„Lex orandi - lex credendi“ - Nach Prosper von Aquitanien († 455) formulierter Kernsatz zur gegenseitigen Abhängigkeit von Glaube und Liturgie.
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Canontafeln von Daniel Mitsui
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- 27. November 2017
Rechtzeitig vor Weihnachten hat der amerikanische Künstler Daniel Mitsui seine Kanontafeln vorgestellt, die im zu Ende gehenden Jahr auf der Grundlage eines Einzelauftrags entstanden sind. Die Tafeln sind im typischen Stil des Künstlers gehalten, der seinerseits stark von der mittelalterlichen Buchmalerei und von den Illustrationen des Pustet-Verlages aus der Zeit vom Ende des 19. Jahrhunderts beeinflusst ist. Beeinflusst heißt, daß Mitsui sich zwar bewußt in diese Tradition stellt, aber auch seine eigene Seh- und Darstellungsweise entwickelt hat, die seinen schwerpunktmäßig religiösen Arbeiten eine ganz charakteristische Anmutung verleiht. Das gilt ganz besonders, seitdem er sich auch den Umgang mit Farbe erschlossen hat, die den Illustratoren des 19. Jahrhunderts nur in sehr begrenztem Umfang zur Verfügung stand.
Die hier abgebildete Mitteltafel mißt im Original 40x50 cm, die Seitentafeln 23x30 cm. Der Preis einschließlich des Versandes nach Übersee beträgt 270$. Nähere Informationen (und eine Bestellmöglichkeit) finden sich hier - es lohnt sich aber auch, einmal einen Blick auf das ganze umfangreiche Werk Mitsuis zu werfen. Der Mann und seine Familie leben von dieser Arbeit; Aufträge, auch für Einzelprojekte, werden immer gerne entgegen genommen.
Die große Offenbarung
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- 25. November 2017
Im amerikanischen Blog That The Bones You Have Crushed May Thrill fanden wir diese Analyse der kirchlichen Situation nach Abdankung Benedikts und der Errichtung des Regiments Franziskus. Sie erscheint überaus bedenkens- und auch beherzigenswert.
Papst Benedikt XVI. und die große Offenbarung
Ich glaube, Papst Benedikt XVI. hat viel länger regiert als seine offizielle Amtszeit von 2005 – 2013 anzuzeigen scheint. Damals, als die Kongregation für die Glaubenslehre noch etwas bedeutete (hat eigentlich irgend jemand in der letzten Zeit etwas von Erzbischof Ladaria gehört oder hat der einen längeren Urlaub angetreten?) damals war Kardinal Ratzinger die rechte Hand von Papst Johannes Paul II – und auf die rechte Hand kommt es an. Als sich die Krankheit von Papst Johannes Paul II in den 90er Jahren verschlimmerte und seine Regierungsfähigkeit schwer beeinträchtigte, hat Joseph Ratzinger so wie ich das sehe immer mehr päpstliche Autorität ausgefüllt. Vielleicht führten die Erfahrungen des damaligen Kardinals Ratzinger unter Johannes Paul II. ihn sogar zu seiner neuartigen und höchst problematischen Vorstellung von einem zweiteiligen Papstamt mit einem kontemplativen und einem aktiven Dienst.
Papst Johannes Paul II wird in einigen konservativen Kreisen immer noch kritisch betrachtet. Die Treffen von Assisi oder der Korankuss liegen als Makel über seinem Pontifikat, aber zu keinem Moment der Regierung Benedikt XVI. oder Johannes Paul II. hatten Katholiken das Gefühl, daß die Axt an die moralischen Fundamente der Kirche gelegt würde. Was mich und viele andere überrascht hat ist der Umfang der großen Offenbarung, die mit dem Abgang nur eines Mannes von der Spitze der Kirche stattgefunden hat.
