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Aschermittwoch – Beginn der Fastenzeit

14. Februar 2024

Kommentar und Kategorisierung

Das Wandbild im orthodoxen Stil zeigt die Szenen des Sündenfalls und der Vertreibung der Stammeletern aus dem Paradies

Sündenfall und Vertreibung aus dem Paradies

Nach der gegenwärtigen Ordnung des Kirchenjahres und auch im Bewußtsein der meisten Katholiken, denen die Fastenzeit etwas bedeutet, beginnt diese Zeit mit dem heutigen Aschermittwoch - mitten in der letzten Woche der Vorfastenzeit. Erst so werden die biblischen 40 Tage des Fastens Jesu in der Wüste erreicht, von denen im 4. Kapitel des Matthäus-Evangeliums die Rede ist. Die alte Kirche des Westens, die sich stärker an einer Zählung nach Wochen orientierte, ließ die Fastenzeit allerdings erst am Montag nach dem Sonntag Quinquagesima beginnen – doch da die Sonntage als Tag der Auferstehung, in keinem Fall als Fasttage gehalten werden, kam man damit nur auf 36 Fasttage. Die Kirchen des Ostens, die neben dem Sonntag oft auch an Samstagen nicht fasteten, verlegten den Anfang der Fastenzeit daher früh auf den Montag nach Sexagesima, und im hohen Mittelalter folgte die lateinische Kirche diesem Vorbild insoweit, als sie die Fastenzeit mit dem Mittwoch nach Quinquagesima beginnen ließ und so – nach Abzug der Sonntage – tatsächlich die kanonischen 40 Tage der „Quadragesima“ erreichte. Einiges über die nicht ganz den heutigen buchhalterischen Vorstellungen vom Umgang mit Zahlen entsprechende Zählung der Tage vom Sonntag Septuagesima in der Vorfastenzeit bis zur Osternacht hatten wir vor einigen Jahren bereits hier geschrieben – das ist auch heute noch richtig.

Der Aschermittwoch selbst erhielt seinen Namen durch die seit frühester Zeit geübte Praxis, die „öffentlichen Sünder“ – also jene, die durch ihr Fehlverhalten der ganzen Gemeinde Ärgernis gegeben hatten – zum Beginn der Fastenzeit in einer demütigenden Zeremonie mit reichlich Asche zu bestreuen und von der Teilnahme am Gottesdienst auszuschließen, so wie einst der Herr die in Sünde gefallenen Stammeltern aus dem Paradies und seiner Gegenwart vertrieben hatte. Und so wie die Stammeltern und Propheten, die nach der Auferstehung von ihrem Erlöser selbst aus den Fängen der Unterwelt befreit wurden, durften auch die in Schimpf und Schande gefallenen Sünder erst in der Osternacht wieder in die Kirche zurückkehren.

Eine Wiederbelebung dieser rigorosen Praxis wird sich kaum jemand wünschen. Ob es aber wirklich der richtige Weg ist, „öffentlichen Sündern“ unserer Zeit – also z.B. Politkern, die sich lautstark für freie Abtreibung einsetzen, oder Homosexuellen, die stolz ihre „Verehelichung“ feiern – öffentlich die Eucharistie zu reichen oder einen besonderen Segen zu spenden soll oder nicht, ist ebenfalls sehr zu bezweifeln.

Nicht nur in dieser Hinsicht hat sich in der weichgespültem Kirche der Moderne das Verständnis vom Fasten und der Fastenzeit sehr gewandelt. Bis ins 19. Jahrhundert bedeutete Fasten vor allem in ordentlich geführten Klöstern, aber auch in vielen Familien wirkliches Fasten. Vielfach nahmen die Gläubigen an den Fasttagen nur eine volle Mahlzeit zu sich, dabei verzichteten sie oft ganz auf Fleisch in jeder Form – und das bei oft schwerer körperlichen Arbeit in Handwerk und Landwirtschaft. Heute kann man sich – sofern man überhaupt noch einen Begriff von „Fasten“ hat – den Diätplan zur Reduzierung des an den Feiertagen angefutterten Winterspecks bequem mit der vorösterlichen Fastenzeit synchronisieren. Zum Schubsen der Maus am Computerarbeitsplatz reicht die reduzierte Kalorienzufuhr allemal, und ansonsten gibt’s seit Beginn der Neuzeit reichlich Dispens.

