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Die keusche Susanna

Bild: Stich von Philip Galle, um 1600, Kunsthalle MannheimDie Lesung des letzten Tages der dritten Fastenwoche bringt die Erzählung von „Susanna im Bade“, die ebenfalls zum kleinen Grundbestand der Texte aus dem Alten Testament gehört, die sich auch heute noch einer gewissen Bekanntheit bei Gläubigen und Ungläubigen erfreuen. Nicht zuletzt wegen der zahllosen Illustrationen, die im Lauf der Jahrhunderte um die keusche Susanna und die lüsternen Greise entstanden sind. Der Text ist überlieferten im 13. Buch Daniel, das zwar in der Septuaginta enthalten ist, nicht aber in der masoretisch-hebräischen Tradition, die mit Daniel 12 endet.

Der rote Faden der in Daniel 13; 1 – 62 nachgerade novellenartig ausgebreiteten Geschichte ist schnell erzählt: Schon seit längerem stellen zwei ehrenwerte Gemeindeälteste der schönen Susanna nach, und eines Tages gelingt es ihnen, in den Garten einzudringen, in dem Susanna, vor fremden Blicken vermeintlich sicher, ihr Bad, nimmt. Es folgt ein klassisches Erpressungsmanöver: „Siehe, die Tür des Gartens ist verschlossen und keiner sieht uns. Sei uns zu willen und sündige mit uns – wenn nicht, werden wir gegen Dich aussagen, daß ein Jüngling mit dir war“. Susanna weigert sich unter ausdrücklicher Berufung auf das göttliche Gebot, die Gemeindeältesten schreien laut „Skandal! Skandal!“ – und am nächsten Tag kommt es zu einem Prozess vor der ganzen Gemeinde. Die um ihr Vergnügen gekommenen Würdenträger bringen wie angedroht ihre Beschuldigung vor. „Die Menge glaubte ihnen als den Ältesten und Richtern des Volkes und man verurteilte Susanna zum Tode.“

Doch dann greift der Herr ein und erweckt Daniel zu ihrem Retter, der in einem mit geradezu salomonischer Weisheit geführten Verfahren die Lustgreise der Lüge überführt. Hier geht es weiter„Da jubelte das ganze Volk mit lauter Stimme und pries Gott, der ja die rettet, die auf ihn hoffen.. Und sie wandten sich wider die zwei Ältesten und taten an ihnen entsprechend dem Bösen, das sie an ihrem Nächsten verübt hatten, und töteten sie. So ward an jenem Tage unschuldiges Blut gerettet.“

Die Erzählung gibt zum einen ein anschauliches Bild von der Bosheit und Korruptheit vieler Richter und Machthaber im Lande, die nicht nur hier, sondern auch in anderen Texten und besonders in vielen Psalmen immer wieder beklagt werden. Es zeigt auch die Schwäche der sozialen Institutionen, die stark von Zufallsmehrheiten und Stimmungsumschwüngen abhängig waren – nur bei Gott konnte man auf Gerechtigkeit hoffen. Und so verhindert der Herr an jenem Tage, daß „unschuldiges Blut vergossen“ wird. Den Ältesten, die zum Ehebruch entschlossen, Susanna verleumdet hatten, verkündet Daniel jedoch ein grausames Urteil: „Der Engel Gottes hat von ihm Befehl erhalten und euch mitten entzweihauen“ – und man kann davon ausgehen, daß die Menge das als Aufforderung verstand, genau so zu verfahren.

Die Klage über verleumderische Anklagen und korrupte Richter durchzieht das ganze alte Testament, und auch von der Bereitschaft des Mobs, das, was ihm als Gottes Wille erscheint, mit mörderischer Gewalt durchzusetzen, ist immer wieder die Rede. Das war auch noch zu Jesu Zeiten so. Wie oft mußte er sich vor einer aufgebrachten und mordbereiten Menge „verbergen und hinweggehen“ – und die Ehebrecherin aus dem heute mit Vorbedacht gewählten Evangelium (Joh. 8; 11 – 1) , die er mit dem Wort rettete: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein“, war wohl auch nicht die einzige.

Ist darin eine grundsätzliche Abkehr von der Todesstrafe zu erkennen, wie das von Vertretern des Paradigmenwechsels von der „Drohbotschaft“ des alten zur „Frohbotschaft“ des neuen Testaments ins Feld geführt wird? Wohl eher nicht. Jesus richtet sich gegen die Heuchelei derer, die andere wegen Vergehen anklagen und Verurteilen, derer sie sich doch auch selbst oft genug schuldig gemacht haben. Er will dem Sünder eine Chance geben – und die Pflicht vor Augen stellen – sich zu bessern. Endlos ist seine Geduld in dieser Hinsicht aber wohl nicht, wie an der Drohung zu erkennen ist: Besser wäre es, mit einem Stein um den Hals ins Meer geworfen zu werden, als das Schicksal zu erleiden, das denen bereitet ist, die „einem von diesen Kleinen Ärgernis geben“.

Das geht nicht nur gegen die Kinderverderber. Die „Kleinen“ stehen in der Predigt Jesu immer auch für die „kleinen Leute“, für die, deren materielles wie geistiges Vermögen nicht immer ausreicht, den Verführungen und Vergewaltigungen durch die „Großen“ zu widerstehen.

Zur Todesstrafe hat sich Jesus und haben sich die Evangelien nicht direkt geäußert, wohl aber indirekt. Etwa im Verhör Jesus vor Pilatus – der den schweigenden Angeklagten daran erinnert, daß er die Macht habe, ihn zu kreuzigen oder freizugeben, zu töten oder leben zu lassen. Fern davon, ihm diese Macht grundsätzlich abzusprechen, erinnert der Herr ihn daran, daß diese Macht nicht bedingungslos und nur verliehen ist: „Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht von oben gegeben wäre.“ (Joh. 19; 11) Das klingt gar nicht so anders als das „Der Engel Gottes hat von ihm Befehl erhalten und wird euch mitten entzwei hauen.“

Es gibt eine Gerechtigkeit Gottes, und der Herr ist frei darin, wie, wann und durch wen er sie zur Geltung bringen will.

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