Es sieht so aus, als ob der Abgang dieses einen Mannes ein Geheimnis enthüllt habe, das viele Katholiken verstört und in ihrem Glauben erschüttert. Die Päpste Benedikt und Johannes Paul II waren von einem – wenn auch nicht allzu großen – Kreis von Unterstützern aus den höheren Rängen der Kirche umgeben. Beide hatten einen starken katholischen Glauben und eine starke katholische Identität. Doch im Rückblick – dieser wunderbaren und doch so bitteren Fähigkeit – stellt sich heraus, daß selbst die wenigen Säulen katholischer Rechtgläubigkeit um den Stuhl Petri völlig vom Glauben dessen abhängig waren, der auf diesem Stuhl saß.
Die Wahl von Papst Franziskus bedeutet für die Katholische Kirche die endgültige Überschreitung des Rubicon. Vielleicht ist es ja ein vorübergehender Eindruck, vielleicht auch nicht, aber sowohl Amoris Laetitia als auch Magnum Principium sind Dokumente, die einen Moment vollständiger Entblößung markieren, einen Moment in der Kirchengeschichte, an dem es kaum noch einen Zweifel daran geben kann, daß die Kirche in Bedeutungslosigkeit versinkt und sich dem Zerfall der Kultur des ehedem katholischen Westens anschließt. Keine Trompeten verkünden diese Kapitulation der katholischen Kirche vor falschen Aposteln und ihre Auslieferung an die weltbeherrschenden Mächte des Bösen. Und sehr wahrscheinlich wird es auch keine dahingehende Ankündigung geben; alles, was wir Katholiken bekommen werden, sind kurze Hinweise: Lob für einen Abtreibungsbefürworter hier, ein Bischof, der die Messe neu erfindet, dort die Einladung von Planned Parenthood in den Vatikan. Das ist die Art, da werden mir viele Leser zustimmen, in der mitgeteilt wird, daß sich im Busen der Braut Christi eine Gegenkirche etabliert.
Für wie blöd...
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- 23. November 2017
...halten uns eigentlich die jesuitischen Konjunkturritter, die schon früher mehr Stolz auf die Deutung von S.J. als „Schlaue Jungs“ zeigten als auf die Lesung „Societas Jesu“ – und die ganz konsequent heute zu Vorreitern der großen Apostasie geworden sind?
Widrige Umstände veranlaßten uns dieser Tage zu einem Blick auf das Zentralorgan der Bergoglianischen Partei La Civiltá Cattolica – wo unser Auge gleich von einem Artikel gefangen genommen wurde: Die Bibel – Eine Bibliothek von Migrantenschriften. Verfasser ist ein hoffnungsvoller Nachwuchsjesuit aus Österreich, Dr. Dominik Markl (*1989), nach Lehrtätigkeit an den Universitäten Insbruck, Manila, London und Nairobi nun Professor am päpstlichen Bibelinstitut zu Rom. Die Zusammenfassung des Artikels – den ganzen Text gibt es nur gegen Bares – erklärt uns, was dieser Tage die Spatzen von allen Dächern pfeifen: Das Alte Testament überliefert uns, beginnend bei der Vertreibung aus dem Paradies, Flucht und Migrationsgeschichten als Wesenselemente der Menschheitsgeschichte. Insbesondere jedoch die Geschichte von Israel als dem Flüchtlingsvolk par Excellence, das erst durch die Flucht aus Ägypten recht eigentlich zu einem neuen Volk wird.
Dadurch, daß es ein Volk von Flüchtlingen ist, wird Israel zum Volk Gottes. Und um den Bund vom Sinai abzuschließen, verlangt Gott von dem von ihm befreiten Volk eine besondere Verpflichtung als Anerkennung seiner Befreiung „ Einen Fremden sollst du nicht quälen. Denn ihr wisst, wie dem Fremden zumute ist, seid ihr doch selbst Fremde gewesen im Land Ägypten. "(2. Buch Mose, 23,9). Der Gott der Bibel ist ein Gott der Befreiung, ein Gott der Migranten.
Von diesem Gottesbild ausgehend, erschließt sich nun eine irgendwie ungewohnte, allerdings komplett zeitgeistkompatible Auslegung der Heiligen Schrift.
