„Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein.“
Papst Benedikt XVI. 2007 zu Summorum Pontificum.
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Der hl. Joseph und der Canon romanus
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- 23. März 2023
Als Papst Pius IX. (1846 – 1878) seinerzeit gebeten worden war, den Hl. Joseph, Nährvater Jesu, in die Liste der Heiligen des communicantes im römischen Kanon aufzunehmen, soll er das mit der Begründung abgelehnt haben: „Das kann ich nicht machen – ich bin nur der Papst.“ Dabei war er sich offensichtlich der Tatsache bewußt, daß der Canon romanus, Herzstück der Liturgie der Kirche und ihres Verständnisses vom Wesen der heiligen Messe, seit der Zeit Gregors des Großen (590 – 604) niemals offiziell geändert worden war. Tatsächlich gehen früheste Textzeugnisse, die der heutigen Gestalt schon recht nahekommen, bis ins späte 4. Jahrhundert zurück – aus der erst nach Beginn dieses Jahrhunderts endenden Verfolgungszeit sind verständlicherweise keine entsprechenden Dokumente bekannt. Und bereits in dieser frühen Zeit wurde der Canon als „aus unvordenklicher Zeit überkommen“ und „von den Aposteln her überliefert“ angesehen.
Die kunstvoll geordnete Liste der Heiligen, die neben den Zwölf Aposteln zwölf weitere römische Martyrer – Päpste, Kleriker und Laien – umfaßt, geht wohl auf die „Schlußredaktion“ des Canons von der Hand Gregors selbst zurück, und sie bildete seitdem den Standard, der überall verbindlich war. Zwar gab es zeitlich und lokal begrenzte Ergänzungen, durch die Heilige, die für bestimmte Gemeinschaften von besonderer Bedeutung waren, der Liste hinzugefügt wurden. Aus dem Raum Fulda sind z.B. Manuskripte überliefert, die den hl. Bonifatius mit anführen. Ähnlich an anderen Orten – mit gelegentlich ein Dutzend oder mehr Namen umfassenden Namen regionaler Heiliger. In Ordensliturgien wurden gelegentlich die Ordensgründer hinzugefügt. Doch die Päpste und andere Wahrer von Glaube und Tradition haben stets versucht, solche Eigenmächtigkeiten einzudämmen. Im Micrologus des Bernold von Konstanz aus dem 11. Jahrhundert lesen wir z.B. „Es ist nicht erlaubt, die Namen anderer Heiliger aufzuzählen – nur jene, die wir im Canon der alten Schriften aufgezeichnet finden.“ Später – noch lange vor dem Konzil von Trient – wird jede Erweiterungen der Namensliste als Mißbrauch empfunden und teilweise mit scharfen Worten zurückgewiesen.
Der Ignoramus als Chefliturgiker II
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- 21. März 2023
Im Interview mit der BBC hat Arthur Roche, derzeit Leiter der Liturgiebehörde im Vatikan, zu Protokoll gegeben, warum seiner Ansicht nach die von ihm verhängten Einschränkungen für die überlieferte Liturgie berechtigt, ja erforderlich sind: „Die Theologie der Kirche hat sich verändert. Früher repräsentierte der Priester aus der Entfernung die Gläubigen, die durch ihn in die Messe einbezogen waren, doch es war er alleine, der die Messe feierte… Nun jedoch ist es nicht mehr nur der Priester, der die Liturgie zelebriert, sondern alle, die gleich ihm getauft sind – und das ist eine höchst schwerwiegende Feststellung.“
Soweit unser Versuch, den auch im englischen Original kaum verständlichen Sätzen des im sprachlichen Ausdruck offensichtlich schwer behinderten hohen Kirchenbeamten eine Aussage abzugewinnen. Dazu zwei Anmerkungen und eine Anfrage.
Anmerkung 1: Natürlich lag es dem Pastoralkonzil der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts durchaus fern, eine „neue Theologie“ einzuführen – und erst recht nicht eine, die einen Gegensatz zu einer ab jetzt nicht mehr vertretbaren „alten Theologie“ hergestellt hätte. Es gibt in der Entwicklung des theologischen Verständnisses der Kirche kein solches „alt“ gegen „neu“. Es gibt Verschiebungen des Aspektes oder der Betonung. Es gibt eine reichere Entfaltung von Einsichten, die früheren Generationen in diesem Umfang so nicht zugänglich waren. Aber es gibt auch den Verlust des Wissens um Dimensionen, die den Heutigen nur noch schwer oder gar nicht mehr zugänglich sind. Es gibt auch unterschiedliche theologische Schulen, die jeweils den einen oder anderen Aspekt der Aussage einer überzeitlichen Wahrheit in den Vordergrund stellen. Widersprüchliche und miteinander unversöhnliche Wahrheiten gibt es es erst seit der Erfindung der Post-Postmoderne – für die freilich die Kirche bis zum gegenwärtigen Pontifikat wenig Raum bot.