Die Kirchen des Ostens waren hier nicht ganz so vergesslich. Sie haben nicht nur neben der vorösterlichen Fastenzeit drei weitere mehrtägige Fasten bewahrt – vor Peter und Paul, vor Mariä Entschlafung und im Advent – und sie haben für diese Fastenzeiten teilweise auch sehr strenge Vorschriften, die für bestimmte Wochen neben der Fleischabstinenz nicht nur den Verzicht auf Fisch, sondern auch auf alle Milch- und Eierspeisen verlangen – gerade so, wie es bis etwa ins 8. Jahrhundert von allen Christen in Ost und West verlangt worden war. In einigen orthodoxen Klöstern ist auch der bis ins vorchristliche Judentum und den alten Orient zurückreichende Brauch beibehalten worden, in der Fastenzeit vom Sonnenauf- bis zum Sonnenuntergang überhaupt keine Nahrung zu sich zu nehmen. Diese Art des Fastens, die im Christentum weitestgehend aus der Übung gekommen ist, hat sich bekanntlich im modernen Islam zu einem wichtigen Mittel der Selbstvergewisserung und Identitätsdemonstration entwickelt und damit die ursprüngliche spirituelle Bedeutung ebenfalls weitgehend verdrängt.

Womit man bei der Frage angelangt ist, ob der „moderne Mensch“, der sich vielfach von Diätplänen, Tierwohl- und Veganismus-Propaganda sowie Appellen zum Konsumverzicht umzingelt sieht, überhaupt noch „fastenfähig“ ist. Der Anklang zur Frage nach der „Liturgiefähigkeit“ ist gewollt: Das Eine hat mit dem Anderen durchaus etwas zu tun. Fasten und Enthaltsamkeit werden in der Gegenwart ebenso oft mit durchaus irdischen Zielen verzweckt wie die Liturgie.

Keine Blaupause zur gefälligen Übernahme, aber doch eine Verständnishilfe zur Aneignung bietet das, was Dom Gueranger vor bald 200 Jahren zum Aschermittwoch und dem anschließenden Fasten geschrieben hat. (Bd. IV, S. 222):

Es begint ein Zitat

In diesem Kampfe des Geistes gegen das Fleisch müssen wir gerüstet sein , wir müssen auch unsere Waffen zu gebrauchen verstehen. Und deshalb beruft uns die heilige Kirche in ihre Gotteshäuser, damit wir uns in diesem geistigen Kriegsdienste üben. Was die Waffenrüstung anbelangt, so hat uns schon der hl. Paulus alle einzelnen Stücke derselben bezeichnet. „Stehet denn“, so dagt er, „eure Lenden umgürtet mit Wahrheit und angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit, und beschuhet an den Füßen mit der Bereitschaft für das Evangelium des Friedens; vor allem ergreifet den Schild des Glaubens und nehmet den Helm des Geistes (Ephes. 6, 14-16). Und der Apostelfürst sagt uns: „Da nun Christus im Fleisch gelitten hat, so waffnet auch ihr euch in demselben Sinne (1 Petr. 4, 1). Diese Lehren aus dem Munde der Apostel ruft uns heute die Kirche in das Gedächtnis. Und sie fügt eine nicht minder beredte Lehre hinzu, indem sie uns zwingt, bis zum Tage des Sündenfalles zurückzukommen, welcher alle diese zu liefernden Kämpfe, alle die zu vollbringenden Sühnungen verursacht hat.“

Guerangers Hinweis auf das „Zurückkomen zum Tag des Sündenfalls“ bleibt uns insoweit unklar, weil davon weder im Messformular noch im Brevier des Tages die Rede ist. Vielleicht bezieht der Autor sich damit auf die Formel bei der Auflegung des Aschenkreuzes: „Gedenke, o Mensch, dass du Staub bist und zum Staub wirst du zurückkehren“. Vielleicht auch auf die von ihm selbst gezogene Parallele zur Ausweisung der Sünder aus der Kirche mit der Vertreibung aus dem Paradies (S. 225). In der Aussage selbst ist natürlich keine Zweifel am Gemeinten möglich.

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