Um auf dem vom Herrn Professor vorgegebenen Niveau der Bibelauslegung fortzufahren, könnte es freilich sinnvoll sein, einen Blick auf die anderen Verhaltensmaßregeln zu werfen, die der Herr in den Büchern Mose seinem Volk mit auf den weiteren Weg gibt – war doch schon damals das gelobte Land, in dem Milch und Honig fließt, nicht frei von Menschen, die schon länger da lebten.
Insbesondere zum Thema Integration und friedliches Zusammenleben hat das 5. Buch Mose, also das Buch der Gesetze, einiges zu sagen. Etwa im Kapitel 7 das Folgende:
(1) Wenn der HERR, dein Gott, dich in das Land bringt, in das du ziehst, um es in Besitz zu nehmen, und er viele Nationen vor dir vertreibt, die Hetiter und die Girgaschiter und die Amoriter und die Kanaaniter und die Peressiter und die Chiwwiter und die Jebusiter, sieben Nationen, die grösser und stärker sind als du, (2) und wenn der HERR, dein Gott, sie dir preisgibt und du sie schlägst, sollst du sie der Vernichtung weihen. Du sollst keinen Bund mit ihnen schliessen und sie nicht verschonen, (3) du sollst dich mit ihnen nicht verschwägern, sollst nicht deine Töchter ihren Söhnen geben oder ihre Töchter für deine Söhne nehmen. (4) Denn sie würden deine Söhne dazu verleiten, dem HERRN nicht mehr zu folgen und anderen Göttern zu dienen. Dann wird der Zorn des HERRN gegen euch entflammen, und bald wird er dich vernichten.
Drohen neue 'Liturgiekriege'?
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- 21. November 2017
Wann war wohl zum letzten Mal auf einer offiziellen Website des Deutschkatholizismus eine positive Erwähnung von Papst Pius XII. zu lesen? Gestern, auf katholisch.de, wo Redakteur Tobias Glenz im Gefolge des emeritierten Bonner Liturgologen Albert Gerhards den großen Papst der Kriegs- und Nachkriegskahre als Urheber der Liturgiereform in Anspruch nahm. Das ist ja noch nicht einmal völlig verfehlt: Pius XII hat in Mediator Dei versucht, eine Mitte zwischen dem Beharren der traditionellen Liturgiker auf der Tradition und dem zerstörerischen Eifer der „Erneuerer“ zu finden und es damit nicht vermocht, diesen rechtzeitig Einhalt zu gebieten. Und er hat den Liturgiemodernisierer Bugnini in ein Laufbahn gebracht, in der er dann später als Liturgiezertrümmerer überaus wirkungsvoll tätig war.
Aber Pius XII. hat auf der anderen Seite gerade in der von Albert Gerhard überaus einseitig interpretierten – um nicht zu sagen ‚verfälschten‘ – Enzyklika Mediator Dei die grundlegenden katholischen Lehren vom Wesen des Messopfers und der Stellung des Priester durchaus klar zum Ausdruck gebracht. Genau die Lehren, zu deren Überwindung der radikale Teil der Liturgiereformer angetreten war – der damit, wie die seitherige Entwicklung gezeigt hat, ja auch überaus erfolgreich war. Nichts von dem, was derzeit gefordert oder bereits praktiziert wird, von der Entsakralisierung des Gottesdienstes bis zur Bildersturm im „worship space“ - vom Monopol teilweise höchst zweifelhafter Übersetzungen volkssprachlicher Liturgietexte bis zur Einebnung des Amtspriestertums in ein allgemeines „Priestertum aller Getauften“ und der damit begründeten Frauenordination, kann sich auf diese Enzyklika berufen.
