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Anfragen an Kardinal Kasper

Zu unserem Hinweis auf die Ausführungen von Kardinal Kasper zu den Gründen für die - bisher zumindest - gescheiterte Umsetzung des II. Vatikanischen Konzils hat uns Franz Norbert Otterbeck einige Anmerkungen geschickt, die wir hier im vollen Umfang weitergeben wollen.

Hier einige Punkte, über die Walter Kasper noch nachdenken könnte: Er trifft - wie viele andere auch - nicht ganz exakt das Problem, wenn er den „Kompromisscharakter“ der Konzilstexte anspricht. Das Problem ist weniger der Text - als die strikte Weigerung der „Mehrheit“, die Sätze, die der Minderheit „zugebilligt“ wurden, überhaupt für verbindlich zu erachten. Damit bereits begann die nur-politische (kirchenpolitische) Interpretation; m.E. verkrüppelter Hegelianismus: „Fortschrittliche“ Sätze sind verbindlich, „traditionelle“ nicht, sondern ein politisches Zugeständnis (wie die SED sich eine Blockpartei „CDU“ leistete, als faires Angebot an Christen im Sozialismus usw.).

Paul VI. wollte aber nicht nur die Minderheit einbinden, um sie „mitzunehmen“ auf die Reise in die Morgenröte der Neuen Zeit. Er hat dafür gesorgt, dass kein Dekret von Trient umgestürzt wurde (Rahner wollte das hinsichtlich des „Presbyters“ als Spender der Krankensalbung durchdrücken, exemplarisch). Er hat dafür gesorgt, dass die Doktrin des Vatikanum I komplett bekräftigt wurde (hinsichtlich der Unfehlbarkeit des „ordentlichen“ Lehramts sogar verschärft, wie Hans Küng in „Unfehlbar?“ richtig bemerkte). Er hat beim Reizwort „Kollegialität“ brutal verfügt, dass diese dem Papst nichts zu nehmen fähig ist, sondern durch ihn erst ermöglicht wird („qui mange du Pape en meurt“, so schon Pius VI. u.v.a.m.); vgl. Nota explicativa zu Lumen gentium.

Die Nagelprobe war mit Humanae Vitae bereits vorbereitet. Die Enzyklika war also nicht Rücknahme oder Widerruf des Konzils, sondern Beginn seiner wahren Umsetzung. Das trieb Döpfner, Lercaro und Suenens - allesamt Vertreter der Mehrheit („Konzilsmoderatoren“) zunächst weit nach links bzw. Mitte-Links, dann aber teils in die Verzweiflung bzw. zu den Charismatikern. „Kollegialität“ als Tarnbegriff für kollektive Führung wäre unkatholisch und ist im Übrigen auch allgemein-menschlich nicht handhabbar; Palaver ist keine Form der Führung, sondern ihr Vakuum, aus dem allenfalls eine illegitime Autorität den Sieg davonträgt, bspw. ein „Generalsekretär“.

In der Lehre von Walter Kasper steht nicht selten Orthodoxie hart neben progressiven Ideen, z.B. Ersetzung der Moral durch „Epikie“ oder die Weltkirche als locker verbundene Kette aus Ortskirchen. Er möchte damit auf Zeichen der Zeit antworten, dringt aber mitunter aus befangener Verstrickung in die Konzilsgeneration nicht zur vollen Schärfe des Problems durch. Beispielsweise scheint ihm nicht bewusst zu sein, dass immer die Politik den Sieg davonträgt, wenn der - mitunter schwierig zu praktizierende - Jurisdiktionsprimat des Papstes (oder auch seine Befugnis, die Liturgie zu ordnen) beeinträchtigt wird. Denn der einzelne Bischof, noch schlimmer: wenn er sich hinter der „Konferenz“ versteckt, ist gegenüber der national-politischen Sachlage immer zu schwach, bereit, mit den Wölfen zu heulen.

Die Liturgiereform, wir haben es schmerzlich erfahren, ist früh „unter die Räuber“ gefallen. Kirchenpolitiker benutzten sie, um ein neues „Kirchenbild“ durchzudrücken; und das war nicht im Interesse der Kirche oder des Glaubens, auch nicht „der Menschen“. Denn die so genannte „Pastoral“, der die Liturgie unterworfen werden sollte, hatte in Deutschlands Westen das immerwährende Bündnis von Thron und Altar im Blick, wenn auch unter Neutapezierung mit CDU/CSU-Programmatik. In der DDR (oder weiter östlich) wie auch in vielen Gegenden des Südens warf die „neue Liturgie“ weit weniger Probleme auf, weil die Innovation von frommen Motiven beseelt blieb.

Hierzulande - oder in Holland, Österreich, der Schweiz - ging es zuvörderst um den „Anschluss“ an die Gegenwart; wenngleich diese flüchtig ist: „Überholen ohne einzuholen“ hat Walter Ulbricht sein Patentrezept genannt. „Mein Gott, Walter!“ Ein Projekt, das nicht gelingt, wenn man die der Neuen Pastoral ausgelieferten Mitbürger nicht hinter Mauern einsperren kann.

Die Kirchen sind leer aus Mangel an Religion, weil Politik light nur das Herz ganz weniger Kirchenbürger erfreut, vor allem solche, die gern Staatsbeamte geworden wären, wie es der deutsche Universitätsprofessor ist, bekanntlich das herrliche Produkt des 8. Schöpfungstages (und schon deshalb 'per se' Präfiguration des „Weltethos“ selber). Und wer nicht in öffentlich-rechtliche Beschäftigungsverhältnisse eintreten konnte, der versuchte es dann mitunter bei „Kirchen's“.

Das staatsfromme Selbstverständnis rotgrüner Horizontalität (auch in der CDU präsent: früher Geißler, Süßmuth; heute - von der Leyen, Pofalla) beleidigt seither die Ohren der wenigen hart arbeitenden Menschen, die noch den Weg zum „Gottesdienst“ finden. Nicht etwa, dass es in der Demokratie für Katholiken unerlaubt wäre, links, Mitte oder grün zu wählen: Nur ist dieses Weltbild als Predigtgegenstand ungeeignet. Nicht Kita sei Dank, Gott sei Dank. Das ist der Zweck „sinnloser“ Liturgie. Walter Kasper wird darüber noch weiter nachdenken!

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