Bereichsnavigation Themen:

Quatembersamstag im Herbst

Bild: Emamus Formation Center - s. AnmerkungDer Ordo Missae ist am heutigen Samstag der Herbst-Quatember zwar nicht in seiner Grundordnung gestört, aber doch in seinem Ablauf deutlich modifiziert. Mit insgesamt sieben Lesungen, die teilweise auch noch durch spezielle Orationen und ein altertümliches „Orate genua – levate“ voneinander abgesetzt sind, nimmt dieser Tag eine Sonderstellung ein. Seine Lesungen bieten ein Programm von seltener Geschlossenheit. Ihr Gegenstand sind die Feste und Feiern des Volkes Gottes – von den Anfängen im Alten Bund bis in die Gegenwart der Apostel. Nur einmal scheint dieser Sinnzusammenhang verlassen zu werden, wenn in Übereinstimmung mit der Funktion des Tages als Weihetag in der 5. Lesung vor der Weihe der Subdiakone der Bericht des Propheten Daniel (33; 47-56) von den „Drei Jünglingen im Feuerofen“ und der zugehörige Hymnus vorgetragen wird.

Allerdings ist auch hier ein Zusammenhang mit dem Generalthema feststellbar. Einmal, weil dieser wohl noch in die Zeit vor Daniel zurückreichende Hymnus – genauer gesagt ist es eine Litanei – ein bewegendes Zeugnis für das Gotteslob in Israel und dessen Aufnahme und Weiterführung in der christlichen Gemeinde ist. Dabei wird die Weiterführung nicht nur dadurch betont, daß die Litanei – ähnlich wie bei den Psalmen – mit der trinitarischen Doxologie „Ehre sei dem Vater...“ ausklingt. Anschließend folgt auch noch einmal ausdrücklich die Anrufung: „Gepriesen bist Du, Herr, Gott unserer Väter“, die den Eintritt der christlichen Gemeinde in die Nachfolge des Volkes Israel bekräftigt. Zum anderen, weil spätestens in der Epistel aus dem Hebräerbrief und im Evangelium deutlich wird, daß der Gottesdienst der Kirche in der sakramentalen Vollendung des Messopfers den Gottesdienst des Tempels nicht nur weiterführt, sondern auch übersteigt.

Doch zurück zu den Lesungen über die Feste und Feiern. Die erste Lesung aus 3. Mose 23 (Levitikus mit den Vorschriften für den Gottesdienst und die Priester) berichtet von der Einsetzung des Versöhnungstages (Jom Kippur) auf den 10 Tag des 7. Monats, der heute dem September entspricht. Dieser Tag war als Sühnetag mit Fasten und feierlichen Opfern angeordnet, und das war sehr ernst gemeint: wer sich der Einhaltung dieses Gebotes entzog, wird vom Herrn selbst mit Tod und Ausrottung bedroht.

Hier geht es weiter Die Zweite Lesung von gleicher Stelle betrifft die Anordnung des fünf Tage nach dem Versöhnungstag beginnenden und dann eine ganze Oktav dauernden Laubhüttenfestes (Sukkot). Das Laubhüttenfest ist einerseits ein Erntedankfest mit Blick auf die Gaben des vergangenen Jahres, gilt andererseits aber und vor allem der dankbaren Erinnerung an die seinem Volk von seinem Gott erwiesenen Wohltaten in der Geschichte. Daher der Aufruf: „Seid fröhlich vor dem Herrn eurem Gott.“ Erst Buße und Versöhnung, dann Feier und Jubel.

Die dritte Lesung aus dem Propheten Micha (Kapitel 7) greift das Gedenken an Gottes Handeln in der Geschichte auf und führt es über in das „Vertrauensbekenntnis“, das mehr als jedes „Glaubensbekenntnis“ im Zentrum der alten Religion Israels steht: Der Gott, der sein Volk in der Vergangenheit beschützt und geleitet hat, wird auch jetzt sein Helfer und in Zukunft sein Erlöser sein: „Er wird wegnehmen all unsere Missetaten und all unsere Sünden in den Abgrund des Meeres schleudern.“

Die vierte Lesung (Zacharias 8) greift dieses Bekenntnis auf und erinnert zunächst an die Gebote, die der Herr seinem Volk im Bundesschluss auferlegt hat: Die Achtung vor der Wahrheit, Gerechtigkeit gegenüber den Mitmenschen und Respektierung von deren Leben, Ehre und Besitz. Und natürlich die Einhaltung der als unmittelbares göttliches Gebot betrachteten „Gottesdienstordnung“: „So spricht der Herr der Herrscharen: ‚Das Fasten im vierten, fünften, siebten und zehnten Monat soll dem Hause Juda zu Tagen der Freude und Wonne werden und zu herrlichen Festzeiten; nur liebet Wahrheit und Frieden‘ - so spricht der Herr“.

