„Was früheren Generationen heilig war, bleibt auch uns heilig und groß; es kann nicht plötzlich rundum verboten oder gar schädlich sein.“
Papst Benedikt XVI. 2007 zu Summorum Pontificum.
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Wie überleben III
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- 15. November 2021
Bei aller berechtigten Empörung über die Lügen und Verdrehungen von Prälaten wie Cupich oder Roche sowie die jüngst über die Petrusbruderschaft in Rom durch den Generalvikar des Papstes verhängten Restriktionen sollte man zweierlei nicht übersehen: Die tatsächlichen und wirksamen Einschränkungen für die Gläubigen, an der heiligen Messe im überlieferten Ritus teilzunehmen oder die Sakramente nach der alten Form zu empfangen, sind gering, wenn überhaupt erkennbar. Die überwiegende Zahl der Bischöfe weltweit ist nicht bereit, sich dem Kreuzzug von Franziskus anzuschließen – warum auch immer. Und selbst mit dem Aufbau einer kirchlichen GeStaPo könnte Kardinal De Donatis kaum überprüfen oder gar verhindern, daß Taufen oder letzte Ölungen im überlieferten Ritus gespendet und Absolutionen nach der alten Formel erteilt werden. Ob und inwieweit solche Vorgänge dann öffentlich gemacht werden, ist zunächst eine Frage der Taktik: Vielleicht lernt das Pferd ja doch noch sprechen, oder der Kalif stirbt.
Ein zweites Element ist in Deutschland bisher weniger zur Kenntnis genommen worden, spielt dafür in den USA und weltkirchlich eine umso größere Rolle: Die von herzlichstem Einvernehmen bestimmten Zusammenkünfte des Papstes mit den Pro-Abtreibungs-Aktivisten Biden und Pelosi haben auch in bei Katholiken, die den Krieg gegen die überlieferte Liturgie kaum zur Kenntnis genommen haben, große Verärgerung und tiefgehende Befürchtungen ausgelöst. Die römischen Bemühungen, zu verhindern, daß die US-Bischöfe sich vernehmlich gegen den demonstrativen Kommuniongang von Abtreibungspolitkern aussprechen, spielen in diesen Kreisen die gleiche Rolle wie das Vorgehen gegen die überlieferte Liturgie bei den Konservativen: Sie machen erkennbar, daß in diesem Pontifikat trotz gelegentlicher frommer Sprüche alle traditionellen Formen und Inhalte des Glaubens zur Disposition stehen, wenn das den Machtinteressen der jesuitischen Kamarilla am päpstlichen Hof (und der Eitelkeit des regierenden Papstes) dienlich erscheint.
Unmittelbare Konsequenz dieser Entwicklung ist zunächst einmal ein deutlicher Rückgang bei den aus den USA eingehenden Spenden, die für den gerade von einem 100-Millionen-Verlust seiner Londoner Immobilienspekulation betroffenen Vatikan mindestens ebenso wichtig sind wie die Zuwendungen aus der deutschen Kirchensteuer. Längerfristig zeichnet sich als Folge ab, daß nicht nur amerikanische Kardinäle, sondern auch viele Teilnehmer des nächsten Konklaves „von den Rändern“ der dritten Welt nicht mehr so bereitwillig einen Franziskus II. wählen werden, wie das noch vor zwei, drei Jahren erscheinen mochte. Damit besteht noch kein Grund, die Wahl von Pius XIII. zu erwarten – aber das Schlimmste erscheint abwendbar.
Von daher ist es durchaus nachvollziehbar, wenn einige Beobachter der römischen Szene angesichts der jüngsten Entwicklung eine sich ausbreitender Panik in den päpstlichen Hinterzimmern konstatieren. Und es ist auch nicht völlig abwegig, in einigen Situationen als Strategie zum Überleben einfach mal die Füße ruhig zu halten. Für eine begrenzte Zeit.
Im Zeugnis für die Wahrheit II
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- 12. November 2021
Wie angekündigt bringen wir heute den zweiten und letzten Teil unserer Übersetzung des Briefes von P. Wojciech Gołaski, O.P. Um die Einheit der Übersetzung zu wahren bzw. wieder herzustellen, haben wir diesen zweiten Teil auf der gleichen Seite unmittelbar an den ersten angehängt. Hier geht es zum Anfang unserer Übersetzung und hier zum heute neu veröffentlichten zweiten Teil.
