtung spricht und keinerlei Interesse für die theologischen oder auch gesellschaftlichen Hintergründe des offenbar doch als sehr tiefgehend empfundenen Streites zeigt. Solche tiefer reichenden Gründe muß es – zumindest in der Vorstellung der Syro-Malabaren – geben, wenn sie nun von Rom sogar die Aufhebung der kirchenrechtlichen Einheit mit den „Rückwärts-Reformern“ erbitten. Geht es um eine übersteigerte Theologie von „Gemeinde-Gemeinschaft“, wie sie ja auch bei vielen westlichen „ad populum“ Gemeinden und deren theologischen Einflüsterern zu beobachten ist? Geht es um die Verteidigung eines vielleicht äußerst mühsam errungenen globalen Gemeinschaftsgefühls mit der Weltkirche, deren römischer Zweig ansonsten unbeirrbar an „ad Populum“ festhalten will? Geht es darum, einer als „ideologische Kolonisierung“ empfundenen römischen Übergriffigkeit von 2023 ein Festhalten an einer doch ebenfalls als „ideologische Kolonisierung“ wahrnehmbaren römischen Verfügung von 1969 festzuhalten? Oder geht es vielleicht doch nur um soziale oder Ethnische Differenzierungsversuche, wie sie in Indien in vielen Zusammenhängen vorkommen?

Auf diese Fragen ist von hier aus keine Antwort möglich; jedes Nachsinnen darüber bleibt Spekulation. Etwas anders verhält es sich da mit der Frage der „Eigenkirchlich­keit“, die nun mit dem offiziellen Ersuchen der „Ad-populum“-Syro-Malabaren ganz offiziell als Vorgang auf dem Tisch der zuständigen Behörden in Rom liegt. Was sind denn eigentlich – zumindest nach den bisherigen Präzedenzen – die Kriterien der römischen Kirche unter dem Papst, um Gemeinschaften mit eigenen liturgischen und rechtlichen Traditionen die Stellung einer „ecclesia sui iuris“ zuzuerkennen – oder auch nicht? Und könnte – damit freilich wieder zurück in den Raum der Spekulationen – eine eventuelle römische Entscheidung für die Eigenkirchlichkeit der indischen „ad-populum“-Katholiken auch der Forderung nach Eigenkirchlichkeit der lateinischen Traditionalisten neuen Auftrieb geben? Zumal immer deutlicher und seit Traditionis Custodes auch offiziell ausgesprochen wird, daß es hier nicht nur liturgische, sondern auch theologische Unterschiede gibt und in Zukunft wohl auch einschneidende rechtliche Unterschiede hinzukommen dürften – Stichworte Zölibat, Frauenweihe, praktizierte Homosexualität als segnungswürdige Lebensform...

Bei den in die Einheit mit Rom zurückgekehrten Anglikaner ist Papst Benedikt aus Opportunitätserwägungen noch davor zurückgeschreckt, eine neue Eigenkirche im Westen zu errichten, und hat sich mit der Hilfskonstruktion der Ordinariate begnügt. Die Zukunftsfähigkeit dieser Konstruktion ist freilich keineswegs gesichert. Angesichts des beschleunigten materiellen, mitgliedermäßigen und theologischen Zusammenbruchs der Novus-Ordo-Strukturen bei trotz – Traditionis Custodes – gleichzeitigem Wachstum und Konsolidierung der Tradition stellt sich die Frage der Einheit in Verschiedenheit auch im Westen in immer stärkerer Dringlichkeit.

Kerala liegt viel näher am Machtbereich der DBK, als viele denken.

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