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50 Jahre „Ottaviani Intervention“

Bild: Eigene AufnahmeVor 50 Jahren, am 5. Juni 1969, unterzeichneten die Kardinäle Alfredo Ottaviani, vormaliger Präfekt der Glaubenskongregation, und Antonio Bacci die „Kurze Kritische Untersuchung des neuen ‚Ordo Missae‘“, die Papst Paul VI. allerdings erst im September des Jahres zugestellt wurde. Die „Kurze Untersuchung“ war unter wohlwollender Begleitung der beiden Kardinäle von 12 Theologen unter maßgeblicher Mitarbeit von Erzbischof Lefebvre erstellt worden und unzerzog den Text des neuen Ordo Missae – ein komplettes Missale lag noch nicht vor – sowie die diesem vorangestellte Institutio Generalis einer eingehenden Kritik, deren Ergebnisse das von den beiden Kardinälen unterzeichnete Vorwort so zusammenfasste:

1. Wie die beiliegende kurze Untersuchung - das Werk einer Gruppe von Theologen, Liturgiewissenschaftlern und Seelsorgern - hinlänglich zeigt, stellt der "Novus Ordo Missae" mit seinen neuen, verschieden interpretierbaren Elementen, die darin indirekt oder ausdrücklich deutlich werden, sowohl im Ganzen wie in den Einzelheiten ein auffallendes Abrücken von der katholischen Theologie der heiligen Messe dar, wie sie in der X X 11. Sitzung des Konzils von Trient formuliert wurde. Durch die endgültige Festlegung der "Canones" des Ritus wurde damals eine unüberschreitbare Barriere errichtet gegen jede Häresie, die die Integrität des Mysteriums verletzen könnte.

2. Die zur Rechtfertigung eines so überaus gravierenden Bruches angeführten pastoralen Gründe erscheinen nicht hinreichend, selbst wenn ihnen gegenüber dogmatischen Erwägungen eine Existenzberechtigung zuerkannt wird. Was in dem "Novus Ordo Missae" an Neuem erscheint und was dagegen an zeitlos Gültigem einen geringeren Rang oder ganz anderen Platz erhält, könnte die Vermutung, die sich leider in vielen Kreisen insgeheim ausbreitet, zur Gewißheit werden lassen, Wahrheiten, die vom christlichen Volk immer geglaubt wurden, könnten ohne Untreue gegenüber dem heiligen Depositum der Lehre, an das der katholische Glaube für immer gebunden ist, geändert oder verschwiegen werden. Die kürzlich vollzogenen Reformen haben hinreichend bewiesen, daß weitere Neuerungen in der Liturgie zu nichts anderem führen würden als zur totalen Verwirrung der Gläubigen; diesen merkt man bereits an, daß sie die Anderungen nicht mehr ertragen können und an der Glaubenssubstanz unzweifelhaft Schaden leiden. Unter den Besten des Klerus zeigt sich dies in einer quälenden Gewissenskrise, wofür uns täglich zahlreiche Zeugnisse zugehen.

Diese Kritik wurde von Papst Paul VI. und seinem ganz im Erneuerungstaumel begriffenen Umfeld pauschal bis empört zurückgewiesen. Lediglich zu einer besonders angreifbaren Stelle der Institutio verfügte der Papst eine abschwächende Formulierung. Wo die Erstfassung die heilige Messe ausschließlich als „Zusammenkunft oder Gemeinschaft des Volkes Gottes zur Feier des Herrengedächtnisses unter dem Vorsitz des Priesters“ (Art. 7 der Institutio im Ordo von 1969) beschrieben hatte, wurde nun ergänzt, daß der Priester in Person Christi amtiere und daß es sich beim „Herrengedächtnis“ um das „Eucharistische Opfer“ handle (Art. 7 der Institutio im Missale von 1970, jeweils lateinische Fassung) Hier geht es weiter

Nach inzwischen erfolgten mehrfachen Revisionen der „Allgemeine Einführung“ und ihrer Wiedergabe in den völlig an die Stelle des Latein getretenen Nationalsprachen ist die derzeit für den deutschen Sprachraum gültige Fassung dem Wortlaut nach kaum zu kritisieren. Sie spricht ausdrücklich vom „Opfer des Leibes und des Blutes Christi“ (Art. 1) und macht sich (in Art. 2) die Lehre des Konzils von Trient vom Opfercharakter der hl. Messe in Worten voll und ganz zu eigen:

Das Zweite Vatikanische Konzil, das diese Lehre erneut ausgesprochen hat, macht dazu folgende Aussagen: „Unser Erlöser hat beim Letzten Abendmahl das eucharistische Opfer seines Leibes und Blutes eingesetzt, um dadurch das Opfer des Kreuzes durch die Zeiten hindurch bis zur Wiederkunft fortdauern zu lassen und so der Kirche, seiner geliebten Braut, eine Gedächtnisfeier seines Todes und seiner Auferstehung anzuvertrauen.“

Später heißt es dann noch einmal:

So entspricht die Gebetsweise der Kirche im neuen Messbuch dem beständigen Glauben, der uns wie folgt lehrt: Das Kreuzesopfer ist ein und dasselbe wie seine sakramentale Vergegenwärtigung in der Messe, abgesehen von der verschiedenen Art und Weise der Darbringung. 

Dem steht freilich in Art. 10 eine Formulierung gegenüber, die in der Praxis vielfach als „Öffnungsklausel“ verstanden wird, um genau den hier beschworenen „beständigen Glauben“ zu relativieren:

Das neue Messbuch bezeugt daher die Gebetsweise der Römischen Kirche und schützt das von den letzten Konzilien überlieferte Glaubensgut: gleichzeitig ist es aber auch ein großer Fortschritt in der liturgischen Überlieferung. Als die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils die dogmatischen Aussagen des Konzils von Trient wiederholten, haben sie dies in einer sehr veränderten Situation der Welt getan. Sie konnten daher pastorale Vorschläge und Richtlinien aufstellen, die vier Jahrhunderte zuvor nicht einmal vorauszusehen waren. 

Tatsächlich ist es müßig, die „Papierform“ des neuen Missales und seiner Institutio Generalis zur Grundlage einer Bewertung der Reform von 1970 zu machen. Selbst ein oberflächlicher Blick auf die liturgische und pastorale Realität der Gegenwart, zeigt, daß die in der „Kurzen kritischen Untersuchung“ vorgebrachten Einwände bereits damals zum Kern der Sache vordrangen und heute in eher noch verschärfter Form voll zutreffen. Der Geist der Reform, der immer deutlicher als Ungeist erkennbar wird, ist genau der, den die Arbeitsgruppe von 1969 analysiert hat und dessen Kritik sich die beiden Kardinäle vor 50 Jahren durch ihre Unterschrift zu eigen gemacht hatten.

Die aktuelle „Allgemeine Einführung“ findet sich auf der Website des Deutschen Liturgischen Instituts.

Die „kurze kritische Untersuchung“ scheint im Netz nur in englischer Sprache abrufbar zu sein. Eine deutsche Druckversion wird im Katalog des Sarto-Velages als „lieferbar“ angezeigt, während sie im allgemeinen Netzbuchhandel als „vergriffen“ gilt.

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