Im Zeugnis für die Wahrheit
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- 11. November 2021
Der polnische Dominikaner Wojciech Gołaski hat einen Brief an Papst Franziskus, mehrere hohe Würdenträger der Kirche, Obere und Mitglieder seines Ordens sowie an den Distriktsoberen der Piusbruderschaft in Polen veröffentlicht, in dem er die grundsätzlichste Auseinandersetzung mit Traditionis Custodes vornimmt, die uns bisher zur Kenntnis gekommen ist. Der Brief, der inzwischen auf Rorate Caeli in englischer Sprache nachzulesen ist, schließt mit der Mitteilung, daß P. Gołaski sich um Mitgliedschaft in der Piusbruderschaft bewirbt und die Bruderschaft bereits wohlwollende Aufnahme seines Anliegens signalisiert habe.
Über die generelle Zulässigkeit dieses Schrittes oder seine Klugheit zum gegenwärtigen Zeitpunkt mag man unterschiedlicher Ansicht sein. Das ändert aber nichts am Wert und der Schlüssigkeit der von P. Gołaski vorgetragenen Gesichtspunkte und Argumente, mit denen sich künftig jeder auseinandersetzen muß, der die mit dem Pontifikat von Franziskus ja nicht nur erst seit TC aufgeworfenen Fragen im Hinblick auf die Wahrheit des Glaubens beantworten will und sich nicht mit Machtworten zufrieden geben will.
Der Brief von P. Gołaski besteht aus drei Teilen: Einer Beschreibung seiner „Entdeckung“ der überlieferten Liturgie im 16. Jahr seines Priestertums und den daraus gewonnenen Einsichten, die ihn unter anderem zur regelmäßigen Zelebration im usus antiquor führten. Dann dem durch TC ausgelösten Schock, der nicht nur seine persönlichen Einsichten, sondern die gesamte liturgische und lehrmäßige Tradition der Kirche in Frage stellte und schließlich einer eingehenden Analyse der philosophischen und theologischen Fehlkonzeptionen des Papstes und seiner Berater, auf deren Grundlage TC (und andere Maßnahmen) erlassen wurden.
Den ersten Teil lassen wir hier ganz aus. Er enthält zwar eine durchaus lesenswerte Darstellung des Vorgangs und der Auswirkungen der Entdeckung der Tradition auf einen lange nach dem Konzil ausgebildeten und geweihten Priester, fügt aber früheren „Entdeckungsberichten“ anderer Priester nichts wesentlich Neues hinzu. Den zweiten Teil mit der Beschreibung des TC-Schocks und den dritten Teil mit der Analyse der Fehlkonzeptionen übersetzen wir im Folgenden ganz. Da der vorliegende englische Text bereits eine Übersetzung aus dem Polnischen darstellt, wird eine in die Tiefe gehende Auseinandersetzung mit dieser Analyse möglicherweise nur auf Basis des Originals erfolgen können. Wir begnügen uns hier mit der schlichten Übersetzung und überlassen die Detaildiskussion den Spezialisten.
Aus Ihren Dokumenten, Heiliger Vater, erfuhr ich, daß der Weg, auf dem ich die vergangenen 12 Jahre gegangen war, nicht mehr existierte. Wir haben nun Aussagen von zwei Päpsten. Seine Heiligkeit Benedikt XVI hatte gesagt, daß das römische Meßbuch des hl. Papstes Pius V „als der außerordentliche Ausdruck der lex orandi der katholischen Kirche des römischen Ritus anzusehen ist“. Aber seine Heiligkeit Papst Franziskus sagt, daß „die liturgischen Bücher der hl. Päpste Paul VI und Johannes Paul II (…) der einzige Ausdruck der lex orandi des römischen Ritus“ sind. Die Aussage des Nachfolgers verneint somit die seines noch lebenden Vorgängers.
Mit grenzenloser Barmherzigkeit
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- 10. November 2021
„Um den Katholiken, die sich einigen früheren liturgischen Formen verbunden fühlen, die kirchliche Gemeinschaft zu erleichtern“ und „in Ausübung lebendiger pastoraler Nächstenliebe“ (wörtlich zitiert aus dem Schreiben des Generalvikars) hat das Generalvikariat der Diözese Rom im Anschluß an Traditionis custodes Regelungen für die Praxis der überlieferten Liturgie erlassen, deren Inhalt in wenigen Sätzen zusammengefaßt werden kann:
- Alle Priester, die die überlieferte Liturgie feiern wollen, auch die der Orden und Gemeinschaften, müssen dafür eine nach Ort und Zeit spezifizierte Sondergenehmigung des Generalvikariats beantragen;
- Alle Feiern und Zeremonien nach den alten Büchern sind verboten mit Ausnahme der Messfeier nach dem Missale von 1962, bei der die Lesungen auf italienisch nach dem Lektionar von 2008 vorzutragen sind;
- An den Tagen des Triduums dürfen keine Messen oder Liturgien nach den überlieferten Riten gefeiert werden, auch nicht in der Kirche der (aufgehobenen?) Personalpfarrei Santissima Trinità dei Pellegrini.