Das Gotteslob aus dem Hymnus Daniels in der 5. Lesung mag einen Eindruck davon vermitteln , wie sich die Komponisten dieser Perikopenordnung Verbindung und Zusammenhang von Tagen des Fastens und des Leidens mit Tagen der Freude vorgestellt haben.

Der bei Daniel nur angedeutete Übergang von der irdischen in die metaphysische Dimension wird dann in der 6. Lesung aus dem Brief des hl. Paulus an die Hebräer (die Diskussion über die Autorschaft des Briefes tut nichts zur Sache) „theologisch“ ausgeführt. Christus als der „Hohepriester der künftigen Güter“ hat den Gottesdienst und die Opfer des Alten Bundes zur Vollendung gebracht und damit „aufgehoben“, auf eine neue Ebene gehoben. Hier wird dann auch wieder die Verbindung zu den zwischen den Lesungen erfolgenden Weihen der Kleriker sichtbar. Die alttestamentarischen Lesungen begleiten die niederen Weihestufen, nach der Lesung aus dem Hebräerbrief werden die Diakone geweiht; nach dem Tractus erfolgt die Weihe der Priester, die als „alter christus“ in Vertretung des einen und eigentlichen Hohenpriesters am Opferaltar des neuen Bundes stehen.

Das abschließende Evangelium von der Heilung der Buckligen (Lukas 13) scheint nicht so recht in den bis hierhin nachgezeichneten Zusammenhang zu passen. Eine Eigentümlichkeit des frühmittelalterlichen Denkens, dem diese Leseordnung entstammt , läßt jedoch einen Zusammenhang erschließen. Die mittelalterliche Denkweise ist zwar nicht unlogisch – da sei Aristoteles vor. Aber sie bietet doch viel Raum für analoges und assoziatives Denken und die damit verbundenen Erkenntnismöglichkeiten. Die Verbindung zum Tage liegt hier weniger in dem Wunderbericht, obwohl sich auch in der Befreiung von den Fesseln des Teufels denkbare Ansatzpunkte finden ließen. Leichter erschließt sich dieser Zusammenhang mit dem Hinweis auf den Festtag des Sabbats, an dem nach der Ordnung des alten Gesetzes eine Heilung in Ausübung des ärztlichen Handwerks frevelhaft gewesen wäre. Diese alte Ordnung hat der wahre Hohepriester aufgehoben. Der neue Sabbat und der neue Gottesdienst mit der Feier der Sakramente enthalten mehr als die Buße für die für begangene Sünden und Dank für empfangene Wohltaten. Sie bezeichnen und bewirken auch die „Befreiung aus den Fesseln des Teufels“, die der alte Glaube nur verheißen und im Symbol vorwegnehmen, jedoch nicht wirklich bewirken konnte.

Von daher wird sichtbar, wie die ganze Leseordnung dieses Quatember- und Weihetages nicht allein von der Herleitung und Fortführung von Feier und Gottesdienst des alten im neuen Bund handelt, sondern geradewegs auf deren Angelpunkt in der sakramentalen Natur des Priestertums der Kirche Christi zusteuert. Eine überaus glückliche Verbindung des Charakters eines Buß- und Danktages mit dem Tag der Weihen bis zum Priesteramt.

*

Da die Perikope von der Heilung der Buckligen an keinem Sonntag vorgetragen wird, ist sie in der europäischen Kunst selten dargestellt worden. Unter evangelikalen Christen in den USA ist sie dennoch sehr populär, und auf der wohl in dieses Umfeld gehörenden Website eines Emmaus Formation Centre fanden wir die oben verwandte moderne Illustration.

Zusätzliche Informationen