Wie es der Zufall will, ist der aus Anlaß des 70. Jahrestages von Mediator Dei veröffentlichte Artikel auf katholisch.de nicht die einzige Publikation von offiziöser Seite, die sich dieser Tage um einen Anschluß der nach dem Konzil neu geschaffenen „Pastoralliturgie“ an die Tradition bemüht. Wo Albert Gerhards die Ahnenlinie bis zu Pius XII. ziehen will, begnügt sich ein Artikel des Zentralorgans der Jesuiten La Civiltà Cattolica (hier eine englische Übersetzung) allerdings mit einem definitiv nachkonziliaren Bezugspunkt. Das ist der später zu einer „Instruktion“ umetikettierte (und nie in die Acta Apostolica aufgenommene) Brief Kardinal Lercaros „Comme le prévoit“ von 1969, in dem unter Berufung auf die Erkenntnisse eines evangelikalen amerikanischen Bibelübersetzers das Übersetzungsprinzip des „dynamischen Äquivalents“ empfohlen wurde.
Dieses Prinzip besagt, stark vereinfacht ausgedrückt, daß ein Übersetzer nicht versuchen solle, das was ein für allemal im Original festgehalten ist, möglichst getreu in eine andere Sprache zu übertragen, sondern Ausdrücke zu suchen und zu finden, die der aktuellen Lebenswelt des jeweiligen Lesers möglichst nahekommen. So richtig die Forderung ist, nicht rücksichtslos an den Verständnishorizonten der Leser (oder Beter) in einer anderen Sprache vorbei zu texten, so sehr leuchtet es ein, daß dieses Prinzip in der Verabsolutierung zu zahllosen Mißbräuchen und Relativierungen geradezu einlädt. Wie es seitdem ja auch an vielen Stellen zu beobachten ist.
Für Cesare Giraudo, der den Artikel in La Civilita geschrieben hat, bildet also dieses durchaus zweifelhafte Papier den absoluten Bezugspunkt für die – selbstverständlich - „Gestaltung“ von Liturgie in der Gegenwart. Die gesamte Entwicklung seit 1970, die nicht zuletzt durch Versuche der Liturgiekongregation und der Päpste Johannes Paul II und Benedikt XVI. zur Eindämmung liturgischer und übersetzerischer Fehlleistungen gekennzeichnet war, sind in seinen Augen Ausdruck einer Verschwörung, die segensreichen Wirkungen von „Comme le prévoit“ zunichte zu machen. Deshalb kommt ihnen auch keinerlei Legitimität zu, und daher hat es der Titan Franziskus unternommen, die Liturgie wieder zu ihren ursprünglichen Grundsätzen zurückzuführen - also denen von 1969. Alles, was seit dem zur Zügelung des Modernisierungs- und Zerstörungstaumels unternommen worden ist, war irrig und muß aufgehoben werden.
Die Ansage ist nicht mißzuverstehen: Die Liturgiekriege (als liturgy wars bezeichnet man im angelsächsischen Sprachraum die von hanebüchenen Mißbräuchen ausgelösten Auseinandersetzungen der 60er und 70er Jahre) gehen in die Zweite Runde.
„Hat es funktioniert?“
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- 20. November 2017
Fr. Ray Blake hat sich dieser Tage angesichts der krisenhaften Entwicklung der Kirche in seinem Blog die Frage gestellt, warum die Kirche sich so schwer damit tut, eine Abschätzung der Ergebnisse ihres Reformkurses seit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts vorzunehmen. Wir haben seine Überlegungen ungekürzt übersetzt:
In diesem hundertsten Jahr der russischen Revolution ist es bedenkenswert, daß das russische Volk nach 70 Jahren tatsächlich die Frage gestellt hat: „Hat es funktioniert?“ Ein ordentliches Unternehmen stellt sich diese Frage regelmäßig, auch Eltern in einer gesunden Familie stellen sich diese Frage, und das sollte auch die grundlegende Frage im geistlichen Leben sein.
50 Jahre nach Umsetzung der liturgischen Reformen sollte sich auch die Kirche diese Frage stellen. Jedes Unternehmen hätte schon vor einer Neubestimmung seines Markenbildes Produkttests durchgeführt – ich vermute, Summorum Pontificum war Papst Benedikts Versuch, so etwas wenigstens nachträglich zu machen.