Das Original und eine englische Übersetzung des Schreibens des Generalvikars bringt Rorate Caeli. Eine Reaktion der Petrusbruderschaft, der Papst Benedikt die Seelsorge im überlieferten Ritus in ST d Pellegrini anvertraut hatte, liegt noch nicht vor. Ebenso wenig von anderer Seite.
Unser Kurzkommentar: Der Inhalt des Schreibens überrascht uns nicht, wohl aber dessen zeitliche Platzierung. Anscheinend geht es darum, angesichts der bisher zögerlichen Aufnahme und Umsetzung von TC in den meisten Diözesen der Welt ein Präzedenz zu setzen, zu dessen Beachtung dann die Ortsbischöfe mit den jeweils für angemessen erachteten Mitteln (vom persönlichen Telephonanruf bis zur Drohung mit der Entlassung) gezwungen werden sollen.
Ein zweites Ziel dürfte darin bestehen, die von den Päpsten Johannes Paul II und Benedikt XVI errichteten Gemeinschaften, zu deren Charisma die Pflege der überlieferten Liturgie gehört, durch die fortgesetzte Verhöhnung („kirchliche Gemeinschaft erleichtern“) und Demütigung entweder zur Selbstaufgabe zu zwingen oder aber dazu zu veranlassen, den Gehorsam zu verweigern und so einen Vorwand zu liefern, sie als Sünder gegen die kirchliche Einheit zu verurteilen.
Falls das dieses Mal noch nicht gelingen sollte, gibt es noch viele andere Mittel, um die Schlinge weiter zuzuziehen. Die Barmherzigkeit dieses Papstes kennt keine Grenze.
*
Inzwischen ist eine deutsche Übersetzung der Anweisung des Generalvikars mit zusätzlichen Informationen auch auf katholisches.info erschienen.
Agatha Christie und die alte Messe
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- 09. November 2021
Am 5. November war der 50. Jahrestag des sog. Agatha-Christie-Indults, mit dem Paul VI. im Jahr 1971 die Feier der überlieferten Liturgie (in der Fassung des Ordo von 1965) für England und unter starken Einschränkungen wieder zuließ. Die kirchenpolitische Bedeutung dieses Aktes besteht nicht zuletzt darin, daß unter anderem dieses Indult belegt, daß die überlieferte Liturgie auch von Paul VI nie „abgeschafft“, sondern nur höchst einschränkend reguliert worden ist. Kein Wunder, daß die Entscheidung von 1971 den heutigen Machthabern in Rom höchst unbequem ist, so daß sich der Präfekt der Gottesdienstkongregation Erzbischof Roche in seinem Schreiben an Kardinal Nichols zu der extrem unglubwürdigen Behauptung verstieg, daß es dafür in den Unterlagen seiner Behörde keinen Beleg gebe. Entweder lügt Seine Exzellenz – oder irgend jemand hat die Aktenschränke nach dem Vorbild von Orwells 1984 gesäubert.
Was ausgerechnet Agatha Christie mit der überlieferten Liturgie zu tun hat? Nun, die Bitte um das Indult von 1971 (Einzelheiten dazu hier und hier) kam von einer Gruppe berühmter Künstler und Autoren, die den Papst eindringlich bat, die Welt nicht dieses zentralen Elements ihres kulturellen Erbes zu berauben - und die damit tatsächlich wenn auch begrenzten Erfolg hatte. Die Petition von 1971 war übrigens nicht die erste dieser Art. Schon 1966, als die künftige Entwicklung sich bereits abzeichnete, waren namhafte Künstler und Intellektuelle in Rom vorstellig geworden, um die von Ihnen - wie sich seitdem längst herausgestellt hat, zu Recht - als unheilvoll betrachtete Deformation dieses Ankerpunktes der westlichen Kultur abzuwenden. Joseph Shaw hat auf OnePeterFive an diese Interventionen aus der Frühzeit der Liturgiereform erinnert und ergänzend mitgeteilt, daß der letzte überlebende Unterzeichner der Petition von 1971, der Pianist und Dirigent Vladimir Ashkenazy (84), dafür in diesem Jahr eine Ehrung der internationalen Una-Voce-Konföderation entgegengenommen hat.
