Statio in S. Balbina
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- 26. Februar 2013
Am östlichen Hang des Aventin, keine hundert Meter entfernt von den gewaltigen Mauern der Caracalla-Thermen, liegt in einer Art ungepflegter Parklandschaft (Natur- und Denkmalschutz wollen es so) die Kirche der hl. Balbina, Statio am Dienstag nach dem 2. Fastensonntag. Man kann sie trotz ihrer Größe leicht übersehen, denn wäre da nicht die typische Vorhalle, könnte man den turmlosen Bau leicht auch für eine Werkshalle oder eine große Scheune halten.
Dabei gehört S. Balbina zu den ältesten und ehrwürdigsten Tituli der Stadt. Die Basilika besteht im Kern aus dem einschiffigen Festsaal eines römischen Stadthauses aus dem 2. oder 3. Jahrhundert, der nach seiner Umnutzung zur Kirche seit dem 5. Jahrhundert als Titulus Tigridae in den entsprechenden Verzeichnissen auftaucht. Später wurden dann die Apsis und zwei sehr schmale und niedrige Seitenschiffe sowie die Vorhalle angebaut - auf den Fundamenten der Wohnräume entstanden Klosterbauten. Die Kirche blieb dann während der Renaissance und des Barock weitgehend unverändert. Was dennoch seit dem hohen Mittelalter dazu gekommen war, wurde bei einer umfassenden Renovierung 1928 größtenteils entfernt, so daß der heutige Bestand einen guten Eindruck vom Aussehen im 11. oder 12. Jahrhundert vermittelt.
Von der Tagesheiligen ist wenig bekannt. Die Legende sieht in ihr eine Tochter des Tribuns Quirinus, die durch das Gebet des Papstes Alexander I. (um 110) von einem entstellenden Kropf befreit wurde, worauf die ganze Familie sich zum Glauben bekehrte und unter Hadrian (117 - 138) dem Martyrium überantwortet wurde.
Hartmann Grisar zieht eine bemerkenswerte Verbindung vom Ort dieser Kirche zum Tagesevangelium, in dem der Herr vor den Lehrern warnt, die auf der Cathedra sitzen und nach den ersten Plätzen streben: „Nur einer ist euer Lehrer, Christus.“ Er schreibt:
Es ist ein merkwürdiges Zusammentreffen mit dem im Evangelium öfter genannten Magistertitel, daß unweit der Stationskirche am Ort der piscina publica ... nicht weniger als acht Travertinsockeln mit Inschriften von magistri gefunden wurden. Eine derselben nennt auf einmal vier magistri und ministri. Die Inschriften weisen auf Lokale für literarische Versammlungen und auf Rezitationen von Dichtern usw. hin, die in dieser Gegend noch in später Zeit üblich waren. Die Kirche St. Balbina ist eine gut erhaltene römische Halle. Sollte sie etwa selbst zu jenen Darbietungen von Gelehrten und Dichtern gedient haben? Jedenfalls dürfte man vor einer in der Erinnerung der christlichen Zeit fortlebenden Sitte der Umgebung stehen, die mit der Warnung des Evangeliums vor hochtönenden Titeln und heidnischer oder jüdischer Hoffahrt einen Zusammenhang besitzt.“
Hartmann Grisar, Das Missale im Licht römischer Stadtgeschichte, Freiburg 1925.