Die liturgischen Reformen des zweiten Vatikanums wurden überall und in großem Umfang innerhalb weniger Jahre nach dem Konzil eingeführt. Das unterscheidet sie von den langsam eingeführten liturgischen Reformen Pius‘ V., die schrittweise mit der allmählichen Ersetzung der alten Bücher erfolgten und auch nur für den Bereich des Römischen Ritus. Die Mailänder, die Lyoner und die Einwohner von Braga, die Dominikaner und die Kartäuser blieben bei ihren eigenen Riten und wirkten so als eine Art Qualitätskontrolle oder Maßstab für den erneuerten Ritus.
Auf zwei Gebieten stellt sich die Frage „Hat es funktioniert?“ ganz besonders dringlich. Das eine ist die Liturgiereform als solche, das andere das moderne Verständnis des päpstlichen Fiat, mit dem sie eingeführt wurden, und das einen beispiellosen Akt päpstlichen Machtgebrauchs darstellt. Was diesen zweiten Punkt betrifft, so wirkt Papst Franziskus äußerst effizient darauf hin, daß selbst die konservativsten Katholiken sich die Frage nach dem aktuellen Einsatz der päpstlichen Macht stellen - „hat es funktioniert?“ Fast neige ich zu der Annahme, daß der Papst es mit Verbündeten wie P. Spadaro, Dr. Ivereigh und anderen Zujublern bewusst darauf anlegt, diese Macht ad absurdum zu führen. Opfern sie als treue Mitarbeiter bewußt jede Karriereaussicht im nächsten Pontifikat? Kann man „Magnum Principium“ vielleicht wirklich als eine Rückkehr der Kirche zu einer Vielfalt örtlicher Riten und Gebräuche verstehen, die sich gegenseitig bereichern? Ich glaube kaum – aber dennoch ist das eine Möglichkeit. Die Liturgie des Ordinariats jedenfalls scheint überall da, wo sie gefeiert wird, diese Wirkung zu entfalten.
Anscheinend werden derzeit eine große Zahl der französischen Seminare geschlossen, ebenso jede Menge altehrwürdige Klöster, und die meisten Konvente verwandeln sich in Altenheime. Ich weiß nicht genau, wie die Zahl für dieses Jahr aussieht, aber letztes Jahr hatten wir in unserer Diözese nur drei Seminaristen. Als ich im Seminar war, hatten wir in Brighton und Hove fast 30 Priester – um 2030 werden wir mit Glück noch zwei haben, die Jünger als 65 sind, und die werden vor Überlastung vor der Zeit altern.
Und dabei fehlt es in Wirklichkeit gar nicht an Berufungen. In meiner kleinen Pfarrei gibt es drei Männer, von denen sich zwei auf das Priestertum vorbereiten und einer in einen ziemlich strengen kontemplativen Orden eingetreten ist. Aber diese drei haben sich sehr für die überlieferte Liturgie engagiert und sind in Gemeinschaften außerhalb der Diözese eingetreten. Es gibt auch keinen Mangel an Berufungen für kontemplative Frauenorden, auf den Kanalinseln und in Lancaster entstehen gerade neue Klöster – aber auch dort werden die Nonnen den überlieferten Ritus feiern. Das einzige Kloster in Italien, das trotz bischöflicher Widerstände gedeiht und auch nicht in Skandale verwickelt ist, ist das in Norcia, das dem überlieferten Ritus folgt. Das gleiche gilt für Frankreich, wo ein Viertel der in diesem Jahr geweihten Priester die überlieferte Liturgie zelebriert und wo das Klosterleben allgemein im Niedergang ist – während altrituelle Klöster wie Fontgombault sogar neue Niederlassungen gründen. Ich gebe gerne zu, daß das nicht notwendigerweise die Wirkung des Ritus an sich sein muß, aber dann doch der Theologie, oder des Begriffs von Kirche, der sich mit diesem Ritus verbindet. In der Praxis scheint dieser Ritus zu „funktieren“.
Warum können wir nicht fragen: „Hat es funktioniert?“. Wahrscheinlich aus ideologischer Voreingenommenheit, etwa so wie das Politbüro der Sowjetunion, das nicht bereit war, Vorgegebenheiten in Frage zu stellen – bis lange nachdem diese längst zusammengebrochen waren.
