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Stand der Dinge II: New York

Der Fall von Father Justin Wylie, der sich in einer Predigt (hier Ausschnitte) nachdrücklich für die Rechte der Gläubigen auf Messfeiern im überlieferten Ritus eingesetzt hatte und deswegen auf Betreiben von Ortsbischof Timothy Cardinal Dolan das Land verlassen muß, schlägt hohe Wellen. Die Empörung ist berechtigt, die in vielen Stellungnahmen anklingende Überraschung aber nicht. In kaum einer anderen Frage ist der Weltepiskopat so gepalten wie in der Haltung zu überlieferten Liturgie und dementsprechend der Umsetzung von Summorum Pontificum. Dabei gehören die Vereinigten Staaten noch zu den wenigen Ländern, in denen sich überhaupt Bischöfe in nennenswertem Umfang für die Umsetzung des seit 2007 geltende Rechts einsetzen, das Gläubigen und Priestern ungehinderten Zugang zur traditionellen Liturgie ermöglicht.

Eine deutlich größere Zahl von Bischöfen in USA und anderswo findet sich bestenfalls zu einer Art widerwilligen Hinnahme der Vorgaben des Motu Proprio bereit, wobei sie sich bemühen, seine Umsetzung nach Kräften „einzudämmen“. Eine mindestens ebenso große Zahl von Ortsordinarien ignoriert Summorum Pontificum vollständig und besteht im Widerspruch zum geltenden Recht darauf, die Feier der überlieferten Liturgie als eine Gnade zu betrachten, die sie Priestern und Gläubigen nach Belieben gewähren oder verweigern können, wobei sie sich meistens für das letztere entscheiden. Den bereits von Papst Johannes Paul II. eingerichteten Priesterbruderschaften, deren Charisma die besondere Pflege der überlieferten Liturgie und eine darauf gegründete Seelsorge ist, gewährend sie in ihrem Machtbereich keinerlei Arbeitsmöglichkeit – lieber keine Priester und keine Sakramente als solche im Geiste der Tradition. Nichts könnte den von den modernistischen Theologen und Ordinarien vollzogenen Bruch mit der Tradition der Kirche deutlicher zum Ausdruck bringen. Dieser Bruch liegt nicht, wie gerne behauptet wird, auf Seiten derer, die ihn konstatieren, sondern auf der Seite derer, die ihn täglich praktizieren und bewußt vertiefen.

Daß S.E. Cardinal Dolan in Sachen Fr. Wylie unmittelbar und persönlich tätig geworden ist, kann inzwischen als gesichert gelten. Um die Gründe dafür zu sehen, muß man wohl auf das überaus komplizierte Verhältnis zwischen der amerikanischen Bischofskonferenz und der Staatsgewalt bzw. der Öffentlichkeit und den sie instruierenden Medien sehen. Dieses Verhältnis ist derzeit durch die Auseinandersetzung über die sog. Homoehe und die abtreibungsfreundliche „Gesundheitsreform“ des Präsidenten stark belastet. Dabei sind die Verhältnisse auf katholischer Seite durchaus nicht eindeutig: Fast sämtliche ehemals katholischen Universitäten, die der Jesuiten und der Franziskaner vorweg, sind samt ihren theologischen Fakultäten inzwischen ins Lager der Säkularisten übergelaufen, auch in der Bischofskonferenz gibt es Auseinandersetzungen. Cardinal Dolan hat dort in den beiden Hauptpunkten bisher stets die genuin katholische Position unterstützt – obwohl er generell eher auf Kompromiss mit der säkularen Seite eingestellt ist. Vielleicht hat er sich einfach nur geärgert, daß der bei der UNO in New York eingesetzte, aber in Südafrika beheimatete Fr. Wylie offen einige unbequeme Dinge aussprach, die man sonst bestenfalls hinter vorgehaltener Hand äußert. Vielleicht sah er es aber auch angebracht, die Progressisten im eigenen Haus mit einem Bauernopfer zu besänftigen – dafür bieten sich die Anhänger der überlieferten Liturgie und Lehre allemal an.

Womit wir uns dem Kern der Sache nähern. Die überlieferte Liturgie (und Lehre) ist eines der augenfälligsten Hindernisse für die problemlose Übernahme säkularistischer Positionen durch diejenigen auf kirchlichem Boden entstandenen Apparate, die vom reibungslosen Zusammenspiel mit dem säkularen Staat und seiner relativistischer Ideologie leben. Es ist schwierig, z.B. in der Ethikkommission den „ergebnisoffenen Diskurs“ über Multisexualität oder Euthanasie zu zelebrieren, wenn gleichzeitig im eigenen Hinterhof Priester „mit dem Rücken zum Volk“ wortlos, aber unüberhörbar zum Ausdruck bringen, daß nicht alle Gewalt vom Zeitgeist ausgeht. Es kann einer Organisation nicht auf Dauer gelingen, der hedonistischen Gesellschaft ihre guten Dienste bei der Produktion zeitgemäßer und sozial nützlicher „Wertorientierungen“ anzutragen, wenn in anderen ihrer Abteilungen „mittelalterliche Rituale und Lehrsätze“ vertreten werden, deren sich moderne Theologen und Pastoralarbeiter nur noch schämen können. Sie zu entsorgen steht konsequenterweise an der Spitze der Prioritätenliste aller Funktionäre des Apparats.

Die Frage der restlosen Verweltlichung oder einer stärkeren Entweltlichung der Kirche lässt sich nicht auf die Ritenfrage reduzieren – aber sie läßt sich auch nicht davon trennen.

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