Motu Proprio: Summorum Pontificum

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Zusatzinfo

Was diese Woche sonst noch geschah

28. Woche - die Woche des Jahrestages

12. 7. 2008

Allzu stürmisch war das Echo auf „Ein Jahr Summorum Pontificum“ bei den Organen der offiziellen Kirchenpublizistik gerade nicht – sie blieben im großen Ganzen bei der Parteilinie, nach der die „außerordentliche Form des römischen Ritus“ ein Randphänomen für Randgruppen darstellt, von dem man am besten möglichst wenig spricht.

Das Interview der Katholischen Nachrichtenagentur KNA mit Robert Spaemann blieb eine Einzelerscheinung, und der vorsichtshalber in der Schweiz versteckte halbwegs sachliche Artikel von KNA-Chefredakteur Ring-Eifel zum Mutu Proprio war wohl nur ein Ausrutscher. Bei Ring-Eifel müssen wir uns dafür entschuldigen, ihn in den Verdacht gebracht zu haben, Summorum-Pontificum im Sinne des Papstes zu interpretieren. Das will er nicht auf sich sitzen lassen. In einem Namensartikel für kirchensite.de, der auch von Domradio aufgegriffen wurde, setzt er die vom Papst gewünschte „Bereicherung“ der neuen durch die überlieferte Liturgie in distanzierende Gänsefüßchen und erläutert, derlei werde „nördlich der Alpen mit Skepsis betrachtet“. Dann fährt er fort:

Zitat: Derweil freut sich in Stuttgart der Philosoph Robert Spaemann, dass die kleine Schar der Kirchgänger nach altem Ritus zugenommen habe und wünscht sich im KNA-Gespräch, es möchten doch endlich auch die Bischöfe "von innen heraus bejahen, dass es eben auch die alte Messe gibt." Spaemann ist ein beharrlicher Wortführer jener, die mehr alte Messen wollen, ohne deshalb mit Rom und der neuen Messe zu brechen. Ihm wird ein guter Draht zum gleichaltrigen Papst nachgesagt.“

Da fehlt nun wirklich kein Klischee: Nicht die „kleine Schar“, nicht der „beharrliche Wortführer“, nicht der Verweis auf das (den Freunden der Tradition gerne unterstellte „mit Rom und der neuen Messe zu brechen“, und erst recht nicht der Hinweis auf den „gleichaltrigen Papst“: Männer von gestern, die bloß vergessen haben, rechtzeitig abzutreten. Die Zwischenüberschrift vom „Retro-Look“ Benedikts passt in dieses Schema.

Widersprüche zwischen Rom und Deutschland sind in diesem Schema kein Problem:

Zitat: Unterschiede zwischen Rom und Deutschland gibt es beim kirchenrechtlichen Umgang mit jenen Katholiken, die sich an der Tradition orientieren: Während der Papst unlängst in seinem Bistum Rom eine Personalpfarrei für diese Gruppe errichtet hat, schließen die deutschen Bischöfe in ihren Richtlinien solche Sonder-Lösungen ausdrücklich aus. “

Hier irrt der Chefredakteur – wenn wir ihm nicht unterstellen wollen, daß er seine Leser absichtlich täuscht. „Kirchenrechtlich“ gilt nur das, was der Papst zum Gesetz erhoben hat. Die deutschen Bischöfe haben da in ihren Richtlinien gar nichts auszuschließen oder entgegenzusetzen. Wenn sie mit Mehrheit beschließen, das Gesetz zu unterlaufen, ist das kein gleichberechtigter „kirchenrechtlicher Umgang“, sondern eine Widersetzlichkeit. Eine Widersetzlichkeit, der sich gottlob nicht alle Bischöfe anschließen, wie aus der faktischen Errichtung einer Personalpfarrei in Eichstädt durch Bischof Hanke hervorgeht, der wohl nur aus Höflichkeit gegenüber seinen Kollegen darauf verzichtet, diese Personalpfarrei auch als Personalpfarrei zu bezeichnen. Alles in allem liefert Ring-Eifel hier aber ein schönes Beispiel, wie er und ein Teil der deutschen Bischöfe sich eine nicht in voller Einheit mit dem Papst stehende deutsch-katholische Nationalkirche vorstellen und wünschen.