Die Behauptung Arthur Roches ist also nichts weiteres als eine erneute Bekräftigung der theologisch unmöglichen Hermeneutik des Bruches, die darauf besteht, das vergangene Konzil als das Ende der alten und den Anfang einer neuen Kirche zu betrachten.
Die keusche Susanna
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- 18. März 2023
Die Lesung des letzten Tages der dritten Fastenwoche bringt die Erzählung von „Susanna im Bade“, die ebenfalls zum kleinen Grundbestand der Texte aus dem Alten Testament gehört, die sich auch heute noch einer gewissen Bekanntheit bei Gläubigen und Ungläubigen erfreuen. Nicht zuletzt wegen der zahllosen Illustrationen, die im Lauf der Jahrhunderte um die keusche Susanna und die lüsternen Greise entstanden sind. Der Text ist überlieferten i 13. Buch Daniel, das zwar in der Septuaginta enthalten ist, nicht aber in der masoretisch-hebräischen Tradition, die mit Daniel 12 endet.
Der rote Faden der in Daniel 13; 1 – 62 nachgerade novellenartig ausgebreiteten Geschichte ist schnell erzählt: Schon seit längerem stellen zwei ehrenwerte Gemeindeälteste der schönen Susanna nach, und eines Tages gelingt es ihnen, in de Garten einzudringen, in dem Susdanna, vor fremden Blicken vermeintlich sicher, ihr Bad, nimmt. Es folgt ein klassisches Erpressungsmanöver: „Siehe, die Tür des Gartens ist verschlossen und keiner sieht uns. Sei uns zu willen und sündige mit uns – wenn nicht, werden wir gegen Dich aussagen, daß ein Jüngling mit dir war“. Susanna weigert sich unter ausdrücklicher Berufung auf das göttliche Gebot, die Gemeindeältesten schreine laut „Skandal! Skandal!“ – und am nächsten Tag kommt zu einem Prozess vor der ganzen Gemeinde. Die um ihr Vergnügen gekommenen Würdenträger bringen wie angedroht ihre Beschuldigung vor. „Die Menge glaubte ihnen als den Ältesten und Richtern des Volkes und man verurteilte Susanna zum Tode.“
Doch dann greift der Herr ein und erweckt Daniel zu ihrem Retter, der in einem mit geradezu salomonischer Weisheit geführten Verfahren die Lustgreise der Lüge überführt.
Wasser des zeitlichen und des ewigen Lebens
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- 17. März 2023
Im Mittelpunkt der Perikope des Freitag in der dritten Fastenwoche steht die Erzählung vom Wunder am Haderwasser, wo Israel, das schon seit vielen Jahren durch die Wüste irrt und sich vom Verdursten bedroht sieht, ein weiteres Mal mit dem Herrn und seinen Propheten Moses und Aaron hadert. Bis Moses mit seinem Stab an den Felsen schlägt und daraus genug Wasser hervorquillt, daß das ganze Volk Israel mitsamt dem dem Vieh seinen Durst stillen kann. Dieser Teil der Geschichte ist selbst denen bekannt, die wenig vom alten Testament wissen – aber es gibt ein Vorspiel und einen Nachtrag, die dem allgemeinen Berwußtsein weniger gegenwärtig sind. Beide werden in dieser Perikope mit dem Wasserwunder zusammengefasst und bilden mehr noch als die Wundererzählung selbst den Kern dessen ab, worum es in dieser Geschichte geht.
Als das Murren des durstenden Volkes zu einem veritablen Aufstand zu werden droht, nehmen Moses und Aaron – wie wohl schon oft auf dieser Wanderschaft – ihre Zuflucht zum Herrn. Sie gehen in das Bundeszelt, den transportaben Vorläufer des Tempels, und bitten Gott inständig, das Geschrei des Volkes zu erhören und ihm Wasser zu schaffen. „Da erschien die Herrlichkeit des Herrn über ihnen, und der Herr redete zu Moses: ‚Nimm den Stab und versammle das Volk, du und dein Bruder Aaron, gebietet vor ihren Augen dem Felsen, so wird er wasser geben‘“. Eine noch feierlichere Form des Rettungsversprechens ist kaum vorstellbar – und dennoch lassen Mose und Aaron, nachdem sie wie aufgetragen das Volk versammelt haben, Zweifel anklingen, wenn sie die Menge anreden: Ob wir Euch wohl aus diesem Felsen Wasser hervorströmen lassen können?
