Meldungen aus der Sedisvakanz – 5:
Wege aus dem Chaos
05. Mai 2025

Wir haben keinen Papst
Unter diesem Kolumnentitel werden wir in den kommenden Wochen bis zur Wahl des neuen Papstes Kurzmeldungen und Lesetipps sammeln, die uns keinen eigenen Kommentar zu erfordern scheinen, die wir aber quasi der Vollständigkeit halber und zur Erleichterung der Informationsbeschaffung für unsere Besucher nicht ganz übergehen wollen.
Am kommenden Mittwoch, dem 7. Mai, beginnt in Rom das Konklave zur Wahl des Nachfolgers – nicht von Papst Franziskus, sondern zum 267. Nachfolger Petri. Mit einem Ergebnis der Wahlen noch in dieser Woche ist eher nicht zu rechnen, und ob dieser Umstand hier und anderswo noch Raum für andere Themen läßt, wird sich herausstellen.
Andrea Gagliarducci behandelt in seinem heutigen „MondayVatican“ ein Thema, das sich immer mehr als einer der verhängnisvollsten Schwachpunkte des vergangenen Pontifikats herausstellt: Die Mißachtung des Rechts durch einen Autokraten, der keinerlei Grenzen und keinerlei Ordnung für seine Machtausübung anerkennen wollte. Im Anschluss an eine kurze Schilderung des „Falles Becciu“, dem von Franziskus zwar nicht der Status, aber alle Privilegien eines Kardinals entzogen worden waren, schreibt Gagliarducci:

Zwölf Jahre Papst Franziskus haben zu (…) großer Rechtsunsicherheit geführt und Spaltung geschaffen Die Erklärung der Kardinäle (zu Becciu) zeugt jedoch davon, daß sie selbst entweder die Nuancen der Sachlage nicht verstehen oder einem solchen Druck ausgesetzt sind, daß sie diesen rechtlichen Details keine Beachtung schenken.
Kardinal Parolin beispielsweise verhielt sich weiterhin, als sei er noch immer Staatssekretär, obwohl sein Mandat mit dem Tod von Papst Franziskus erloschen war. Als die Staats- und Regierungschefs der Welt zur Beerdigung von Papst Franziskus eintrafen, war Parolin dort, um sie an der Gebetstür zu begrüßen. Nicht als Prodekan des Kardinalskollegiums, wie es Kardinal Sodano 2005 war . Nicht einmal als dessen Stellvertreter. Parolin hatte daraufhin sogar ein bilaterales Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj im Konkordatssaal des Staatssekretariats, den er nicht nutzen sollte, da eben sein Amt als Staatssekretär erloschen war.
Auch die Rolle des Camerlengo muss neu definiert werden. Da ihm die Apostolische Kammer, die früher das Amt rechtlich und administrativ unterstützte, entzogen worden war, verfügt Farrell nun über Machtbefugnisse, die, so konzentriert sie auch sein mögen, über die bloße Zuständigkeit für die weltlichen Güter der Kirche hinausgehen . Kurz gesagt: Der Camerlengo ist mit der Reform von Papst Franziskus zu einer Art Oberherr geworden, und dabei ist die Kollegialität, die die Leitung der Kirche in Zeiten der Vakanz stets geprägt hatte, verloren gegangen. (…)
Ab einem gewissen Punkt scheint alles (…) ins Fließen geraten zu sein. Sogar die Mitteilung vom Tod des Papstes erfolgte ohne den Dekan des Kardinalskollegiums, der auf dem Papier für diese Bekanntgabe verantwortlich ist, und keiner der dabei anwesenden Prälaten trug (die zu solchen Anlässen vorgesehene) Chorkleidung.“
Gagliarducci macht darauf aufmerksam, daß diese und ähnliche Fehlgriffe das Bewußtsein für das Agieren des Papstes „über dem Recht“ geschärft und nun dazu geführt haben, daß im Kreis der Papstwähler unerwartet heftige Kritik an Franziskus laut geworden ist.

Einige Kardinäle lassen derweil Kriti am verstorbenen Papst laut werden. Einer von ihnen ging Berichten zufolge sogar so weit, zu sagen, die Synodalität sei eine Art Volksdiktatur, die die bischöliche Autorität faktisch beschneide. Ein anderer, Kardinal Beniamino Stella, kritisierte die Entscheidung von Papst Franziskus, die kirchliche Leitungsgewalt von der geistlichen Weihe zu trennen (s. dazu unseren Beitrag vom Januar über die neue Präfektin für Orden und Gemeinschaften und sie vollständig an die Person des Papstes zu knüpfen.
Auch über die Finanzlage wird viel diskutiert, doch viele Kardinäle warten darauf, endlich einmal ernsthaft über den Glauben und darüber, was der Kirche nottut, zu sprechen.“
Soviel von Gagliarducci. Edward Pentin, Rom-Korrespondent des National Catholic Reporter und einer der bestinformierten Vaticanista überhaupt, veröffentlicht zum Beginn dieser Woche eine Liste von 10 Kardinälen, die derzeit in der römischen Gerüchteküche besonders heiß diskutiert werden – selbst wenn die Wahlchancen einiger davon als äußerst gering angesehen werden müssen. Das besondere an Pentins Liste ist, daß er nicht nur die Namen und ein oder zwei besonders auffällige Stationen ihres bisherigen Wirkens anführt, sondern in einem etwas längeren Abschnitt eine relativ umfassenden Überblick zu geben versucht - ohne gleich in ein enzyklopädisches Format zu geraten. Dafür gibt es mit Cardinalium-Collegium ein eigenes Webangebot, an dessen Zustandekommen Pentin ebenfalls nicht ganz unbeteiligt ist.
Des weiteren sehr empfehlenswert ist ein recht ausführlicher Artikel von Christopher B. Warner im Catholic World Report, in dem er sich mit den theologischen und rechtlichen Grundlagen der päpstlichen Autorität beschäftigt und daraus die Erwartungen ableitet, die an jeden künftigen Inhaber des petrinischen Amtes zu stellen sind. Diese fasst er in einem Katalog von drei Hauptpunkten zusammen:
- Die Lehre der Kirche, so wie sie von der Tradition überliefert ist, in Klarheit zu vertreten;
- Seine Macht als geistlicher Vater, Heiler und Wahrer der Einheit zum Wohle der Kirche einzusetzen;
- Die Sakramentale Ordnung rein zu erhalten und zur Heiligung aller Gläubigen beizutragen und die Prinzipien der Einheit zu wahren.
Dem können wir uns aus ganzem Herzen anschließen.
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