Aschermittwoch
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- 01. März 2017
Die Zählung der Vorfastentage als den jeweils 70., 60. und 50.Tag vor Ostern erfordert schon einige kalkulatorische Flexibilität, und mit der Quadragesima, also der 40-tägigen Fastenzeit vor Ostern, die heute beginnt, wird die Sache nicht einfacher. Zumal hier nicht nur der Aschermittwoch im Spiel ist, sondern auch der kommende erste Fastensonntag, der im Mittelalter ebenfalls die Bezeichnung „Quadragesima“ trug. Da unser Glaube ein rationaler ist und Behauptungen wie 2 + 2 könne erforderlichenfalls auch 5 sein, seit jeher mit dem allergrößten Mißtrauen begegnete, hatte die Unschärfe der Tageszählung um die Fastenzeit schon immer Erklärungsbedarf. Ein typisches und sowohl historisch als auch allegorisch überzeugendes Beispiel einer solchen Erklärung liefert Rupert v. Deutz (1070-1129) im 9. Kapitel des 4. Buches seines Liber de divinis officiis – er setzt dabei mit dem 1. Fastensonntag an:
Nicht nur dieser Sonntag heißt Quadragesima, wie die vorhergehenden Sonntage Quinquagesima, Sexagesima und Septuagesima heißen, sondern auch die ganze folgende Zeit, die von diesem Tag an bis zum hochheiligen Osterfest reicht, trägt den Namen Quadragesima, nämlich wegen der Nachahmung des Fastens des Herrn, die wir diese Tage hindurch andauern lassen.
Doch bei dieser Berechnung fehlen nachweislich vier Tage. Denn wenngleich von hier an bis zur heiligen Osternacht zweiundvierzig Tage gezählt werden, nimmt sich die christliche Frömmigkeit dennoch vor, nur sechsunddreißig Tage der Enthaltsamkeit zu weihen. Die rechtmäßige Autorität der Kirche verbietet nämlich, daß jemals ein Wölkchen öffentlichen Fastens den ersten Tag der Woche verdunkelt, der vom Glanz der Auferstehung des Herrn erleuchtet worden ist. Damit also die Feier unseres Fastens sich enger mit dem Beispiel des Herrn verbindet, sind die vier Tage, die diesem Sonntag voraufgehen, dem vorher genannten zehnten Teil des ganzen Jahres hinzugefügt worden, denn vom ganzen Jahr, das heißt der Zahl von dreihundertsechzig Tagen, ist die oben genannte Zahl sechsunddreißig der zehnte Teil. Wenn diese vier hinzugefügt sind, sind es vierzig, das heißt vier zusammen mit dem zehnten Teil. Und dies ist die richtigere sprachliche Herleitung der Bezeichnung Quadragesima; anderenfalls ist allein ein Tag, das heißt der dritte Wochentag (nämlich der Mittwoch) dieser Woche, vom Ostertag her gerechnet der vierzigste. (Zitiert nach der zweisprachigen Ausgabe der Fontes Christiani, Herder 1999)
Interessant ist hier noch der Hinweis auf die 36 als den (großzügig gerechnet) 10. Teil des Jahres. Rupert bezieht sich hier auf eine bis auf die Kirchenväter zurückgehende strenge Vorstellung, daß die frühen Christen aus Dankbarkeit für die Erlösung und zur Buße für die Sünden des Menschengeschlechtes das ganze Leben hindurch, also an allen Tagen des Jahres (außer den Sonntage) gefastet hätten. Da dies jedoch die Kräfte der meisten überforderte, habe Papst Telesphorus († 136) den zehnten Teil der Tage des Jahres zur Fastenzeit bestimmt. Das passt sehr schön zu dem Gedanken, auch in Hinsicht auf die leiblichen Genüsse einen „Zehnten“ zu entrichten – weniger gut jedoch zur tatsächlichen Tradition der Kirchen des Ostens, aber auch im Westen, die ursprünglich und teilweise bis auf den heutigen Tag eine erheblich größere Zahl von Fastentagen (im Westen war auch der Advent Fastenzeit) kannte.
So bleibt es also beim Brauch eines 40-Tägigen Fastens, wie er weit in die Tradition des neuen und des alten Testaments zurückreicht.
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Im jahr 2013 hatte wir die Stationskirchen für jeden Tag der Fastenzeit einzeln vorgestellt. Ein Besuch der Seiten hat auch 2017 nichts an Aktualität verloren.