Haltet die Gebote, sonst...
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- 16. März 2023
Die Lesung des Donnerstags schließt mit einer Perikope aus dem 7. Kapitel des Buches Jeremia unmittelbar an die Verkündung der Gebote auf dem Sinai an, von der am Vortag die Rede war und deren Einhaltung es fordert. Dieses Kapitel ist eine einzige große Rede der Klage und der Anklage an die gottvergessene Gesellschaft Israels. Es steht – wie die ganze Predigttätigkeit von Jeremia – in engem Zusammenhang mit den Reformbestrebungen von König Josiah im ausgehenden 7. Jahrhundert.
Im überlieferten Ritus zitiert die Perikope die Anfangsverse 1 – 7, in denen Jeremiah den Auftrag des Herrn erhält, sich an das Tempeltor zu stellen un allen, die dort eintreten, seine unbequeme Mahnung zu verkünden: Es reicht nicht, der Form halber den Tempel des Herrn zu besuchen und dort mit dem Munde zu beten – das eigentliche Gebet muß darin bestehen, „einen guten Wandel zu führen und recht zu handeln“ (Vers 5). Die Communio des Tages greift das auf und zitiert aus dem langen Gesetzes-Psalm (118, 4-5) die Verse „Du hast befohlen, treu Deine Gesetze zu halten. Auf die Einhaltung deiner Gesetze sei mein Wandel stets gerichtet“.
Neben dieser Mahnung enthält der erste Teil von Kapitel 7 auch eine Aufzählung der Sünden, die Jeremia seinen Zeitgenossen vorzuwerfen hat:
Die Gebote des sozialen Lebens
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- 15. März 2023
Am Mittwoch unterbricht die Liturgie die Reihe der Lesungen von Propheten, die auf die eine oder andere Weise als Vorschau auf Christi Erlösungswerk zu lesen sind, und wendet sich einem höchst grundsätzlichen Thema zu. Die Tageslesung ist aus dem 20. Kapitel des Buches Exodus entnommen, in dem über die Verkündung der Hauptgebote aus Gottes Gesetz an Moses auf dem Sinai berichtete wird (Exodus 20, 3 - 17 . Merkwürdigereise beginnt die Perikope nicht mit dem ersten Gebot: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben“, sondern mit der Nr. 5: „Ehre deinen Vater und deine Mutter, auf daß du lange lebst im Lande, das dir der Herr dein Gott gegeben hat.“
Während die ersten vier Gebote vom rechten Verhalten des Menschen zu Gott handeln, beginnt mit dem 5. die Reihe der Vorschriften, die das soziale Leben der Menschen untereinander zum Gegenstand haben. Ein innerer Grund dafür, daß die ersten vier Gebote an dieser Stelle ausgelassen werden, ist nicht offensichtlich – eine äußerer besteht wohl einfach darin, daß im folgenden Text des Evangeliums der Lehrvortrag Jesu über die rechte Beachtung des Gesetzes mit einem Bezug auf das 5. Gebot beginnt. Witrklich überzeugend erscheint diese äußere Erklärung jedoch nicht, da nach der Aufzählung der Gebote 5 – 10 noch der ganze Rest von Kapitel 20 geboten wird. Das sind insgesamt 7 weitere Verse, die gerade die Furcht Gottes und den rechten Gottesdienst zum Gegenstand haben. Tatsächlich ist Vers 23 „Ihr sollt euch neben mir keine Götter aus Silber machen, auch Götter aus Gold sollt ihr euch nicht machen“ wenig mehr als eine Paraphrase des am Anfang mit Vers 4 ausgelassenen 2. Gebotes. „Logisch“ nach unseren Maßstäben erscheint das nicht. Doch nicht alles, was die „organische“ Entwicklung der Liturgie über anderthalb Jahrtausende hinweg uns hinterlassen hat, ist nach der Logik und dem Gesetz des Zollstockes gewachsen. Manches ist einfach so, wie es ist – und verlangt als solches Respekt und Achtung.