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Die verlorenen Feste - III

Bild: gefunden auf http://www.gottliebtuns.com/monte_sant_angelo.htmDer überlieferte Kalender verzeichnet für den 8. Mai das Fest der Erscheinung des hl. Erzengels Michael auf dem Monte Gargano in Apulien um das Jahr 495. Neuere Ausgaben (des traditionellen Martyrologiums) fügen hinzu: „den Papst Pius XII zum Patron und Schutzherren der Radiologen und Strahlentherapeuten eingesetzt hat“. Wir sehen: Die römische Kirche wendet sich nicht gegen Innovationen per se, vertraut sie allerdings dem Schutz Gottes und seiner Heiligen an.

Für die Reformer von Liturgie und Martyrologium ist das freilich nicht genug: Als aufgeklärte Höhlenbewohner des 20. und 21. Jahrhunderts können sie die Vorstellung einer Engelserscheinung ebenso wenig ertragen wie die des Martyriums und der wunderbaren Errettung vor der Porta Latina. Folglich taucht das Fest in der aktuellen Fassung des Martyrologiums und im liturgischen Kalender (wie stets referenziert nach Schott-Online) nicht mehr auf.

Nun hat es mit der Verehrung der hl. Engel eine besondere Bewandnis: Weitaus stärker als der Kult der Heiligen, für deren Wirken es oft historische oder literarische Zeugnisse sowie beglaubigte Traditionen und kirchliche Regelungen gibt, eignen sich die unsichtbaren Geister dazu, anfälligen Personen (oder Gemeinschaften) Vorlagen für bedenkliche Phantasien oder direkt schädliche Irrtümer zu geben. Es fällt nicht schwer, in der Fassung der Mte-Gargano-Legende, die bei Jacopo de Voragine überliefert ist, Erinnerungen an einen „heiligen Ort“ aus vorchristlicher Zei zu vermuten. Wer will, mag auch an dem einzigen Eigentext des Propriums vom Hl. Michael von Gargano, dem Graduale, Anstoß nehmen, wo es heißt:

Alleluja, Alleluja. (V) Heiliger Erzengel Michael, verteidige uns im Kampfe, auf daß wir nicht zu Grunde gehen im schrecklichen Gerichte. Alleluja. (V) Das Meer kam in Wallung, es wankte die Erde, als der Erzengel Michael vom Himmel herabstieg. Alleluja.

Der Wortgebrauch des zweiten Versikels ist exakt der von Psalm 18: 10,16 – wo es aber der Herr (Jahwe) selbst ist, der „den Himmel neigt und zur Erde herabfährt“. Die Gefahr zu gedanklichen Grenzüberschreitunen wird noch dadurch vergrößert, daß es im Alten Testament und seinen Apokryphen noch andere Passagen gibt, die die Unterscheidung zwischen dem Einen Einzigen Gott und den (zählbaren!) höchsten Engeln unscharf werden lassen. Hier geht es weiter Diese Unschärfe wird im Christentum durchaus nicht spurlos überwunden: Nach Auffassung orthodoxer Theologen waren es die drei Erzengel Michael, Gabriel und Raphael, die Abraham im Hain von Mamre als der Eine Gott erschienen sind.

Der römische Kanon enthält im „Supplices te rogamus“ eine ebenfalls bemerkenswert „unscharfe“ Formulierung, wenn es dort heißt:

Allmächtiger Gott: Dein hl. Engel möge dieses Opfer zu Deinem himmlischen Altar emportragen vor das Angesicht Deiner göttlichen Majestät.

Gemeinhin wird dieser Opferengel in Anlehnung an die Geheime Offenbarung 8: 3 als der Engel mit dem Räuchergefäß vor dem Altar am Throne Gottes verstanden. Nach Thomas von Aquin handelt es sich dabei jedoch um den Mittler Christus selbst.

Man sieht: Hier besteht, modisch ausgedrückt, „Erklärungsbedarf“ - und genau diesem Erklärungs- und Katechesebedarf entzieht sich die nachkonzliare Kirche, wenn sie den hl. Michael von Gargano oder den hl. Johannes von der Porta Latina sicherheitshalber aus ihrem Kalender streicht und im Religionsunterricht lieber Märchen aus den Anden vortragen läßt. Die im Glaubensbekenntnis verbürgte Existenz einer geschaffenen, unsichtbaren Welt der Geisteswesen und die darauf bezüglichen Abschnitte des Katechismus von 1993 spielen für die katechese und Pastoral praktisch keine Rolle.

Kein Wunder, daß diese Leere von anderer Seite mit äußerst zweifelhaften Inhalten gefüllt wird. Scharen von erfundenen Engeln, gerne assoziiert mit heilkräftigen Steinen oder Pflanzen, bevölkern die esoterische Literatur. Auf den Friedhöfen verschwinden die Kreuze von den Grabsteinen, und zumeist unsagbar kitschige und in jeder Hinsicht „geistlose“ „Trauerengel“ nehmen deren früheren Platz ein. Als „Träger einer therapeutischen Funktion“ (Drevermann) erfreuen sich Engel großer Beliebtheit - tatsächlich hat eine Forsa-Umfrage von 2005 ergeben, daß mehr Menschen an die Existenz von Engeln glauben als an die Gottes. Auch hier: Das Geschöpf rückt an die Stelle des Schöpfers.

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