So gesehen lesenswert ist auch das Interview, das KNA mit dem Bonner Liturgologen Albert Gerhards führte, und in dem der Wissenschaftler folgende bemerkenswerten Ausführungen zu Protokoll gab:

Zitat: Was lange Zeit als positive Errungenschaft aus der Zeit der Liturgiereform galt, also beispielsweise die Zelebration «versus populum», die muttersprachliche Liturgie, die Handkommunion, die Messdienerinnen, wird nun zunehmend als Verflachung des eigentlich Katholischen dargestellt - auch von hohen kirchlichen Würdenträgern. Die Befürworter der liturgischen Erneuerung nach dem Zweiten Vatikanum geraten unter Generalverdacht.“

Wahrscheinlich hat es schon etwas zu bedeuten, daß Gerhards hier von der „liturgischen Erneuerung nach dem Zweiten Vatikanum“ spricht, denn keiner dieser Punkte kann sich auf die Beschlüsse dieses Konzils stützen.

  • Von Zelebration zum Volk war auf dem Konzil nicht die Rede. Sie ist auch in der geltenden Institutio Generalis nicht vorgeschrieben, dort wird nach wie vor die traditionelle Gebetsrichtung vorausgesetzt.
  • Die durchgängig volkssprachliche Liturgie widerspricht der klaren Vorgabe des Konzils, die lediglich den Anteil der volkssprachlichen Elemente ausweiten, am Latein als Liturgiesprache jedoch ausdrücklich festhalten wollte. Als ein Bischof, der dieser „Ausweitung“ skeptisch gegenüberstand, seine Befürchtung äußerte, das könne im Lauf der Jahrzehnte zum Absterben der lateinischen Liturgie führen, wurde er in der Konzilsaula laut ausgelacht.
  • Handkommunion und Messdienerinnen sind legalisierte Mißbräuche, die im Widerspruch zu allen Erklärungen sowohl des Konzils als auch früherer und späterer Päpste stehen und deren Duldung den römischen Stellen nur durch Erpressung abgetrotzt wurde.

Wenn das die einzig nennenswerten „Errungenschaften“ der Liturgiereform sein sollen, dann hätte der von Gerhards befürchtete „Generalverdacht“ allerdings jede Berechtigung.

Der Eindruck verstärkt sich, wenn man die zweite Liste der Errungenschaften betrachtet, die Gerhards anführt:

Zitat: die Aufwertung der Wortverkündigung und des Gemeindegesangs, die Kelchkommunion der Gläubigen oder die Einführung liturgischer Laiendienste für beide Geschlechter.“

Wie kann man von einer Aufwertung der Wortverkündigung sprechen, wo das Wort Gottes auf der einen Seite durch Streichung anstößiger Stellen entstellt und andererseits oft genug durch Verlesung nicht-biblischer Texte ganz verdrängt wird? Was heißt “Aufwertung des Gemeindegesangs“, wenn die meisten „neuen geistlichen Lieder“ und die „Schreibtisch-Gregorianik“ in den Gemeinden selbst nach 40 jährigem Bemühen immer noch nicht akzeptiert sind und der Gemeindegesang bei „Jugendmessen“ durch Darbietungen von Sacro-Pop auf einer Altarbühne ersetzt werden?

Die Kelchkommunion der Gläubigen ist nach den Vorgaben von Redemptionis Sacramentum 100 ff ganz klar auf Ausnahmefälle begrenzt und wird auch in den meisten deutschen Gemeinden so gehandhabt. Die „Einführung liturgischer Laiendienste für beide Geschlechter“ erscheint so, wie Gerhards das hier einbringt, ebenfalls als wagemutige Konstruktion. In Sacrosanctum Concilium und Redemptionis Sakramentum ist von Frauen nirgendwo ausdrücklich die Rede. Als „beauftragte Akolythen und Lektoren“ können nach wie vor nur Männer eingesetzt werden (Canon 230), und im übrigen macht Abs. 45 von Redemptionis Sacramentum klar:

Zitat: Man muß die Gefahr vermeiden, das komplementäre Verhältnis zwischen dem Tun der Kleriker und dem der Laien in der Weise zu verdunkeln, daß die Rolle der Laien einer gewissen «Klerikalisierung» unterzogen wird, wie man zu sagen pflegt, während die geistlichen Amtsträger ungebührend Aufgaben übernehmen, die dem Leben und Tun der christgläubigen Laien eigen sind.“

Wundert sich der Liturgiewissenschaftler wirklich, wenn eine praktizierte Liturgiereform, die so eklatant am Willen des 2. Vatikanischen Konzils und den nachfolgenden Vorgaben der Kirche vorbeigeht, in den „Generalverdacht“ gerät, eine Protestantisierung des Gottesdienstes abzuzielen und die Messe so mehr zu deformieren als zu reformieren?

Zum Abschluß dieser Rundschau noch ein paar Worte zu den ebenfalls auf der „Kirchensite“ am 10. Juli mitgeteilten Ausführungen des Münsteraners Ordinariokraten Norbert Kleyboldt zur "Versorgungssituation" in seinem Verantwortungsbereich:

Zitat: "Das Angebot im Bistum Münster scheint mir völlig ausreichend zu sein", meinte Kleyboldt, der Ständiger Vertreter von Diözesan-Administrator Weihbischof Franz-Josef Overbeck ist. Wer wolle, könne in vertretbarer Entfernung einen Ort finden, an dem die so genannte "Alte Messe" gefeiert werde. „ Dem Bistum liege daran, dass die Feier nach dem "Tridentinischen Ritus" Teil des kirchlichen Lebens in der Diözese wird. "Wir möchten nicht, dass Priester von außerhalb kommen, die diese Messen zelebrieren...Das Bistum unterstützt eine würdige Feier der Liturgie, wir wehren uns aber, wenn dies zur Beeinflussung in eine bestimmte Richtung und zur Abspaltung in eine Ritus-Kirche führt."

Aus solchen Äußerungen spricht der autoritäre Geist des Klerikalismus aus den finstersten Zeiten des 19. Jahrhunderts, als die Kleriker alleine wußten, was ihren Schäflein frommt, und sich jede Mitsprache der Gemeinden verbaten. Was „vertretbare Entfernungen“ sind, müssen schon die, die sie mit einem Wagen voller Kinder zurücklegen müssen, selbst entscheiden können. Und was die Sache mit den „Priestern von außerhalb“ betrifft, so scheinen zwei Anmerkungen dringlich: Erstens kann es in der katholischen Kirche keine „Priester von außerhalb“ geben. Wer auf solche Ideen kommt, bewirkt erst den Geist der Spaltung, dem er angeblich wehren will. Und wer es für sinnvoll hält – und es ist sinnvoll – die Feier der überlieferten Liturgie organisch in das Leben der Gemeinden einzubetten, muß dafür sorgen, daß diese Anforderung bei der Priesterausbildung und bei der Aufstellung der Gottesdienstpläne in den Gemeinden angemessen berücksichtigt wird.

Kardinal Castrillón hat ganz klar gesagt, wie er sich das vorstellt, und es kann keinen Zweifel daran geben, daß er damit nicht eine unverbindliche Privatmeinung, sondern den Wunsch des Papstes ausgedrückt hat.

Stellt sich zum guten Ende die Frage, was von alledem zu halten ist. Halten wir uns zur Abwechslung einmal an Prof. Gerhards, den die „sich anbahnende Klimaveränderung nachdenklich“ macht. Genau das hat Papst Benedikt im 4. Jahr seines Pontifikats und ein Jahr nach dem Erlass von „Summorum Pontificum“ erreicht: Es gibt eine Klimaveränderung, und diese Klimaveränderung bekümmert diejenigen, die die Liturgie und die Kirche insgesamt in den vergangenen Jahrzehnten nicht nach dem Auftrag des 2. Vatikanums, sondern in der „Hermeneutik des Bruches“ umgebaut haben.

Das Glas ist halb voll – mindestens.