Bereichsnavigation Themen:

Der hl. Joseph und der Canon romanus

Bild: https://opusdei.org/en/article/saint-joseph-our-father-and-lord/Als Papst Pius IX. (1846 – 1878) seinerzeit gebeten worden war, den Hl. Joseph, Nährvater Jesu, in die Liste der Heiligen des communicantes im römischen Kanon aufzunehmen, soll er das mit der Begründung abgelehnt haben: „Das kann ich nicht machen – ich bin nur der Papst.“ Dabei war er sich offensichtlich der Tatsache bewußt, daß der Canon romanus, Herzstück der Liturgie der Kirche und ihres Verständnisses vom Wesen der heiligen Messe, seit der Zeit Gregors des Großen (590 – 604) niemals offiziell geändert worden war. Tatsächlich gehen früheste Textzeugnisse, die der heutigen Gestalt schon recht nahekommen, bis ins späte 4. Jahrhundert zurück – aus der erst nach Beginn dieses Jahrhunderts endenden Verfolgungszeit sind verständlicherweise keine entsprechenden Dokumente bekannt. Und bereits in dieser frühen Zeit wurde der Canon als „aus unvordenklicher Zeit überkommen“ und „von den Aposteln her überliefert“ angesehen.

Die kunstvoll geordnete Liste der Heiligen, die neben den Zwölf Aposteln zwölf weitere römische Martyrer – Päpste, Kleriker und Laien – umfaßt, geht wohl auf die „Schlußredaktion“ des Canons von der Hand Gregors selbst zurück, und sie bildete seitdem den Standard, der überall verbindlich war. Zwar gab es zeitlich und lokal begrenzte Ergänzungen, durch die Heilige, die für bestimmte Gemeinschaften von besonderer Bedeutung waren, der Liste hinzugefügt wurden. Aus dem Raum Fulda sind z.B. Manuskripte überliefert, die den hl. Bonifatius mit anführen. Ähnlich an anderen Orten – mit gelegentlich ein Dutzend oder mehr Namen umfassenden Namen regionaler Heiliger. In Ordensliturgien wurden gelegentlich die Ordensgründer hinzugefügt. Doch die Päpste und andere Wahrer von Glaube und Tradition haben stets versucht, solche Eigenmächtigkeiten einzudämmen. Im Micrologus des Bernold von Konstanz aus dem 11. Jahrhundert lesen wir z.B. „Es ist nicht erlaubt, die Namen anderer Heiliger aufzuzählen – nur jene, die wir im Canon der alten Schriften aufgezeichnet finden.“ Später – noch lange vor dem Konzil von Trient – wird jede Erweiterungen der Namensliste als Mißbrauch empfunden und teilweise mit scharfen Worten zurückgewiesen.

Hier geht es weiterDer Grund dafür liegt auf der Hand: Es steht nicht in der Macht des Bischofs, eines Ordensoberen oder gar einer Gemeinde, der Ehre eines Heiligen durch eine solche vermeintliche Auszeichnung etwas hinzuzufügen – das ist anmaßend. Im besseren Fall beruht diese Anmaßung auf dem Irrtum, zu solchem Ehrenerweis im Stande zu sein. Im schlechteren – und vermutlich häufigeren Fall – beruht sie auf dem Streben, der eigenen Ehre und Stellung noch ein Glanzlicht hinzuzufügen oder eigene politische Ziele zu fördern.

Leider drängt sich auch bei der mit Erklärung vom 13. November 1962 vorgenommenen Einfügung des hl. Joseph durch Johannes XXIII. in die Aufzählung des Communicantes ein dahingehender Verdacht auf. In der Einleitung des entsprechenden Dekretes der Ritenkongregation heißt es: In den Fußstapfen seiner Vorgänger hat unser allerheiligster Papst Johannes XXIII. den heiligen Josef nicht nur – wie er selbst verkündet hat – zum „hilfreichen Beschützer“ des Zweiten Vatikanischen Konzils ernannt, sondern er hat auch aus eigener Initiative (motu proprio) verfügt, dass sein Name im Kanon der Messe als willkommene Erinnerung und Frucht des Konzils selbst genannt werde. (“Tanquam optatum mnemosynon et fructus ipsius Concilii” AAS 54, November 13, 1962, p. 873.)

Das ist überaus bemerkenswert. Schließlich war das II. Vatikanische Konzil erst am 11. Oktober 1962 eröffnet worden, die Konzilsväter hatten kaum mit den Beratungen über die Vorlage zur Liturgie begonnen – und schon wird eine im Hinblick auf die Geltung altüberlieferter Tradition durchaus nicht nebensächliche Entscheidung als „Frucht des Konzils“ und zur Feier von dessen Erinnerung verkündet. Der Konzilsgeist in statu nascendi, wenn man so sagen darf.

Die Sache wird nicht besser dadurch, daß zu diesem „offiziellen“ Motiv auch noch ein zweites, inoffizielles genannt wird. Am 10. November hatte Bischof Čule von Mostar in Jugoslavien für die Aufnahme des hl. Joseph in den Canon gesprochen. Allerdings in kaum verständlicher Rede, so daß er sein Plaidoyer nur unter Mißfallenskundgebungen vieler Konzilsväter beenden konnte. Manchmal muß es in der Konzilsaula zugegangen sein wie in einer Schulklasse, Unterstufe.

Was die meisten der Mitrenträger nicht wußten: der Bischof von Mostar war im kommunistischen Jugoslavien lange inhaftiert gewesen und hatte vielfache Mißhandlungen erfahren, die auch seine Sprachfähigkeit beeinträchtigt hatten. Quasi ihm zum Trost und als Widergutmachung, habe dann der mit Čule persönlich bekannte Johannes IIXXX. tags darauf die erbetene Änderung verfügt, ohne die weiteren Beratungen in dieser Sache abzuwarten – lange vor der schließlichen Verabschiedung von Sacrosactum Concilium erst ein Jahr später. Auch hier zeichnet sich bereits der neue, als Konzilsgeist in die Kirche eingezogene Ungeist ab: Die Bereitschaft, persönlichen Befindlichkeiten und „Betroffenheit“ den Vorrang einzuräumen vor der Achtung von Traditionen und der Weisheit der Jahrhunderte.

Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen: Unsere Kritik richtet sich in gar keine Weise gegen den Heiligen Joseph, dessen Ehre und Stellung wir um nichts vermindern wollen und auch in gar keiner Weise können. Es geht um den „modus operandi“, in dem hier eine ebenfalls über jede Kritik erhabene Tradition des römischen Ritus weggewischt und damit die Tür zu weiteren, inhaltlich oft weitaus bedenklicheren Eingriffen in diese Tradition einen ersten Spalt weit geöffnet wurde.

Hl. Joseph, bitte für uns.

Zusätzliche Informationen