Kurzfassung oder Fälschung?
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- 18. November 2017
Matthew Hazel macht auf New Liturgical Movement darauf aufmerksam, daß das reformierte Messbuch für morgen (33. Sonntag im Jahreskreis Lesejahr A) ein besonders krasses Beispiel für eine offiziell angebotene „Kurzfassung“ des Tagesevangeliums bietet. Die Vollfassung gibt als Lesung Mt 25, 14-30, an – das ist das Gleichnis vom Herrn, der seinen Dienern vor einer Reise sein Vermögen zur Verwaltung anvertraute: Dem einen gab er fünf Talente Silber, dem anderen zwei, einem dritten eines. Die beiden ersten nutzten das ihnen anvertraute Kapital und verdoppelten es durch klugen Einsatz. Der dritte vergrub sein Silber ängstlich, um es sicher zurückgeben zu können. Dafür wird er vom Herrn nach dessen Rückkehr scharf getadelt. Er nimmt ihm das eine Talent und gibt es dem, der mit seinem Kapital am besten gewirtschaftet hat, „denn wer hat, dem wird dazu gegeben werden...“.
Das ist nicht nur ein langer, sondern auch ein schwieriger Evangeliumstext, und das moderne Messbuch bietet zur Behebung beider Probleme eine bemerkenswerte Kurzfassung: Sie berichtet zwar von der Vergabe der unterschiedlichen Beträge an die drei Diener, beschränkt sich für die Rückkehr des Herrn aber auf die Abrechnung mit dem, der die fünf Talente empfangen und verdoppelt hatte und stolz meldet: Herr, fünf Talente hast du mir gegeben: sieh, ich habe noch fünf dazugewonnen.“ Schluß, Ende aus.
Das ist keine Verkürzung, ja noch nicht einmal eine Verfälschung – die einen veränderten Sinn ergeben würde. Das ist schlichter Unsinn, Gottes Wort als Banalität. Nun wissen wir nicht, in wie vielen Kirchen morgen die Nonsens-Fassung vorgetragen wird. Leidvolle Erfahrungen und die Vorliebe von Vorstehern und Gemeinden für kurze Eucharistiefeiern lassen uns befürchten: Es ist die Mehrheit. Die Forderung der Konzilsväter von 1963, den Gläubigen „den Tisch des Wortes Gottes reicher zu decken“ stößt in vielen Gemeinden auf verschlossene Ohren, und sie wird auch durch die Gestaltung des nach dem Konzil entwickelten Messbuchs auf vielerlei Weise konterkariert.
In diesem Zusammenhang teilt Hazell in seinem NLM-Beitrag eine interessante Beobachtung mit. Die offizielle „Allgemeine Einführung in das Lektionar“ spricht davon, Kurzformen seien nur für einige besonders lange Texte angegeben und jeweils mit größter Sorgfalt ausgesucht worden . Tatsächlich gibt es über alle drei Lesejahre gerechnet jedoch an gut einem Viertel der Sonn- und Feiertage solche Kurzfassungen – und diese auch für Lesungen, die an sich schon recht kurz wären. Die Forschungen Hazels an Originalunterlagen aus den Konzilsberatungen haben nun ergeben, das die Kurzfassung des Talente-Evangeliums ebenso wie die zahlreicher anderen Evengelientexte in keinem der Papiere vorgesehen waren, die in den Sitzungen der Reformkommission besprochen worden sind. Auch nicht in dem 1967 verabschiedeten Entwurf der für das Evangeliar zuständigen Arbeitsgruppe XI. Sie erscheinen erst in der Endfassung, die Papst Paul VI. 1969 vorgelegt und von diesem im Vertrauen auf die Loyalität der Reformkommission ohne Detailprüfung abgezeichnet worden ist.
„Es ist also zwischen 1967 und 1969 etwas geschehen, durch das sich die Zahl der Kurzlesungen enorm vermehrt hat“ wundert sich Hazell – und wir wundern uns mit ihm.