Der Umstand, daß sich an den genannten frühen Interventionen auch nicht-katholische oder der Kirche fernstehende Intellektuelle beteiligt haben, könnte als Beleg für den häufig gegen die Anhänger der überlieferten Liturgie erhobenen Ästhetizismus-Vorwurf dienen. Joseph Shaw nutzt daher die Gelegenheit seines Beitrags zum 50. Jahrestag auch dazu, sich mit diesem Vorwurf auf fundierte Weise auseinander zu setzen: Die Wahrheit sucht und findet ihren Ausdruck notwendiger Weise auch im Schönen, und die Gleichgültigkeit gegenüber oder gar Ablehnung der Schönheit führt stets dazu, wesentliche Aspekte des Wahren zu verfehlen.
Zum Briefwechsel Nichols - Roche
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- 08. November 2021
Im Netz gibt es derzeit Diskussionen über einen erstmal auf OnePeterFive veröffentlichten Briefwechsel zwischen Cardinal Nichols und Erzbischof Roche von der Gottesdienstkongregation über Traditionis Custodes. OnePeterFife bringt dazu an gleicher Stelle einen Komentar von Joseph Shaw von der Latin Mass Society of England and Wales. Eine deutsche Übersetzung der beiden Briefe bietet ProMissaTridentina zusammen mit einem Kommentar der Vorsitzenden von PMT-Deutschland, Monika Rheinschmitt, den wir hier dokumentieren.
Kommentar zum Briefwechsel zwischen Kardinal Nichols (Westminster) und Erzbischof Roche (Gottesdienstkongregation)
Hier eine Zusammenfassung der wesentlichen Punkte der beiden Briefe:
Kardinal Vincent Nichols, Erzbischof von Westminster und Vorsitzender der katholischen Bischofskonferenz von England und Wales, stellt in seinem Schreiben vom 28.7.2021 an Erzbischof Arthur Roche, den Präfekten der Gottesdienstkongregation, einige Fragen zur Umsetzung des Motu proprio Traditionis custodes [TC] vom 16.7.2021:
a. Wird es ein weiteres Schreiben, zur Interpretation von TC, geben?
b. Will TC nicht nur die Meßfeier, sondern alle Sakramente im Usus antiquior abschaffen?
c. Wie soll mit den unterschiedlichen liturgischen Kalendern umgegangen werden, nach denen manche Feste (z.B. Fronleichnam) auf unterschiedliche Daten fallen?
d. Woher sollen die Texte für die landessprachlichen Schriftlesungen im Usus antiquior genommen werden? e. Was genau ist mit „Gruppen“ in TC gemeint?
f. Können Gläubige weiterhin (wie seit 1971 mit dem Heenan-Indult erlaubt) in ihrem Testament bestimmen, daß sie mit einen Requiem im Usus antiquior beerdigt werden wollen?
Erzbischof Roche antwortet:
a. [keine Antwort auf die gestellte Frage, sondern:] Die Glaubenskongregation ist zusammen mit der Ordenskongregation ab jetzt für Fragen des Usus antiquior zuständig.
b. [keine Antwort auf die gestellte Frage, sondern:] ungewollter Weise ist die Praxis aller Sakramente im Usus antiquior stark angewachsen. TC verleiht den Ortsbischöfen in dieser Hinsicht wieder mehr Vollmachten für ihr Bistum.
c. [keine Antwort auf die gestellte Frage, sondern:] Weitere Klärungen sind notwendig, vor voreiligen Festlegungen wird gewarnt.
d. Für die Schriftlesungen sollen dieselben Textversionen verwendet werden wie im Novus Ordo – was passieren soll, wenn im Novus Ordo entscheidende Sätze herausgestrichen wurden, bleibt offen.
e. Mit „Gruppen“ sind sowohl Personalpfarreien gemeint als auch Gottesdienstgemeinden.
f. Auch Erzbischof Roche hat keine Unterlagen über das Heenan-Indult von 1971. Seine Bestimmungen sollen jedenfalls durch TC aufgehoben werden.